Ein Zeitfenster für Vernunft: Mittelstand für starke Standards und pragmatische Umsetzung
Was auf dem Spiel steht
Am 13. November entscheidet sich, ob die EVP die Schutzlinie der Demokratie einreißt. Die Taktik von Chefverhandler Jörgen Warborn war schon vor der gescheiterten Abstimmung am 22. Oktober ein offener Flirt mit der extremen Rechten. Also rechts blinken, um Maximalpositionen durchzudrücken und die Sozialdemokraten ohne inhaltliche Änderungen vor den Omnibus zu spannen? Dieser Versuch ist im ersten Anlauf gescheitert. Am 13. November könnte er aber ein trauriges Revival erleben. Genau deswegen muss der Mittelstand jetzt seine Stimme erheben – und sich für gemeinsame Standards und Transparenz stark machen.
Der Standort Europa ist herausgefordert. China hat seine Ausfuhr an seltenen beziehungsweise kritischen Erden zuletzt stark begrenzt. Die Blockade des Chipherstellers Nexperia hätte beinahe die Produktionslinien von Volkswagen lahmgelegt. Die Beispiele zeigen: Es lohnt sich für den Wirtschaftsstandort Europa massiv, bei den Lieferketten genau hinzuschauen.
Die Wirtschaft weiß das. In einer Umfrage des Thinktanks e3g unter europäischen CEOs bestätigten zuletzt 55 Prozent, dass sie durch eine ambitionierte Nachhaltigkeitsberichterstattung Wettbewerbsvorteile erwarten. Eine Stärkung des Standorts Europa prognostizierten 53 Prozent. Im systemischen Wettbewerb mit den USA und China rechnet eine Mehrheit von 59 Prozent mit besseren Chancen für die EU, wenn sie eine ambitionierte Nachhaltigkeitsberichterstattung durchsetzt.
Jetzt mit der extremen Rechten Mehrheiten für eine massive Deregulierung zu organisieren, kommt nicht in Frage.
Aber die Politik hört diesen Stimmen nicht zu. Trotz Umfragen, trotz namhafter Unternehmensstatements, trotz Kampagnen wie Starke Standards. Starke Wirtschaft – der verantwortungsbewusste Mittelstand findet in Berlin und Brüssel kaum Gehör.
Der verantwortungsbewusste Mittelstand findet kein Gehör
Nun fehlt die Verhandlungsposition des Parlaments als Letzte. Rat und Kommission haben ihre Positionen für den Trilog bereits verabschiedet. Beide fordern eine massive Abschwächung der Berichtspflichten. Die Vorteile für Standort, Resilienz und Arbeitsplatzsicherheit werden ausbleiben, wenn Rat und Kommission das Nachhaltigkeitsreporting entkernen.
CSRD und CSDDD – beides verabschiedete Richtlinien – sind kein Hexenwerk und vor allem sind sie kein überflüssiger Luxus.
Dass es nicht so weit kommen muss, zeigt ein aktueller Vorschlag aus dem deutschen Parlament. Darin soll der CSRD-Schwellenwert auf 500 Mitarbeitende angehoben werden. Damit würden im Vergleich zur ursprünglichen CSRD 60 Prozent weniger Unternehmen erfasst – gleichzeitig aber weiter 17.000 europäische Unternehmen berichten. Das Bild wäre kein Flickenteppich, wie bei den Kommissions- und Ratsvorschlägen. Es wäre ein echter Sprung nach vorne - für Wirtschaft und Demokratie. Denn der Vorschlag ist mehrheitsfähig. 50 Prozent der europäischen Führungsetagen sprechen sich für einen Schwellenwert ab oder unter 500 Mitarbeitenden aus. Auch im europäischen Parlament gibt es dafür Mehrheiten.
Gefragt ist ein klares Bekenntnis zu fairen Wettbewerbsbedingungen
CSRD und CSDDD – beides verabschiedete Richtlinien – sind kein Hexenwerk und vor allem sind sie kein überflüssiger Luxus. Die Mehrheiten für die ursprünglichen Schwellenwerte mögen sich durch die Neuwahlen des Parlaments und Neuerungen in Rat und Kommission geändert haben. Jetzt aber mit der extremen Rechten Mehrheiten für eine massive Deregulierung zu organisieren, kommt nicht in Frage. Die EVP muss sich stattdessen am 13. November der demokratischen Mitte zuwenden. Der Vorschlag zum CSRD-Schwellenwert zeigt den Weg zu stabilen Mehrheiten und Verhandlungsmandaten. Die Mehrheit aus der Wirtschaft trägt den Vorschlag mit. Das Parlament kann mit dieser Rückendeckung Vernunft beweisen – mit einem klaren Bekenntnis zu fairen Wettbewerbsbedingungen, Transparenz und demokratischer Verantwortung.
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