Praxis-Report: Wesentlichkeitsanalyse bei Getränke Hoffmann


In der Praxis: Wesentlichkeitsanalyse bei Getränke Hoffmann

Bald gehört sie zu den Routineaufgaben im Unternehmen: die Wesentlichkeitsanalyse. Doch viele wissen zunächst nicht, was sie tun sollen. Wir haben einen Blick in die Praxis geworfen und bei Maria Blume von Getränke Hoffmann nachgefragt.

Schon im Jahr 2020 gab es den Plan, ein strategisches Nachhaltigkeitsmanagement einführen. Doch wie das gehen soll, wusste Mario Benedikt, Geschäftsführer eines großen Getränkeeinzelhandels mit Sitz in Blankenfelde-Mahlow, damals im Detail noch nicht. Das änderte sich schnell, als Maria Blume Mitte 2021 die Rolle der Nachhaltigkeitsmanagerin bei Getränke Hoffmann übernahm. „Zu Beginn war man noch davon überzeugt, dass einzig eine Mehrwegquote von über 90 Prozent das Unternehmen schon nachhaltig macht. Natürlich ist die Kreislaufwirtschaft ein wichtiger Faktor, aber wie viele Facetten es noch gibt, darüber musste ich schrittweise aufklären“, berichtet sie der Redaktion.

Wo wollen wir handeln und wie fangen wir damit an? Die größte Herausforderung war für Maria Blume zunächst, genau diese Fragen transparent aufzuzeigen. Vielen Menschen komme der Begriff Nachhaltigkeit sehr abstrakt vor, meint die Nachhaltigkeitsmanagerin. Ihre Aufgabe bestand daher auch darin, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – zu erläutern und das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine „grüne“ Frage ist. Am Ende sollte jeder wissen, wo sich das Unternehmen verbessern will. Zeit für die Wesentlichkeitsanalyse.

Die Wesentlichkeitsanalyse in drei Schritten

Viel wird gesprochen über die Berichtspflichten, die ab 2024 auf Unternehmen verschiedener Größen zukommen. Die Wesentlichkeitsanalyse wird eine wichtige Rolle in diesen Nachhaltigkeitsberichten spielen. Doch vielen Unternehmen ist noch nicht klar, welche Schritte sie überhaupt konkret umsetzen müssen. Bei Getränke Hoffman ging es Ende 2021 los, als das Unternehmen seine erste Wesentlichkeitsanalyse durchführte: 

  1. In einer Online-Umfrage im November 2021 fragte das Team alle Mitarbeitenden sowie externe Stakeholder: „Auf welche Themen in den drei Nachhaltigkeitsdimensionen soll sich Getränke Hoffmann in Zukunft fokussieren?“ Die Ergebnisse sollten die Grundlage für alle zukünftigen Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit schaffen.
  2. Im Dezember 2021 fand ein Workshop mit dem neuen Nachhaltigkeitsboard statt: Dort sprachen Geschäftsführer sowie unter anderem Verantwortliche aus Einkauf, Marketing, Technik, Vertrieb, Category Management und Personal über die Ergebnisse und ermittelten in einer STEP-Analyse (siehe Deep Dive) die wesentlichen Aspekte für die Geschäftstätigkeit.
  3. Im letzten Schritt erstellte das Team von Maria Blume eine Matrix, in der die Ergebnisse der Umfrage und des Workshops „übereinandergelegt“ wurden. Der gesamte Prozess nahm etwa drei Monate in Anspruch.

Im Anschluss wurde Anfang 2022 ein Nachhaltigkeitsprogramm erstellt, das im April offiziell verabschiedet wurde. Darin stehen verschiedene Maßnahmen und Ziele, die Getränke Hoffmann nun sukzessive umsetzen will, um sich nachhaltig zu entwickeln. Und weil das Unternehmen auch über seinen nachhaltigen Weg berichten will, veröffentlichte es im August 2022 seine erste Nachhaltigkeitsbroschüre: Hier geht es um alle relevanten Nachhaltigkeitsthemen sowie über die Strukturen, die bereits entstanden sind.

