Lieferketten

Das LkSG ist abgeschwächt – was tun?


Lieferkette: Das LkSG ist abgeschwächt – was tun?

Am besten: nichts! Berichtspflichten fallen weg, Ordnungswidrigkeiten sind gestrichen. Alles andere bleibt. Außerdem kommt 2027 – höchstwahrscheinlich – das CSDDD. Deshalb sollten deutsche Unternehmen jetzt in puncto Lieferkettenpflichten nicht nachlassen. Es ist nämlich, sagt ein Experte, ein „Ping Pong-Spiel“.

Lieferkette: Berichtspflichten des LkSG ersatzlos gestrichen

Die Kontrollbehörde BAFA hat seit Kurzem weniger zu tun. Im am 3. September 2025 verabschiedeten Gesetzentwurf zur Änderung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) sind die Berichtspflichten ersatzlos und rückwirkend gestrichen; die Zahl der Ordnungswidrigkeiten ist von 13 auf vier geschrumpft. Die BAFA hat daraufhin die Prüfung von Unternehmensberichten sowie laufenden Ordnungswidrigkeitenverfahren zu gestrichenen Tatbeständen eingestellt und will keine neuen Verfahren eröffnen. „Für die Verhängung von Bußgeldern bei den verbliebenen Bußgeldtatbeständen gelten fortan hohe Voraussetzungen“, heißt es in der offiziellen Mitteilung.

War also alles für die Katz? Die Investitionen? Die Vorbereitungen? Das Zusammensuchen von Daten, die Analysen, das Optimieren von Prozessen, all die Stunden und Tage und Monate, in denen viele Menschen in deutschen Unternehmen darum gerungen haben, die Anforderungen des LkSG erstens zu verstehen und zweitens Strukturen, Organisation und Mitarbeitende fit zu machen?

Nein.

Nur temporäre Entlastung in Sachen Lieferkette

Dr. Matthias Spilker ist Partner der internationalen Anwaltskanzlei Bird & Bird und auf Lieferkettenstreitigkeiten spezialisiert. Er spricht von einer allenfalls temporären Entlastung für die Unternehmen. „Die Erleichterung ist eher symbolischer Natur. Das ist wie eine Runde Ping Pong: Die Berichtspflicht fällt mit der vorgeschlagenen Reform des LkSG für den Moment weg. Wenn aber die CSDDD im Sommer 2027 in Kraft tritt, gehen die Berichtspflichten weiter.“

Es hat für ursprünglich berichtspflichtige Unternehmen also wenig Mehrwert, jetzt Prozesse auszusetzen, die gegebenenfalls spätestens im kommenden Jahr wieder aufgenommen werden müssen. Es sei, so Matthias Spilker, aus anwaltlicher Sicht nicht angeraten, den eingeschlagenen Weg zu verlassen, denn man müsse ihn ja bald wieder beschreiten. 

LkSG: Was sagt der EuGH?

Mal abgesehen davon, dass die bürokratische Schonfrist nur von kurzer Dauer ist – eben bis zum 26. Juli 2027, wenn die CSDDD voraussichtlich hierzulande zur Geltung kommt – ist sie nicht einmal juristisch wasserfest: „Der Änderungsentwurf zur Erleichterung des LkSG ist beschlossen, hält aber nicht zwingend einer Überprüfung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) stand“, so Matthias Spilker.  Einzelne Regelungen – insbesondere solche, die Pflichten deutlich absenken oder rückwirkend verändern – könnten vor dem EuGH für nicht mit EU-Recht vereinbar erklärt werden. 

Spilker, Matthias Dr.

Allerdings ist das – mal journalistisch ganz lax formuliert –ziemlich egal, denn bis es zu einer Entscheidung des EuGH käme, wäre so viel Zeit verronnen, dass auch schon das CSDDD gilt. Und damit wären wir bei der nächsten Komplexitätsebene, denn: Niemand weiß, wie die CSDDD nach dem Omnibus-Verfahren aussehen wird. Diese Gemengelage führt zu einer erheblichen Unsicherheit. „Selbst die mit ausgewiesenen Expertinnen und Experten besetzten Rechtsabteilungen großer Unternehmen wissen derzeit nicht, was jetzt konkret zu tun ist“, sagt Jurist Spilker.  

Lieferkette: Was machen große Unternehmen?

