ESG

Next Social Responsibility: CSR muss sich neu erfinden


Next Social Responsibility: CSR muss sich neu erfinden

Auf dem Global Peter Drucker Forum vergangene Woche in Wien stießen in einer Podiumsdiskussion unterschiedliche Perspektiven aus Forschung, Praxis und Meinungsjournalismus aufeinander: Thema war Corporate Social Responsibility (CSR). Klar ist: Die bisherigen Ansätze und ESG-Metriken haben wenig bewirkt – und sind letztlich gescheitert. Ein Aufruf für einen Neuanfang.

Der Bloomberg-Kolumnist und Autor Adrian Wooldridge ist bekannt für seine scharfe Zunge und Lust auf Provokation. Auch in Wien feuerte er mit sichtlicher Freude sofort los, als Moderator Bernhard Straub, CEO der Robert Bosch Stiftung, ihm das Wort erteilte: Corporate Social Responsibility der bisherigen Form müsse man keine Träne nachweinen, es könne nur besser werden. CSR-Initiativen dienten bisher sich selbst und nicht der Gemeinschaft. CEOs betrieben damit Tugendsignalisierung oder Entschuldigungen für ihre weniger tugendhafte Arbeit. Stiftungen schafften angenehme Arbeitsplätze, bedienten ihre Zielgruppe in ihrer Selbstgefälligkeit mit unnötigen Stipendien (sein absurdes Beispiel: für eine Trommelausbildung) und leisteten wenig für die Gesellschaft.

CSR: Ist das Kunst oder kann das weg?

Ansätze wie ESG (Environmental, Social, and Governance) bezeichnete Wooldridge als „ungeheure Zeitverschwendung“ und „formelhaften Abfall“. CSR habe die Debatte politisch nach links gedrängt. Die Folge: absurde Diskussionen wie die Frage nach dem Purpose von Frühstücksflocken oder Ben & Jerry’s Eis. Die Brauerei Bud Light habe durch die Beschäftigung einer Transgender-Influencerin bei White-Collar-Workern punkten wollen, was zum Einbruch des Aktienkurses führte (weil die politisch rechts stehende Kundschaft auf die Barrikaden ging). Er gipfelte mit der Aussage: „ESG interpretiert Gleichheit als Gleichheit der Ergebnisse und nicht als Chancengleichheit. Das ist subversiver Kryptokommunismus.“

Action Connection Gap überwinden

Für manche im Publikum bewegte sich Wooldridge damit an der Schmerzgrenze oder schoss darüber hinaus. Marie Ringler nahm den Ball gelassen auf. Die Europa-Präsidentin von Ashoka, einer Non-Profit-Organisation, die weltweit Sozialunternehmer sucht und fördert, räumte ein, dass es bisweilen eine Kluft zwischen Reden und Handeln gebe. Eine aktuelle Studie, die Ashoka mit GlobeScan unter mehr als 9.000 Angestellten durchgeführt hat, zeige, dass 82 Prozent glauben, sie könnten ihrem Unternehmen persönlich helfen, dessen sozialen und ökologischen Einfluss zu verbessern. Es bestehe allerdings ein Gap zwischen Bereitschaft und tatsächlichem Handeln.

Der Grund aus Sicht der Befragten: Es mangle ihnen an Entscheidungsgewalt. „Unternehmen müssen Mitarbeitenden helfen, effektive Change-Maker zu sein“, fordert Ringler. Das sei gut fürs Geschäft. Und mehr noch: Nur wer Gutes-Tun nicht wenigen überlasse, könne globale Herausforderungen wie Klimawandel, Armut oder die Schaffung von Frieden lösen.

Doppelte Anstrengung gefragt

Lisa Hehenberger, Professorin an der Business and Law School Esade, beobachtet einen veränderten Fokus von CSR. Bisher habe man nicht ganzheitlich genug gedacht. Soziale Verantwortung beruhe zum einen auf dem ESG-Gedanken: also der Frage, wie Unternehmen geführt werden, mit Mitarbeitenden umgehen und wie sie sich angesichts des Klimawandels verhalten. Die andere Seite der Medaille: der Impact. Ein Tabakunternehmen habe beispielweise schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, könne aber stark in ESG sein. Umgekehrt revolutioniere ein Elektroautohersteller möglicherweise die Automobilindustrie und habe positiven Einfluss auf die Umwelt, könne aber eine schlechte Beschäftigungspolitik betreiben. „Die aktuelle Herausforderung ist: Unternehmen müssen beides zu tun: sowohl verantwortungsvoll in der Geschäftsführung sein als auch einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft ausüben“, so Hehenberger. Allerdings seien die Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit viel schwerer zu messen, unter anderem weil man alle Stakeholder einbeziehen müsse. Quantitative Messungen seien zwar wichtig, um Fortschritte zu sehen, müssten aber in einem Lernmodus erfolgen, um zu verstehen, was funktioniert und was nicht.