Deep Dive: Die Wesentlichkeitsmatrix

Wesentlichkeitsanalyse Matrix Getränke Hoffmann

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Wie wirken soziale, technologische, ökonomische und politische Einflüsse zwischen Umwelt, Gesellschaft und der Geschäftstätigkeit von Getränke Hoffmann? Das ermittelte das Nachhaltigkeitsboard mithilfe einer STEP-Analyse. Das ist ein Modell der externen Umweltanalyse, also der Makroökonomie. Ausgewählt wurden sowohl Themen, bei denen das Unternehmen selbst Einfluss auf wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Auswirkungen hat, als auch Themen, die die eigene Geschäftstätigkeit beeinflussen. Das entspricht dem Grundsatz der doppelten Wesentlichkeit, den die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) künftig vorschreibt. Durch die Gruppierung der Beziehungen entstanden 18 klar definierte Themen. 

Im zweiten Schritt wurden die unterschiedlichen Themen aus zwei Sichtweisen eingestuft: Wie relevant ist etwas für Getränke Hoffmann? Wie relevant ist es für Stakeholder wie Mitarbeitende, Kund:innen, Geschäfts- und Handelspartner:innen, Gesellschafter:innen sowie Vertreter:innen aus Politik, Verbänden, Wissenschaft und NGOs? Zudem wurden die Auswirkungen der Themen auf Umwelt und Gesellschaft berücksichtigt. Das Nachhaltigkeitsprogramm führt für jedes wesentliche Thema laufende oder geplante Maßnahmen auf. Zusätzlich wurden strategische Ziele für jedes Thema definiert. 

Von Eigenmarken bis Marketing: Das soll sich bei Getränke Hoffmann verändern

Das Kerngeschäft des Handelsunternehmens ist, ein breites Sortiment an Getränken anzubieten. Und hier sieht Maria Blume eines der wichtigsten Handlungsfelder: Das Gespräch mit den Lieferant:innen. Als Teil der Oetker-Gruppe wirkte das Unternehmen an der Erarbeitung einer Richtlinie zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) mit; unter deren Anwendungsbereich fällt die Unternehmensgruppe ab dem 01.01.2023. „Die Getränkebranche ist in Deutschland sehr regional aufgestellt. Die Abfüllungen finden also meistens in Deutschland statt. Die Risiken sind daher geringer als bei multinationalen produzierenden Konzernen“, merkt Maria Blume an. Welche Zutaten verwenden Hersteller:innen zum Beispiel bei Säften? Solche Fragen wollen sie und das Unternehmen zusammen mit den Händler:innen angehen.

Im Bereich Nachhaltigkeit konkurrieren wir mit dem Lebensmitteleinzelhandel. Wenn ich beobachte, was Rewe, Edeka und einige Discounter auf die Beine stellen, wird deutlich, dass wir noch das ein oder andere zu tun haben. (Maria Blume)

Auch der größte Getränkefachhändler in Deutschland spürt einen großen Wettbewerbsdruck, betont die Nachhaltigkeitsmanagerin: „Im Bereich Nachhaltigkeit konkurrieren wir mit dem Lebensmitteleinzelhandel. Wenn ich beobachte, was Rewe, Edeka und einige Discounter auf die Beine stellen, wird deutlich, dass wir noch das ein oder andere zu tun haben.“ In Zukunft will Getränke Hoffmann stärker auf Eigenmarken setzen. Das Unternehmen verspricht sich davon, Produkte selbst verantworten und eigene Nachhaltigkeitskriterien praktisch umsetzen zu können. Es geht um die Flasche als Verpackung, um Einweg vs. Mehrweg, um Inhaltsstoffe wie Zucker und Alkohol sowie um verantwortungsvolle Werbung.

