OFD Nordrhein-Westfalen, 16.12.2014, S 2137 - 2010/0003 - St 142

 

1. Rückstellungen wegen Kostenüberdeckungen nach § 6 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz (KAG) für das Land NRW

Der BFH hat mit Urteil vom 6.2.2013, I R 62/11, BStBl 2013 II S. 954, entschieden, dass für die Verpflichtung, zu viel vereinnahmte Nutzungsentgelte in der folgenden Kalkulationsperiode durch entsprechend geminderte Entgelte ausgleichen zu müssen, eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden ist. Das Urteil betrifft explizit nur die Verrechnungsverpflichtung aufgrund von Kostenüberdeckungen i.S. des § 10 Abs. 2 des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes doch sind diese Grundsätze bei vergleichbaren gesetzlichen Verpflichtungen – wie im Falle des § 6 Abs. 2 KAG NRW – entsprechend anzuwenden. Bei Gebührenrechnungen von Gemeinden und Gemeindeverbänden kann dabei ein Kalkulationszeitraum von höchstens drei Jahren zugrunde gelegt werden. Soweit sich am Ende eines Kalkulationszeitraumes Kostenüberdeckungen ergeben, sind diese innerhalb der nächsten vier Jahre auszugleichen (§ 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KAG NRW). Das Gesetz sieht keine Verzinsung der Kostenüberdeckung vor.

Unter Berücksichtigung der Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zur Bildung von Rückstellungen bei Verpflichtungen aus öffentlichem Recht (vgl. BFH vom 6.2.2013, I R 8/12, BStBl 2013 II S. 686, m.w.N.; siehe auch R 5.7 (4) EStR 2012) führt eine Kostenüberdeckung, die sich von Beginn des Kalkulationszeitraumes bis zum Ende des betreffenden Wirtschaftsjahres ergibt, nach § 6 Abs. 2 KAG NRW bereits zum Ansatz einer Rückstellung.

Die Rückstellungen sind gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG abzuzinsen (Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 26.5.2005, BStBl 2005 I S. 699).

 

2. Rückstellungen in der Energiewirtschaft

Strom- und Gas-Netzbetreiber schließen mit Energieversorgungsunternehmen zivilrechtliche Verträge, nach denen diese berechtigt sind, das Versorgungsnetz des Betreibers entgeltlich zu nutzen. Die maximale Höhe des Entgeltes wird durch die zuständigen Landesregulierungsbehörden (vgl. § 54 Abs. 1, 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 EnwG) durch Festlegung einer sogenannten Obergrenze reguliert. Die Regulierungsbehörden selbst sind nicht Vertragsparteien.

Übersteigen die erzielten Erlöse einer Kalkulations- bzw. Regulierungsperiode die für diesen Zeitraum zugrunde gelegten Netzkosten, so ist der Mehrbetrag in der Folgeperiode gegenüber den Versorgungsunternehmen auszugleichen. Das genehmigungsfähige Nutzungsentgelt mindert sich entsprechend.

 

2.1 Rückstellungen nach § 23a EnWG

Gemäß § 118 Abs. 1b Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) i.d.F. vom 7.7.2005 hatten Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen nach § 23a EnwG erstmals drei Monate nach Inkrafttreten der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) am 29.7.2005 und damit spätestens am 29.10.2005 bei der Regulierungsbehörde einen Antrag auf Genehmigung der von ihnen erhobenen Entgelte für den Netzzugang zu stellen. (Die Genehmigung galt jeweils für eine Abrechnungsperiode. Diese umfasste im Regelfall drei Jahre.) Die Frist für den Antrag auf Genehmigung der Entgelte für den Zugang zu den Gasnetzen endete sechs Monate nach Inkrafttreten der Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV) am 29.7.2005, also am 29.1.2006. Die Netzbetreiber hatten ihre Nutzungsentgelte spätestens ab dem 1.11.2005 bzw. 30.1.2006 nach den genannten Verordnungen zu bestimmen (vgl. § 32 Abs. 2 StromNEV und § 32 Abs. 2 GasNEV). Mit der Genehmigung der Entgelte durch die zuständige Behörde erhielten diese formell und materiell Geltung.

Für den Zeitraum bis zur Genehmigung konnte nach § 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG das bis dato erhobene Netzentgelt beibehalten werden. In der Mehrzahl der Fälle war das später genehmigte Entgelt jedoch geringer als das tatsächlich bereits erhobene.

Mit Beschluss vom 14.8.2008 (KVR 39/07) hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass der Mehrerlös, der sich aus der Differenz zwischen dem zunächst beibehaltenen und dem später genehmigten Entgelt ergibt, periodenübergreifend auszugleichen sei. Eine Rückabwicklung der betroffenen Vertragsbeziehungen komme nicht in Betracht (vgl. Rz. 21 des genannten Beschlusses und (ausführlicher) Rzn. 32 – 34 des BGH-Beschlusses KVR 27/07 vom selben Tage).

Mit der vorgenannten Entscheidung wurde die von der Bundesnetzagentur vertretene Auffassung bestätigt, dass die zu viel vereinnahmten Entgelte nicht endgültig behalten werden dürfen. Die Verpflichtung, die zu viel vereinnahmten Entgelte zu verrechnen, ergibt sich danach unmittelbar aus dem EnWG, sodass die Rückstellungsbildung nicht den Erlass einer behördlichen Verfügung voraussetzt. Eine Rückstellung ist folglich grundsätzlich zu dem Bilanzstichtag zu bilden, zu dem sich erstmals eine Ausgleichsverpflichtung ergeben hat.

Sollten einzelvertragliche Rückerstattungsvereinbarungen zwischen dem Netzbetreiber und einzelnen Netznutzern auf freiwilliger Basis geschlossen worden sein und steht die Rückzahlung am Bilanzstichtag noch aus, hat der Netzbetreiber insoweit eine ...

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