Nachhaltigkeit

Pragmatisch statt perfekt: Wie KMU den nachhaltigen Wandel anstoßen


Pragmatisch: Nachhaltigkeit im Mittelstand

Nachhaltigkeit kann auf kleine Unternehmen wie ein Berg wirken. Doch wie beim Aufstieg zum Gipfel gilt die Devise: Schritt für Schritt geht’s zum Ziel. Dank kurzer Wege, eng verwobener Teams und Flexibilität können KMU schnelle Fortschritte erzielen. Zwei Betriebe zeigen, wie es gehen kann.

Auch wenn Krisen und Rückschritte momentan anderes vermuten lassen: Nachhaltigkeit bleibt ein zentrales Thema der Zukunft. Unternehmen spüren künftig nicht nur wachsenden Druck durch gesetzliche Regulierungen. Auch Kunden, Partner und Mitarbeitende legen immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit.

Kleine und mittlere Unternehmen sollten das Thema Nachhaltigkeit frühzeitig angehen – nicht nur, um das Vertrauen von Kunden, sondern auch einen Wettbewerbsvorteil zu gewinnen. „Viele Kund:innen kommen gezielt zu uns, weil sie wissen, dass sie hier nicht nur einen hochwertigen Haarschnitt bekommen, sondern gleichzeitig ein Unternehmen unterstützen, das Verantwortung übernimmt,“ erzählt Mareike Eckhardt, Betreiberin des Friseursalons Friseur Meyer – einfach schön in Hünxe am Rande des Ruhrgebiets. Ihr Familienunternehmen gewann vor kurzem beim Wettbewerb TOP Salon The Challenge den Award in der Kategorie „Eco Future“ und belegte 2023 den zweiten Platz beim Klimaretter Award Handwerk.

Der Friseursalon von Mareike Eckhardt und die Tischlerei Barkmann aus Lienen-Holzhausen im Münsterland zeigen, dass Nachhaltigkeit pragmatisches Denken erfordert und dank der hohen Flexibilität und kurzen Abstimmungswegen vieles in kurzer Zeit in Bewegung gesetzt werden kann.

Quick Wins – Erste Schritte mit direkter Wirkung

Doch wo anfangen mit so einem komplexen Thema wie Nachhaltigkeit? Bevor die Überforderung überhandnimmt und zum Nichtstun verdammt, bringen kleine, sofort umsetzbare Maßnahmen Dynamik und erste Erfolge. „Am Anfang haben wir mit einfachen Dingen begonnen: Mülltrennung eingeführt, Einweg-Artikel reduziert, konsequent auf LED-Licht umgestellt, Wasserhähne mit Durchflussbegrenzern versehen. Das waren kleine Schritte, die sofort Wirkung gezeigt haben,“ erinnert sich Eckhardt. Das spart nicht nur Geld, die kleinen Erfolgserlebnisse steigern die Motivation im Team, um größere Dinge in Angriff zu nehmen.

Auch in einem anderen Handwerk, bei der Tischlerei Barkmann aus Lienen-Holzhausen mitten im Münsterland, gibt es viele Quick Wins mit messbarem Erfolg: „Die Abfalltrennung haben wir schnell und ohne großen Aufwand gestartet. Nach und nach kamen weitere Sachen dazu, da habe ich von meinem Entsorger Container für Holz, Kunststoff und Glas bekommen,“ erzählt Geschäftsführer Günther Barkmann. „Wenn die angefallene Abfallmenge alles nur als Restmüll entsorgt wird, hätten wir bestimmt 5.000 bis 10.000 Euro an Mehrkosten.“

Auf Aktionismus folgt Strategie: Nachhaltigkeit mit Plan

Erste Einsparungen und Erfolge ebnen den Weg für größere Anschaffungen. „Mit den ersparten Beträgen aus den ersten Maßnahmen konnten wir später größere Investitionen wie energieeffizientere Geräte oder eine Fassadenbegrünung finanzieren“, so Mareike Eckhardt.  Auch für die Tischlerei: „Der erste große Schritt war der Umbau der alten Sägemühle zur modernen Produktionshalle. Ich wollte von Anfang an ein Gründach drauf, da es pflegeleicht ist und im Sommer kühlt. Auch wenn es etwas teurer war, hat sich die Investition gelohnt, allein weil die Mitarbeiter dort so gerne arbeiten.“

Irgendwann steht die Frage im Raum, wie Nachhaltigkeit dauerhaft im Unternehmen verankert werden kann. Dazu braucht es ein strategisches Vorgehen: Ziele festlegen, Investitionen planen, Fortschritte messen. All das kann in einer individuellen Nachhaltigkeitsstrategie münden. „Wir entwickelten ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept, was schließlich in der Gründung meiner Nachhaltigkeitsberatung und Stiftung mündete“, berichtet Eckhardt.

