Lieferkette

EU Forced Labour Ban: Was Sie über das Gesetz zu Zwangsarbeit wissen müssen


EU Forced Labor Ban: Was Sie wissen müssen

Ab 2027 verbietet die Europäische Union Produkte, die unter Zwangsarbeit hergestellt wurden. Was hinter der neuen Forced Labour Regulation (EU 2024/3015) steckt und wie Unternehmen sich vorbereiten, Risiken vermeiden und Chancen nutzen können, erfahren Sie hier.

Keine Zwangsarbeit in der Lieferkette

Zwangsarbeit ist kein Relikt der Vergangenheit, sondern immer noch bittere Realität für Millionen von Menschen weltweit. Laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus dem Jahr 2021 sind rund 27,6 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen. Ende 2024 verabschiedete die EU die Forced Labour Regulation (EU 2024/3015), um den Binnenmarkt fairer zu gestalten. Sie soll den Import, Verkauf und Export von Produkten oder einzelnen Produktkomponenten verhindern, die unter Zwangsarbeit hergestellt wurden. Für Unternehmen ist das mehr als nur eine rechtliche Neuerung – es ist ein klarer Auftrag, Verantwortung in globalen Lieferketten zu übernehmen.

Um was geht es bei der Regulierung?

Die EU Forced Labour Regulation (EU 2024/3015) untersagt Produkte, die ganz oder teilweise mit Zwangsarbeit hergestellt wurden. Dabei handelt es sich um ein produktbezogenes Verbot. Anders als bei Sorgfaltspflichten wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder dem deutschen Lieferkettengesetz (LkSG) geht es nicht nur um Prozesse und Berichterstattung. Es geht um das konkrete Produkt selbst – auch wenn ein Bauteil oder eine Komponente betroffen ist. Die Regelung betrifft alle Branchen, alle Länder und alle Unternehmensgrößen.

So soll das Zwangsarbeit-Verbot der EU umgesetzt werden

Zur Umsetzung sieht die EU ein zentrales Forced Labour Single Portal für Meldungen und eine Risikodatenbank für Hochrisikobereiche. Nationale Behörden prüfen Verdachtsfälle, die Europäische Kommission übernimmt Fälle außerhalb der EU.

„Anders als bei anderen Regulierungen liegen Ermittlungs- und Beweislast bei den Behörden. Unternehmen müssen aber in der Lage sein, alle Informationen zu ihren Lieferketten bereitzustellen“, sagt Solveig Witt, Senior Sustainability Consultant bei Scholz & Friends Reputation.

Ab wann gilt die Forced Labour Regulation?

Die Verordnung trat bereits am 13. Dezember 2024 in Kraft. Bis zur vollen Anwendbarkeit gibt es jedoch eine Übergangszeit: Mitgliedstaaten müssen bis Ende 2025 zuständige Behörden benennen und Strukturen aufbauen, die Durchsetzung vorbereiten und erste Leitlinien veröffentlichen. Diese Leitlinien werden voraussichtlich 2026 veröffentlicht. Die Verordnung gilt ab 14. Dezember 2027 vollständig – dann dürfen Produkte mit Zwangsarbeit nicht mehr in Verkehr gebracht oder exportiert werden.

Der Übergangszeitraum ist bewusst lang gewählt, doch für Unternehmen kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Lieferkettenanalysen und Vertragsumstellungen brauchen Zeit – wer spät anfängt, läuft Gefahr, 2027 nicht vorbereitet zu sein: „Zwangsarbeitsrisiken verbergen sich oft tief in der Lieferkette – wer erst 2027 reagiert, riskiert Produktverbote und Rücknahmen und damit potenziell hohe finanzielle Schäden“, so Witt.

Wer ist von der Forced Labour Regulation betroffen?

Die Verordnung gilt für alle economic operators, unabhängig von Branche oder Größe – also jeglichen natürlichen und juristischen Personen, die Produkte auf dem EU-Markt bereitstellen oder exportieren. Das umfasst Hersteller, Zulieferer, Händler, Importeure und Exporteure gleichermaßen. Im Fokus stehen Sektoren mit bekannten Zwangsarbeitsrisiken, darunter Textilien, Elektronik & Rohstoffe wie Kobalt & Lithium, Landwirtschaft (Kakao, Kaffee, Baumwolle, Palmöl), Fischerei sowie Bau- und Natursteine.

Doch auch Unternehmen außerhalb dieser Branchen sollten sich nicht in Sicherheit wiegen: Schon einzelne betroffene Komponenten können ein Risiko darstellen. „Im Gegensatz zu Regulierungen wie der EU-Entwaldungsverordnung oder der Konfliktmineralien-Verordnung ist die Forced-Labour-Verordnung nicht auf bestimmte Rohstoffe oder Produkte beschränkt“, erklärt Witt.

Was droht bei Verstößen gegen die EU Forced Labour Regulation?

Wird bei einem Produkt Zwangsarbeit festgestellt, muss es vom Markt genommen und vernichtet oder anderweitig entsorgt werden. Zudem gilt ein Import- und Exportverbot. Kommen Unternehmen den Anordnungen der Behörden nicht nach, drohen Bußgelder – die Höhe legen die Mitgliedstaaten individuell fest. Sie müssen laut EU aber „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein.

Witt, Solveig (1)

Neben finanziellen Risiken droht vor allem ein Imageschaden. Behörden können Produktrückrufe öffentlich machen – und Verbraucher:innen reagieren zunehmend sensibel auf Menschenrechtsverstöße. „Neben dem finanziellen Risiko ist die Gefahr eines Imageschadens nicht zu unterschätzen. Wird ein Fall von Zwangsarbeit durch Behörden publik, droht Unternehmen ein Reputationsverlust und Wettbewerbsnachteile“, erklärt Thomas Sommereisen, Geschäftsleiter Scholz & Friends Reputation.

