Wesentlichkeitsanalyse: Definition

Die Wesentlichkeitsanalyse ist ein wichtiges Element des Nachhaltigkeitsberichts, der ab 2024 für viele Unternehmen verpflichtend wird. Um gemäß der Vorgaben der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zu agieren, empfiehlt es sich, jährlich eine Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen. Wie das geht, erfahren Sie hier.

ESG, Wesentlichkeitsanalyse, doppelte Materialität, ESRS und CSRD sind nur einige Fachbegriffe im Regularien-Dschungel der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Es ist wahrhaft schwer, hier noch den Überblick zu behalten, geschweige denn über die jeweiligen Neuerungen immer genau Bescheid zu wissen. Erfahren Sie hier, was es damit auf sich hat und was jetzt gilt.

Definition Wesentlichkeitsanalyse: Was ist das eigentlich?

Eine Wesentlichkeitsanalyse ist ein (anhaltender) Prozess zur Identifizierung und Bewertung verschiedener Nachhaltigkeitsthemen für ein Unternehmen. Sie dient als Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und wird angewendet, um festzustellen, welche ESG-Themen am meisten Auswirkungen haben oder von größter finanzieller Bedeutung sind. Das Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse oder auch Materialitätsanalyse ermöglicht es, Schwerpunkte zu setzen, Ressourcen effizienter einzusetzen und strategische Entscheidungen zu treffen. Es werden die ESG-Themen priorisiert, die den größten Nutzen oder die größte Wirkung für nachhaltiges Handeln haben. Doch nicht nur das Unternehmen und seine Stakeholder allein entscheiden über die Wesentlichkeit von Themen. Es gilt auch regulatorische Anforderungen einzuhalten.

ESRS, CSRD und wie alles zusammenhängt

Die ESRS (European Sustainability Reporting Standards) stellen einen Meilenstein in der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung dar. Im November 2022 wurden 12 Standardentwürfe durch die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) an die EU-Kommission zur Verabschiedung übergeben. Das Ziel der ESRS ist es, eine einheitliche und vergleichbare Berichterstattung zu gewährleisten und dadurch die Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen zu erhöhen. Sie sind verbindlich und legen die Inhalte der CSRD fest. Mit der CSRD, der Richtlinie der Europäischen Kommission zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, wurde die bisher geltende Non-Financial Reporting Directive (NFRD) aus dem Jahr 2014 ersetzt. Die CSRD regelt die Offenlegungspflichten und übertrifft die bisherigen Anforderungen an eine Nachhaltigkeitsberichterstattung in Komplexität und Umfang deutlich. Sie ersetzt die Freiwilligkeit innerhalb der Reporting-Standards in vielen Teilen durch verbindliche Regeln für die Berichterstattung.

Das sind die Neuerungen

Nach der CSRD werden zunächst große Unternehmen zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung gesetzlich verpflichtet. Sie müssen in ihren Lagebericht nicht nur finanzielle, sondern auch nicht-finanzielle Informationen über Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) aufnehmen. Entscheidende Änderung der neuen Berichtsanforderungen: Die Durchführung einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse ist nun Pflicht! Ein ESG-Thema ist wesentlich und berichtspflichtig, wenn mindestens eine der beiden Perspektiven erfüllt ist:

  • Inside-Out-Perspektive (= Impact Materialität): Das Unternehmen hat in dem ESG-Thema erhebliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Hier werden Aspekte identifiziert, die für die betroffenen Interessengruppen relevant sind und einen Einfluss auf das Ansehen, die Reputation und die langfristige Nachhaltigkeit des Unternehmens haben können.
  • Outside-in-Perspektive (= finanzielle Materialität): Hierbei werden die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf die finanzielle Leistung und den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens bewertet. Das bedeutet, dass Aspekte identifiziert werden, die finanziell signifikant sind und das Unternehmen in Bezug auf Erträge, Kosten, Vermögenswerte oder Haftungsverpflichtungen beeinflussen können.

Umsetzung der doppelten Materialität

Welche ESG-Themen der ESRS zu berichten sind, ist nun abhängig von der individuellen Wesentlichkeit des Themas für das jeweilige Unternehmen. Kurz gesagt: Unternehmen entscheiden zukünftig selbst, was sie berichten. Allerdings müssen die Themen genau aus der vorher angefertigten Wesentlichkeitsanalyse hervorgehen. Zur Wesentlichkeitsbestimmung sind Art und Umfang der Auswirkungen, die Möglichkeit zu deren Behebbarkeit und die Eintrittswahrscheinlichkeiten zu analysieren – unter Berücksichtigung der finanziellen und nichtfinanziellen Materialität. Die daraus resultierenden Ergebnisse zeigen, in welchem Umfang und welcher Intensität sich das Unternehmen mit dem ESG-Thema auseinandersetzen muss. Kein Unternehmen ist demnach verpflichtet, über alle Bereiche der ESRS Bericht zu erstatten. Da jedoch zukünftig unabhängig voneinander beide Wesentlichkeitsperspektiven in der ESG-Berichterstattung offenzulegen sind, werden im Vergleich zu vorher mehr Themen als wesentlich eingestuft werden.

Die doppelte Materialität betont die Bedeutung einer umfassenden Betrachtung der Nachhaltigkeitsaspekte, indem sowohl finanzielle als auch nicht-finanzielle Faktoren einbezogen werden. Dieser Ansatz ermöglicht es Unternehmen, ihre Berichterstattung auf die Themen zu konzentrieren, die sowohl für das Unternehmensergebnis als auch für die Bedürfnisse der Stakeholder und Gesellschaft von Bedeutung sind. Es trägt zur Schaffung eines ausgewogenen und ganzheitlichen Bildes der Unternehmensleistung bei und unterstützt Unternehmen dabei, ihre langfristige Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln und zu kommunizieren. Kritiker sehen in der unternehmensspezifischen Bewertung der Wesentlichkeit allerdings eine Verwässerung der Nachhaltigkeitsberichterstattungen in Hinblick auf Transparenz und Vergleichbarkeit.

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