Zukunftsmacher: Impact-Start-ups, die wirken

WeGrow: Klimaschutz mit dem schnellsten Baum der Welt


Zukunftsmacher: WeGrow

Peter Diessenbacher und Allin Gasparian haben aus dem rasant wachsenden Kiribaum ein nachhaltiges Geschäftsmodell gemacht: WeGrow liefert Holz ohne Wälder zu roden, bindet CO₂ und entwickelt klimafreundliche, ressourcenschonende Häuser.

Als sie sich das erste Mal begegneten, öffnete sich für ihn ein Kosmos. Seitdem hat Peter Diessenbacher sie nicht mehr aus den Augen gelassen. Sie weckte in ihm einen gemeinsamen Traum, den sie seitdem Schritt für Schritt Wirklichkeit werden lassen. Gemeint ist eine rund 40 Zentimeter große Holzscheibe. Das Besondere an ihr: Sie hat nur 12 Jahresringe. Eine Buche vergleichbarer Größe hätte bis zum Zehnfachen.

Diessenbacher, Student der Agrarwissenschaften, stand damals im Büro eines Professors in Bonn, als ein Gärtner des Botanischen Gartens diese Scheibe zeigte. Und in Diessenbacher wuchs der Traum. Nachwachsenden Rohstoffen galt sein Interesse, ihnen wollte er sich beruflich widmen. Doch hatte er bisher eher an Gräser und Bioenergie gedacht. Nicht an Bäume. Dieser Kiribaum aber, von dem die Scheibe stammte, war anders. Ursprünglich aus Japan kommend, gilt er als der schnellwüchsigste Baum auf dieser Erde. Seine Blätter erreichen Durchmesser bis zu einem Meter und können dadurch viel Sonnenenergie aufnehmen. Innerhalb eines Jahres kann er bis zu 4 Meter in die Höhe schießen. Noch dazu wächst er sehr gerade. Und: Einmal geerntet, treibt er neu aus – dank der bereits entwickelten Wurzeln schneller als zuvor. 

Steckbrief:
WeGrow AG, Tönisvorst

Gründer: Peter Diessenbacher und Allin Gasparian
Gründungsjahr: 2009
Teamgröße: 80
Geschäftsidee: Anbau und Vertrieb von Kiriholz – der am schnellsten wachsende Baum der Welt speichert CO₂ und dient als vielseitiges Baumaterial.
Zielgruppe: bei Pflanzen: B2B, bei KiriBloX (Bausystem): B2B/B2C

www.wegrow.de

Von der Vision zum Unternehmen

Diessenbacher faszinierte das Potenzial, das er in diesem Baum sah: Dank des schnellen Wachstums wäre Holz schnell und nachhaltig verfügbar, ohne dass dafür Wälder gerodet werden müssten. Das Kiriholz könnte zirkulär verwendet werden und das CO₂ wäre langfristig gebunden. Er entwickelte das zur Vision eines Unternehmens. 2009 landete er damit unter den Top 10 bei einem Businessplan-Wettbewerb. Im selben Jahr gründete er mit der Kommilitonin und Volkswirtin Allin Gasparian die Firma WeGrow. 

Diessenbachers Forschereifer und Unternehmergeist waren geweckt. Er besorgte sich Saatgut des Baums und begann zu züchten. Erst in der Studentenbude auf der Fensterbank, dann in Gewächshäusern von Kommilitonen im Bonner Raum. Weltweit sammelte er Genetik. Heute kultiviert WeGrow vier unterschiedliche, nicht invasive Hybridsorten, die auf verschiedene klimatische Bedingungen angepasst sind.

Vom Bananenkarton zur Börse

Nicht nur die Bäume, auch das Unternehmen wächst schnell. Die ersten Kiribaum-Kunden fanden sie über Ebay und schickten Ihnen die Jungpfanzen in Bananenkartons. 2025 hat WeGrow zum ersten Mal mehr als eine Million Bäume verkauft und ist seit 2024 börsennotiert.  Mittlerweile ist das Unternehmen in drei Geschäftsfelder aufgeteilt: 

Plants – Jungpflanzen für die Welt

Im Geschäftsbereich Plants werden die Jungpflanzen produziert. WeGrow beliefert Kunden in 47 Ländern auf fünf Kontinenten. Seit der Eröffnung der ersten CropFactory Germany in Tönisvorst bei Krefeld im Jahr 2021 steigert das Unternehmen seine Produktion jährlich um bis zu 70 Prozent.

