Für Rückstellungen gilt der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Müssen Rückstellungen in der Handelsbilanz zwingend gebildet werden, sind sie auch für die Steuerbilanz zu übernehmen, soweit steuerliche Regelungen dem nicht entgegenstehen.

Auch die handelsrechtliche Bewertung gilt im Grundsatz für die Steuerbilanz, jedoch nur so weit, wie das Steuerrecht keine selbstständigen Bewertungsvorschriften enthält. In Bezug auf die Bewertung von Rückstellungen finden sich in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG gesonderte Regelungen. Außerdem wurden zahlreiche Details der steuerbilanziellen Bewertung von Rückstellungen im BMF, Schreiben v. 26.5.2005 (IV B 2 – S 2175 – 7/05) konkretisiert.[1]

Die in Bezug auf die Abzinsung von Rückstellungen besonders relevanten Aspekte werden im Folgenden dargestellt.

[1] Vgl. hierzu ausführlich den Beitrag "Rückstellungen, Handels- und Steuerrecht".

4.1 Verpflichtung zur Abzinsung

Rückstellungen sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG abzuzinsen; ausgenommen von der Abzinsung sind Rückstellungen,

  • deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt und
  • die verzinslich sind oder
  • die auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen.

Eine verzinsliche Verbindlichkeit liegt vor, wenn ein Zinssatz von mehr als 0 % vereinbart wurde oder wirtschaftliche Nachteile in Kauf genommen werden, die einer Verzinsung gleichkommen.[1] Demnach ist eine Verzinslichkeit auch dann gegeben, wenn die der Rückstellung zugrunde liegende Schuld eine verdeckte oder konkludente Verzinslichkeit enthält.[2]

Rückstellungen für Steuerschulden, die nach § 233a AO verzinst werden, sind nach dem BMF, Schreiben v. 26.5.2005 (IV B 2 – S 2175 – 7/05), Rz. 33 nicht abzuzinsen. Aus Vereinfachungsgründen gilt dies auch dann, wenn möglicherweise Zinsen nicht festgesetzt werden.

Bei Garantie- und Gewährleistungsrückstellungen ist wie folgt zwischen Pauschalrückstellungen und Einzelrückstellungen zu unterscheiden:

  • Einzelrückstellungen für Garantie- und Gewährleistungsansprüche müssen abgezinst werden, wenn die voraussichtliche Laufzeit mindestens 12 Monate beträgt.
  • Bei Pauschalrückstellungen für Garantie- und Gewährleistungsansprüche findet gemäß BMF, Schreiben v. 26.5.2005 (IV B 2 – S 2175 – 7/05), Rz. 7 aus Vereinfachungsgründen keine Abzinsung statt.
[1] Vgl. BMF, Schreiben v. 26.5.2005, IV B 2 – S 2175 – 7/05, Rz. 13/14 i. V. m. Rz. 32.
[2] Vgl. hierzu Bongarts/Zimmermann in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht, 3. Aufl. 2018, Rz. 5662m. w. Beispielen.

4.2 Nomineller Verpflichtungsbetrag

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG sind bei der Bewertung einer Rückstellung die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend, d. h. künftige Preis- und Kostensteigerungen dürfen nicht berücksichtigt werden. Dementsprechend ist der nominelle Verpflichtungsbetrag nach Preis- und Kostenverhältnissen am jeweiligen Bilanzstichtag zu ermitteln. Zukünftig erwartete Preissteigerungen dürfen nicht einbezogen werden.

Entsteht die Verpflichtung in Abhängigkeit vom laufenden Betrieb, müssen die zur Erfüllung erforderlichen Beträge zeitanteilig (linear) angesammelt werden.[1] Das ist z. B. der Fall, wenn eine Verpflichtung, die den laufenden Betrieb betrifft, nach einer bestimmten Zeit zu erfüllen ist.[2]

4.3 Abzinsungssatz

Der Abzinsung ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG ein Zinssatz von 5,5 % zugrunde zu legen. Dies gilt unabhängig von der jeweiligen Restlaufzeit (was bestimmte Berechnungen im Vergleich zur handelsrechtlichen Berechnung vereinfacht).

Die Abzinsung reduziert die Höhe der Rückstellung. Da der steuerliche Zinssatz wesentlich höher ist als die aktuellen Marktzinssätze, die handelsrechtlich anzuwenden sind, ist der Abzinsungseffekt entsprechend höher als nach Handelsrecht, d. h. der nominelle Verpflichtungsbetrag wird nach steuerrechtlicher Abzinsung stärker gemindert als im Zuge der handelsrechtlichen Abzinsung.

 
Hinweis

Wegfall des Abzinsungsgebots für Verbindlichkeiten

Durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz ist die Verpflichtung zur Abzinsung von Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz weggefallen (Verkündung am 23.6.2022). § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG wurde dahingehend geändert, dass Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen sind. Die Verpflichtung zur Abzinsung wurde gestrichen.

Als Folgeänderung, wurde zwar § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ebenfalls geändert, da bisher auf § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG verwiesen wurde. Aber § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG stellt klar, dass Rückstellungen weiterhin mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen sind. Ein Verfahren, das u. a. die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Zinsatzes zur Abzinsung von Rückstellungen von 5,5 % für Veranlagungszeiträume bis 2013 zum Gegenstand hat, ist beim BFH anhängig (Aktenzeichen des BFH: IV R 4/22).

4.4 Restlaufzeit

Die voraussichtliche Restlaufzeit einer Rückstellung für eine ungewisse Verpflichtung am Bilanzstichtag ist nach BMF, Schreiben v. 26.5.2005 (IV B 2 – S 2175 – 7/05), Rz. 24 n...

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