Wie können sich Nachhaltigkeitsmanager:innen auf die Regulierung vorbereiten?

Nachhaltigkeitsmanager:innen sollten proaktiv handeln und frühzeitig Strukturen aufbauen, bevor Behörden anklopfen. „Durch eine proaktive Lieferkettenkartierung und eine gezielte Risikoanalyse von Länder- und Sektorrisiken sollten Unternehmen prüfen, welche Produkte potenziell betroffen sind und bestehende Systeme auf Lücken untersuchen. Wichtig ist, keine Parallelprozesse aufzubauen, sondern vorhandene Strukturen zu stärken“, so Witt.

Wichtige Schritte:

  • Risikoanalysen und Screening: Hochrisikoregionen, Produkte und Lieferanten identifizieren. Die ILO-Indikatoren für Zwangsarbeit sind ein guter Richtungsweiser.
  • Verträge und Audits: Lieferanten vertraglich verpflichten, Offenlegung und Kontrollen ermöglichen.
  • Umgang mit Verstößen: Verfahren schaffen, um Missstände zu beheben und sich bei Bedarf verantwortungsvoll von Partnern zu trennen.
  • Transparenz: Systematische Dokumentation, öffentliche Kommunikation und Integration in bestehende Nachhaltigkeitsberichte.
  • Vorbereitung: Nachweise und Ansprechpartner für Behördenanfragen frühzeitig festlegen.

EU Forced Labour Ban: Fünf Chancen für Unternehmen

Auch wenn das Gesetz auf den ersten Blick wie eine zusätzliche Bürde wirkt, können Unternehmen strategisch profitieren. „Die Auseinandersetzung mit der eigenen Wertschöpfungskette kann bei vielen Unternehmen zu einem Umdenken führen: Sie entwickeln Menschenrechtsstrategien, schulen ihre Einkaufsabteilungen und arbeiten enger mit ihren wichtigsten Zulieferern zusammen. Dadurch entsteht echtes Potenzial, wirkungsvolle Verbesserungen in der Lieferkette umzusetzen und sich mit eigenen Standards vom Wettbewerb abzuheben“, sagt Sommereisen.

Der konsequente Ausschluss von Zwangsarbeit schafft diverse Wettbewerbsvorteile:

  • Reputation & Differenzierung: Positionierung als verantwortungsbewusstes Unternehmen stärkt Marke und öffentliches Vertrauen
  • Resilienz & Effizienz: Wer seine Lieferketten kennt, reagiert schneller auf Krisen und Engpässe
  • Investorenvertrauen & ESG-Ratings: Strikte Compliance steigert Attraktivität am Kapitalmarkt
  • Innovation: Neue Anforderungen fördern alternative Materialien und nachhaltige Geschäftsmodelle
  • Marktzugang sichern: Frühzeitige Compliance verhindert Ausschlüsse und Strafen

EU Forced Labour Regulation: Pflicht und Chance zugleich

Die Forced Labour Regulation verschiebt den Fokus weg von reiner Berichterstattung hin zu einem klaren Produktverbot. Für Unternehmen bedeutet das: Es gibt keinen Ausweg. Aber mehrere Wege, das Thema proaktiv zu gestalten. Wer früh handelt, sichert Compliance, zeigt Haltung und stärkt die Marke. In einer Zeit, in der Verantwortung in Lieferketten immer größeres Gewicht einnimmt, kann genau das zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden.

Infokasten: EU Forced Labour Regulation (EU 2024/3015)

Kernpunkte der Verordnung:

  • Verbot von Produkten mit Zwangsarbeit: Betrifft alle Produkte und Komponenten, unabhängig von Branche oder Herkunft.
  • Gilt für alle Unternehmen auf dem EU-Markt, unabhängig von Größe oder Standort.

Umsetzung und Fristen:

  • Inkrafttreten: 13. Dezember 2024.
  • Übergangsfrist bis Ende 2025 zur Einrichtung nationaler Behörden und Strukturen.
  • Volle Anwendbarkeit ab 14. Dezember 2027, dann dürfen betroffene Produkte weder importiert noch exportiert werden.

Konsequenzen bei Verstößen:

  • Rückruf und Vernichtung betroffener Produkte sowie Import-/Exportverbot.
  • Bußgelder in „wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender“ Höhe je nach Mitgliedstaat.
  • Risiko eines erheblichen Reputationsverlusts durch öffentliche Bekanntmachung.

Empfehlungen für Unternehmen:

  1. Risikomanagement stärken: Hochrisikoregionen, -produkte & -lieferanten identifizieren; Lieferketten kartieren & analysieren.
  2. Verträge & Audits anpassen: Offenlegungspflichten vereinbaren & Kontrollen sicherstellen.
  3. Missstände beheben können: Prozesse schaffen für den Umgang mit Regelverstößen.
  4. Transparenz fördern: Dokumentation sichern & in Nachhaltigkeitsberichte integrieren.
  5. Behördenanfragen vorbereiten: Nachweise sammeln & Ansprechpartner benennen.

„Die Forced Labour Verordnung zwingt Unternehmen dazu, ihre Strukturen zu prüfen und sich glaubwürdig zu positionieren – nicht über bloße Regelbefolgung, sondern über echtes Handeln“, so Sommereisen. „Sie kann für viele Unternehmen der Auslöser sein, sich intensiver mit Menschenrechten und Verantwortung in der Lieferkette auseinanderzusetzen.“


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