Timber Farming – nachhaltiger Anbau

Der Geschäftsbereich Timber Farming kümmert sich um den eigentlichen Anbau der Bäume. WeGrow hat hierfür Standorte in Deutschland (u.a. Niederrhein und Mecklenburg-Vorpommern) sowie in Spanien. Die Anbauflächen in Deutschland werden ökologisch betrieben. Dort gibt es nur organischen Dünger, mechanische Unkrautbearbeitung und kein chemischer Pflanzenschutz. „Wir sind in Europa mit über 450 Hektar der größte Kiriholzproduzent“, sagt Diessenbacher. 

Ein Vorteil für den Aufbau des Geschäfts war die Novelle des Bundeswaldgesetzes im Jahr 2009. Seitdem gelten solche Baumplantagen nicht mehr als Aufforstung. Das machte es Landwirten leichter, ihre Flächen für die Kiribaum-Plantagen zu verpachten, ohne dass sie als Forstflächen eingestuft wurden. Denn das hätte den Wert der Grundstücke deutlich gesenkt.  

Derzeit arbeitet WeGrow an einem besonders spannenden Konzept: nachhaltige Holzproduktion ohne zusätzlichen Flächenverbrauch. Dabei werden rund 15 Prozent einer Ackerfläche mit Kiribäumen bepflanzt. Schon nach kurzer Zeit sorgen die schnell gewachsenen Bäume für einen ausgeglichenen Wasserhaushalt zwischen den Baumreihen, sodass der Ertrag der dazwischen liegenden Nahrungsmittel gleich bleibt. 

Timber Products – Holz für zukunftsfähiges Bauen

Der dritte Geschäftsbereich Timber Products beschäftigt sich mit der Nutzung des Holzes – z.B. im Bootsbau, für Saunen oder zum Ausbau von Wohnmobilen. Diessenbachers besonderes Interesse gilt aber dem Hausbau. Für WeGrow hat der Architekt und Holzbau-Experten Werner Grosse ein modulares Holzbausystem entwickelt: KiriBlox. Aus achteckigen Holzstämmen werden die Hölzer ohne Leim und Metall durch spezielle Holzdübel miteinander verbunden. 

Und auch hier zeigen sich die Stärken des Kiribaums: Es ist besonders leicht (nur halb so schwer wie Fichte), harzfrei, feuerresistent (es bildet eine schützende Kohleschicht) und hat eine hohe Dämmleistung – bis zu 50 Prozent besser als heimische Hölzer. Außerdem: Das Haus kann leicht in die einzelnen Steckteile rückgebaut und die Steckmodule anderweitig werden. 

In Bonn entsteht aktuell das erste Gebäude mit KiriBlox – eine Aufstockung auf ein Bestandsgebäude. „Gerade bei Aufstockungen zählt jedes Kilo. Da ist das geringe Gewicht von Kiriholz ein echter Vorteil“, sagt Diessenbacher. Und: Der Rohbau steht in einer Woche – ganz ohne Schwerlastkran.

Weiter Pluspunkt: Konventionelle Häuser stellen sowohl in der Bauphase durch die hohen Emissionen bei der Zementproduktion als auch beim Abriss durch die schwierige Entsorgung des Schutts eine hohe Belastung für Umwelt und Klima darstellen. Bei Kiribäumen fällt all das weg.

Der geradlinige Wuchs des Baums und die achteckige Form der Profile führen zu einem weiteren Vorteil: „Wir haben eine extrem hohe Holznutzungseffizenz“, sag Diessenbacher. „Bei anderen Holzbausystemen können nur 30 bis 50 Prozent des Stammes verwendet werden, bei uns liegt die Nutzung zwischen 65 und 75 Prozent.“ Doch darauf will er es nicht beruhen lassen. Er sucht derzeit einen Produzenten, der die Hobelspäne zu Dämmstoffplatten verpressen kann, idealerweise mit Naturleim. 

Ein Baum als Klimaschützer

Auch in Sachen CO₂-Bindung sind die Kiribäume herausragend: Sie binden mit ca. 40 Tonnen CO₂ pro Hektar und Jahr rund drei- bis viermal so viel CO₂ wie ein heimischer Mischwald. Derzeit arbeitet WeGrow daran, dass diese Klimaschutzleistung zertifiziert wird. Dann kann der Bauer mit Zertifikaten aus seinem Anbau eine weitere Einnahmequelle generieren. 

Übrigens: Die Holzscheibe aus Studienzeiten besitzt Diessenbacher immer noch. Sie liegt heute im Besprechungsraum – und soll Gäste für die Idee des Unternehmens begeistern.

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