Was also passiert jetzt in den Unternehmen? Wir haben stellvertretend bei drei großen Firmen, die in ganz unterschiedlichen Branchen unterwegs sind, nachgefragt:

Unternehmensgruppe fischer: weniger Bürokratie ermöglicht Fokus auf Pflichten

Die Unternehmensgruppe fischer mit Hauptsitz in Waldachtal vertreibt ihre Produkte in 120 Länder und unterhält 50 operative Gesellschaften weltweit. Wie blickt man hier auf den neuen Entwurf? Martin Heinzelmann, Stabstelle Governance, Risk & Compliance, antwortet: „Die Änderungen des LkSG bedeuten für uns insbesondere, dass die Berichtspflicht entfällt. Die Erfüllung der lieferkettenbezogenen Sorgfaltspflichten bleiben jedoch bestehen. Nur, dass diese schlussendlich nicht in einem Bericht veröffentlicht werden. Für uns bedeutet das weniger Bürokratie. Und das schafft Kapazitäten dafür, den Fokus auf die praktische Umsetzung des LkSG zu richten. Und genau das ist für uns nach wie vor sehr wichtig. Denn der Schutz von Menschenrechten und unserer Umwelt hat für uns oberste Priorität. Daran ändert auch der neu geschaffene Rahmen nichts.“

Heinzelmann, Martin

Online-Händler OTTO: Es ändert sich nichts

OTTO, Tochter der Otto Group, bietet rund 18 Millionen Artikel und 34.000 Marken. Welche Folgen die Abschwächung des Lieferkettengesetzes in Deutschland für das Lieferkettenmanagement von OTTO hat? Ein Unternehmenssprecher antwortet schnell und unmissverständlich: „Für OTTO ändert sich durch den aktuellen Gesetzesentwurf der Bundesregierung nichts.“ Als verantwortungsbewusstes Unternehmen setze man sich für klare Regeln ein, um der Verantwortung in globalen Wertschöpfungsketten gerecht zu werden, melden die Hamburger. „In einer Zeit, in der dies politisch in Frage gestellt wird, bekräftigen wir unsere Unterstützung für ein Level Playing Field und die Einhaltung von Sorgfaltspflichten auf europäischer Ebene.“ OTTO habe seinen LkSG-Bericht für das Geschäftsjahr 2024/25 fristgerecht zum 30. Juni 2025 eingereicht und sich damit bewusst für Transparenz und Gesetzeskonformität entschieden.

Lorenz: Alles unverändert, bis auf die Berichtspflicht

Lebensmittelhersteller Lorenz hat unter anderem Kartoffelchips, Erdnussflips und Salzstangen im Sortiment und zählt zu den führenden Anbietern im europäischen Snackmarkt. Die Zentrale ist in Neu-Isenburg, das Unternehmen unterhält Standorte unter anderem in Österreich, Polen, Indien und China. Marketingchefin Andrea Spielmann antwortet auf die Frage, was sich in puncto LkSG nun ändert: „Wir haben ein Managementsystem etabliert, welches den Schutz von Menschenrechten und Umwelt in unseren Geschäftsbereichen und der Lieferkette sicherstellen soll, um den gesetzlichen Vorgaben und darüber hinaus gehenden Zielen gerecht zu werden. Unser Managementsystem erfüllt weiterhin die Anforderungen des LkSGs. Alle Sorgfaltspflichten im Rahmen unseres Lieferkettenmanagements – von Risikoanalysen über das interne Management Review und das Beschwerdeverfahren als Frühwarnsystem bis hin zur Ergreifung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen – bleiben bei uns unverändert in Kraft, weil sie uns wichtig sind. Lediglich die externe Berichtspflicht wird infolge der Abschwächung ausgesetzt.”

Höchstwahrscheinlich: Eine Atempause für die Kleinen

Während große Unternehmen vermutlich mehrheitlich ihre Lieferkettenstrategie weiterverfolgen, bleibt den kleinen und mittleren Unternehmen nur abzuwarten. Sie sind als Lieferanten nur mittelbar von den Gesetzesvorhaben betroffen, zugleich aber abhängig von den Erwartungen ihrer Geschäftspartner. Die sehr vorsichtige Mutmaßung des Rechtsexperten Matthias Spilker geht dahin, dass sie von ihren bis dato berichtspflichtigen großen Vertragspartner nun erst einmal weniger streng an die Kandare genommen werden, „bis Klarheit darüber herrscht, was aus der Nachhaltigkeitsgesetzgebung wird“.

Jetzt gilt es also, das Omnibus-Verfahren in Brüssel im Auge zu behalten. Wird das CSDDD ebenfalls abgeschwächt, dürfte das weit größere Konsequenzen nach sich ziehen als das von kurzer Halbwertzeit geprägte Herumdoktern am LkSG.

Anmerkung der Redaktion: Das EU-Parlament hat die geplanten Änderungen bei der CSDDD am 22. Oktober abgelehnt. Der Kompromiss, den Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale in s EU-Parlament eingebracht hatten, fand keine Mehrheit. Im November soll es erneut zur Abstimmung kommen. Mehr Infos hier. 


Schlagworte zum Thema:  Lieferkette , CSDDD
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