CSDDD nach dem Omnibus: „Zahnloser Tiger“ oder pragmatische Lösung?
Herr Uhlig, mit der Einigung zum Omnibus-I-Verfahren ändern sich die Schwellenwerte für die Anwendung der EU-Lieferkettenrichtlinie CSDDD. Wer ist nun noch betroffen?
Dr. Thomas Uhlig: Nach der vorläufigen Einigung vom 9. Dezember sind nur noch Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden und mehr als 1,5 Milliarden Euro Netto-Umsatzerlösen, die in der EU ansässig sind, direkt betroffen. Ebenso gilt es für Unternehmen außerhalb der EU, die in der EU mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz erzielen. Das ist eine deutliche Reduzierung im Vergleich zum bisherigen Stand. Bereits im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren wurde der Anwendungsbereich um etwa 70 Prozent reduziert, um eine Mehrheit für die CSDDD zu erzielen. Mit der aktuellen Einigung fallen nun weitere rund 70 Prozent der Unternehmen aus dem Anwendungsbereich heraus.
Kleinere Unternehmen: Entlastung, doch indirekte Verpflichtung
Was bedeutet das für Unternehmen, die durch die neuen Schwellenwerte herausfallen? Können sie sich zurücklehnen oder sind sie indirekt betroffen?
Uhlig: Viele Unternehmen, die aus dem direkten Anwendungsbereich herausfallen, werden primär entlastet, da sie keine gesetzlichen Verpflichtungen mehr haben. Allerdings bleibt die indirekte Betroffenheit bestehen. Unternehmen mit Kunden, die der Lieferkettenrichtlinie unterliegen, müssen mit Risikobewertungen rechnen. Diese Kunden werden weiterhin Vorgaben an ihre Lieferanten machen, auch wenn der Kompromiss hier eine Milderung vorsieht. Unternehmen mit weniger als 5.000 Mitarbeitenden müssen Informationen nur noch im Ausnahmefall und als letztes Mittel bereitstellen. Das könnte dazu führen, dass die teils sehr umfangreichen Fragebögen, die kleinere Lieferanten bisher ausfüllen mussten, reduziert werden oder entfallen.
NGOs und Verbraucherschützer bezeichnen die jetzt beschlossene Form der CSDDD als „zahnlosen Tiger“. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?
Uhlig: Es ist ein zweischneidiges Schwert. Beim deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) wurden viele Informationen abgefragt, doch oft blieb unklar, was mit diesen Daten tatsächlich geschieht. Das bloße Sammeln von Informationen zum Zweck der Pflichterfüllung, ohne einen tatsächlichen Nutzen oder Mehrwert, ist nicht zielführend. Der neue Ansatz der CSDDD, der eine gezieltere Informationsanforderung und Risikosteuerung ermöglicht, ist hingegen begrüßenswert. Er entlastet insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die strukturell oft nicht über die Ressourcen verfügen, umfangreiche Fragebögen zu bearbeiten.
Direkte vs. indirekte Geschäftspartner: Fokus auf Risikoorientierung
Die Due-Diligence-Anforderungen beschränken sich im Wesentlichen auf direkte Geschäftspartner, also das erste Glied in der Kette. Menschenrechtliche und ökologische Risiken liegen jedoch oft tiefer in der Lieferkette. Wie kann die Richtlinie gewährleisten, dass auch hier Risiken gemindert werden?
Uhlig: Ursprünglich wollte die Kommission den Fokus grundsätzlich auf direkte Geschäftspartner legen und nur ausnahmsweise auf indirekte Geschäftspartner. Der nun gefundene Kompromiss bezieht jedoch auch indirekte Geschäftspartner ein, insbesondere wenn dort konkrete Anhaltspunkte für Risiken vorliegen. Eine interessante Regelung im Kompromisstext besagt, dass Unternehmen sich zwar auf direkte Geschäftspartner beschränken können, wenn die Risikolage bei indirekten und direkten Geschäftspartnern gleichwertig ist. Sollte die Risikolage bei indirekten Geschäftspartnern jedoch höher sein, müssen jedoch auch hier Maßnahmen ergriffen werden. Der Ansatz ist stärker risikoorientiert und berücksichtigt generelle Risikofaktoren und konkrete Anhaltspunkte, etwa durch Beschwerdeverfahren.
Welche rechtlichen Mindestanforderungen gibt es für die betroffenen Unternehmen und wie können diese nachweisen, dass sie die Anforderungen einhalten?
Uhlig: Die Kernanforderungen haben sich nicht wesentlich geändert. Unternehmen müssen weiterhin Risiken analysieren – sowohl im eigenen Betrieb als auch bei Tochterunternehmen sowie direkten und indirekten Geschäftspartnern. Erkannte Risiken erfordern Präventionsmaßnahmen, um negative Auswirkungen zu vermeiden. Liegen bereits Verstöße oder negative Auswirkungen auf Menschenrechte oder Umwelt vor, sind Maßnahmen zur Abhilfe erforderlich. Eine wesentliche Änderung ist, dass die Verpflichtung zur Erstellung und Umsetzung von Klima-Transitionsplänen aus der CSDDD entfernt wurde. Auch die ursprünglich vorgesehene spezifische zivilrechtliche Haftung für Verstöße gegen die CSDDD-Pflichten wurde gestrichen. Unternehmen können jedoch weiterhin nach allgemeinen nationalen Vorschriften haftbar gemacht werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft zu Schäden beitragen und die Kausalität nachgewiesen werden kann.
CSDDD und LkSG: Koexistenz oder Ablösung?
In Deutschland gilt weiterhin das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, obwohl schon seit geraumer Zeit davon die Rede ist, es solle abgeschafft werden. Was bedeutet die Koexistenz von CSDDD und LkSG für Unternehmen?
Uhlig: Das LkSG bleibt vorerst bestehen, auch wenn es vereinfacht werden soll. So sieht ein aktueller Regierungsentwurf beispielsweise vor, die Berichtspflichten rückwirkend abzuschaffen und Ordnungswidrigkeiten nur noch bei bestimmten menschenrechtsbezogenen Pflichtverletzungen vorzusehen. Es wurde auch diskutiert, den Anwendungsbereich des LkSG an die CSDDD anzupassen, etwa durch eine Reduzierung der Schwellenwerte. Ob dies geschieht, bleibt abzuwarten. Wichtig ist: Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA, setzt das LkSG weiterhin um, auch wenn eine Formulierung im Koalitionsvertrag den Eindruck erweckt hat, man könne das Thema ad acta legen – das ist nicht der Fall. Unternehmen, die in den Anwendungsbereich fallen, müssen ihre Verpflichtungen erfüllen, auch wenn das nationale Umsetzungsgesetz zur CSDDD das LkSG irgendwann ablöst.
Vielen Dank für das Gespräch!
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