Herausforderungen – Kosten, Gewohnheiten, Kommunikation

Keine Frage: Nachhaltigkeit kostet. Aber solche Investitionen zahlen sich fast immer langfristig aus. „Kosten sind immer ein Thema, aber wenn man nicht alles auf einmal macht, sondern nach und nach, ist das zu schaffen,“ so Barkmann. Das weiß auch Eckhardt: „Nachhaltigkeit erfordert manchmal einen langen Atem, weil Investitionen nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit Wirkung zeigen. Doch nachhaltiges Arbeiten ist immer ein Innovationstreiber und führt zu wirtschaftlichem Erfolg.“

Wichtig ist die Kommunikation – intern und extern. Einerseits müssen Mitarbeitende von Anfang an mitgenommen werden, sonst bleibt es nur eine Idee von oben. Andererseits hilft die Transparenz nach außen auch bei Entscheidungsfindung und klärt auf: „Wir zeigen Kund:innen  klar auf, dass Nachhaltigkeit langfristig Qualität, Gesundheit und Zukunft sichert“, ist sich Eckhardt sicher.

Natürlich gibt es auch Hürden und die nachhaltige Transformation kennt ihre Grenzen, doch gerade der richtige Umgang damit zeigt die Bereitschaft, echten Wandel herbeizuführen. Wichtig ist Dranbleiben und sich nicht beirren lassen, etwa durch Gegenwind von außen: „Wenn man ein Ziel hat, wird man es auch erreichen, nur der Weg ist nicht immer gerade,“ so Barkmann.

Wirkung und Einsparungen

Dass Nachhaltigkeit sich auch rechnet, zeigen die Zahlen der beiden Betriebe deutlich: „Wir konnten unseren Restmüll fast halbieren und den Energieverbrauch durch neue Geräte und LED-Beleuchtung um rund 20 Prozent senken. Auch beim Wasserverbrauch haben wir durch kleine technische Umstellungen deutliche Einsparungen erzielt – wir sprechen insgesamt von mehreren Tausend Euro pro Jahr,“ so Eckhardt.

Auch Günther Barkmann konnte vor allem bei der Energie sparen. „Allein durch die Einführung der LED-Leuchten sind es rund 600 Euro weniger Stromkosten im Jahr.“ Eine eigene PV-Anlage hat direkt zwei Vorteile gebracht: „Wir haben 2024 rund 34.500 kWh an Strom verbraucht. Unsere PV-Anlage hat 32.500 kWh erzeugt, von denen wir 15.400 kWh ins Netz geben konnten.“ Doch Nachhaltigkeit wirkt nicht nur in Zahlen, sondern auch im Kopf.

Wahrnehmung – Nachhaltigkeit als Imagebooster

Neben der ökologischen, ökonomischen und sozialen Wirkung verändert Nachhaltigkeit auch das Image. Richtig umgesetzt und kommuniziert kann Nachhaltigkeit zum Wettbewerbsfaktor werden. „Viele Kund:innen kommen gezielt zu uns, Nachhaltigkeit ist ein klarer Wettbewerbsfaktor geworden“, freut sich Eckhardt.

Infobox: Nachhaltigkeit im Unternehmen verankern

  • Lieber zwei Themen richtig angehen als zehn halbherzig.
  • Ideen aus dem Team holen – Akzeptanz wächst durch Beteiligung.
  • Kleine „Green Teams“ halten das Thema lebendig.
  • Erfolge intern und extern sichtbar machen – auch kleine Schritte motivieren.
  • Nachhaltigkeit ist ein Muskel: Regelmäßig trainieren, aber nicht überlasten.

Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind immer ein guter Anlass für Kommunikation, solange sie nicht übertrieben wirkt oder Sachverhalte verfälscht dargestellt werden. „Wir machen da aber keine große Sache draus – für uns wäre das Werben mit Selbstverständlichkeiten,“ sagt Barkmann und demonstriert: Nachhaltigkeit als Haltung funktioniert auch still, auch wenn durch diese Bescheidenheit manches Potenzial ungenutzt bleibt.

Förderungen und Netzwerke

Kleine Unternehmen müssen den Wandel nicht allein stemmen. Es gibt eine Vielzahl an Programmen und Netzwerken, die KMU beim Einstieg in Nachhaltigkeit unterstützen.

Schritt für Schritt statt Stillstand

Nachhaltigkeit ist kein Luxus, sondern vielmehr eine Investition in und Vorsorge für die Zukunft. Erste kleine Maßnahmen können direkt bares Geld sparen, was wiederum weitere Maßnahmen mitfinanzieren kann.

Der Friseursalon Meyer und die Tischlerei Barkmann zeigen, dass nachhaltiger Wandel auch in kleinen Familienunternehmen möglich ist. Dafür braucht es pragmatische Entscheidungen, Geduld für Veränderung und Resilienz in schwierigen Phasen. Aber vor allem braucht es Eigeninitiative, die vom ganzen Team mitgetragen wird. „Mein wichtigster Rat: Fangt klein an! Viele denken bei Nachhaltigkeit sofort an große Investitionen, dabei machen schon kleine Veränderungen einen Unterschied und motivieren, weiterzugehen,“ so Eckhardt.

Dafür braucht es nicht direkt ein durchdachtes Konzept. Es beginnt mit Haltung und der Bereitschaft, Bestehendes zu hinterfragen. Offen zu sein für neue Wege, die sich auch irgendwann wirtschaftlich rentieren. Am Ende ist es wie beim Gipfelaufstieg: Der schwerste Schritt ist der erste – aber wer ihn geht, kommt schnell in den Flow.

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