Maria Blume

Rund 600 Filialen produzieren enorme Energiekosten. In diesem Bereich will sich das Unternehmen daher den erneuerbaren Energien widmen. Schließlich liege dort, erörtert Maria Blume, der größte CO2-Fußabdruck des Unternehmens. Zusammen mit der Radeberger-Gruppe, zu der Getränke Hoffmann gehört, will das Unternehmen zukünftig konzerninterne Projekte umsetzen. Zum Beispiel in den Bereichen Logistik und Mobilität, wo es Pläne für die Getränkeauslieferung mit E-Trucks gibt.

Das Unternehmen verfolgt ebenfalls umfassende soziale Ziele: Einige Mitglieder des Nachhaltigkeitsboards und Mitarbeitende haben an Weiterbildungen zu „Sustainable Leadership“ und „Nachhaltigem Eventmanagement“ teilgenommen. Seit April 2022 können alle Angestellten ein Dienstfahrrad leasen. Den Mitarbeitenden in Groß-Kienitz bietet das Unternehmen seit Sommer 2023 eine Mitfahr-App für die Fahrt von und zum Bahnhof an. Weitere Ideen für neue Nachhaltigkeitsinitiativen können elf Beschäftigte Ende 2023 bei einem Sustainability Training an der Mannheim Business School entwickeln.

Der Getränkefachhandel auf dem Weg zur Nachhaltigkeit?

Nach der Wesentlichkeitsanalyse ist vor der Wesentlichkeitsanalyse: Dieses Motto wird in Zukunft viele Unternehmen begleiten. Die erste und letzte Wesentlichkeitsanalyse fand bei Getränke Hoffmann 2021 statt, der nächste Anlauf ist 2024 geplant. Diese kommende Wesentlichkeitsanalyse soll dann auch CSRD-konform sein. Eine Aufgabe werde, so Maria Blume, daher auch lauten, finanzielle Aspekte sowie das Risiko- und Chancenmanagement in den Nachhaltigkeitsbericht intensiver einzubeziehen. 

Ich nutze mein Nachhaltigkeitsnetzwerk für den unternehmensübergreifenden Austausch. Wir können dadurch voneinander lernen und sprechen mit anderen Unternehmen über gleiche Herausforderungen sowie Chancen. (Maria Blume)

„Wir brauchen einen Fahrplan. Der Druck vom Markt steigt und unsere Kundinnen und Kunden erwarten, dass wir uns hinreichend engagieren“, stellt die Nachhaltigkeitsmanagerin fest. Doch was diese Erwartungen alles umfassen, das könne sie aktuell noch nicht überall konkret beziffern. Auch deshalb befasst sich das Unternehmen verstärkt mit dem Nachhaltigkeitscontrolling, um besser darin zu werden, verlässliche Kennzahlen aufzustellen. „Ich nutze mein Nachhaltigkeitsnetzwerk für den unternehmensübergreifenden Austausch. Wir können dadurch voneinander lernen und sprechen mit anderen Unternehmen über gleiche Herausforderungen sowie Chancen“, sagt sie. Und unter Verantwortlichen im Bereich Nachhaltigkeit – darüber ist Maria Blume sehr froh – sei man schließlich ausgesprochen offen und kommunikativ.

Über das Unternehmen:

Getränke Hoffmann ist mit fast 600 Filialen und etwa 1.800 Mitarbeitenden in Verwaltung, Logistik und Filialen der größte Getränkefachhändler in Deutschland. Seit 1989 gehört die Getränke Hoffmann GmbH zu 100 Prozent der Radeberger Gruppe, die wiederum Teil der Dr. August Oetker KG in Bielefeld ist. Das Unternehmen hat laut eigener Angabe rund 300 Handelspartnerinnen und Handelspartner.

Im Sortiment gibt es grob 7.700 Artikel, darunter über 2.000 Bier-Artikel, über 3.000 alkoholfreie Artikel und über 2.700 Artikel im Wein-, Sekt- und Spirituosensortiment. Das Unternehmen setzt 3,5 Millionen Hektoliter Volumen an Getränken jährlich ab und nutzt zu 92 Prozent umweltfreundliches Mehrweg (alkoholfreie Getränke und Bier). Der Umsatz beträgt laut Angaben des Unternehmens rund 690 Millionen Euro im Jahr.


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