Infokasten: Key Facts zu CSR
  1. Kritik an bisherigen CSR-Ansätzen
    CSR wurde oft für Tugendsignalisierung und Selbstgefälligkeit genutzt, ohne echten Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen. ESG-Ansätze werden als ineffizient und überreguliert kritisiert. (Adrian Wooldridge)

  2. Handlungs-Gap überwinden
    Viele Mitarbeitende möchten sozialen und ökologischen Einfluss nehmen, scheitern jedoch an mangelnder Entscheidungsgewalt. Unternehmen müssen Mitarbeitende aktiv zu Change-Makern machen. (Marie Ringler)

  3. Ganzheitlicher CSR-Fokus
    Unternehmen müssen sowohl verantwortungsvoll geführt werden (ESG) als auch einen positiven gesellschaftlichen Impact erzielen. Die Herausforderung liegt in der Messung der Auswirkungen. (Lisa Hehenberger)

  4. Innovative Ansätze und Skalierung
    Kooperationen zwischen Unternehmen und sozialen Innovatoren (z. B. Ashoka und Boehringer Ingelheim) zeigen, wie soziale Ideen skaliert und wirtschaftlich erfolgreich umgesetzt werden können. (Marie Ringler & Lisa Hehenberger)

Als Beispiel dafür, dass Unternehmen duale Ziele verfolgen und diese effizient integrieren können, nannte Hehenberger Ilunion. Die spanische Firma beschäftigt mehr als 40 Prozent Menschen mit Behinderung in verschiedenen Geschäftsfeldern – zum Beispiel in Hotels, Logistik und Industriewäschereien. „Die Verantwortlichen sind stolz, dass sie wirtschaftliche Performance mit einem sozialen Auftrag verbinden – auch wenn es nicht der sexiste Job ist“, rezitierte Hehenberger den Manager einer Wäscherei.

Soziale Ziele in Unternehmen bringen

Ihre Forschung zeige, so Lisa Hehenberger, dass Akteure in philanthropischen Organisationen wie etwas Stiftungen häufig den Eindruck haben, Unternehmen hielten sie für unprofessionell. Das sei eine Hürde. Dabei könne man vieles von deren Arbeitsweise lernen und diese in Unternehmen integrieren. Das Problem: die kurzfristige und projektbezogene Ausrichtung philanthropischer Finanzierung. Wenn man das überwinde, könnten philanthropischen Organisationen eine größere Rolle als Inkubator für soziale Innovationen spielen. Unternehmen wären in der Lage, kreative Strukturen zu nutzen, indem sie einen Investmentfonds gründen, der in Unternehmen investiert, die Lösungen anbieten – sowohl auf der sozialen Seite über Stiftungen als auch über Corporate Venturing. Soziale Ideen könnten skalieren und auch wirtschaftlich zünden.

Marie Ringler nannte Beispiele: In einer langjährigen Partnerschaft mit Ashoka hat Boehringer Ingelheim soziale Innovatoren ins Unternehmen geholt. Dies führte unter anderem dazu, dass der Pharmakonzern eine Gesundheitsinitiative in Afrika startete, an der 150 Mitarbeitende beteiligt sind. Der Zenmeister Bart Weetjens, ein Ashoka Fellow, gründete eine Organisation, die Ratten darauf trainiert, Landminen aufzuspüren. Seine Organisation habe so mit geringen Ressourcen ganz Mosambik von Landminen befreien können. Oder Patagonia: Das Outdoor-Unternehmen übernehme Verantwortung für seine Geschäftstätigkeit und sei damit wirtschaftlich erfolgreich.

Jobvernichtung als Chance

Wooldridge sah das gleichwohl anders. Unternehmen wie Patagonia lösten die großen sozialen Probleme nicht, die es anzupacken gelte: in Bildung, Gesundheitswesen und Regierungsführung. Was er dabei nicht sagte: Der Klimawandel ist einer der größten Gesundheitsrisiken. Dennoch hofft er auf eine Erneuerung von CSR: die den Kapitalismus nicht entschuldigt, sondern funktionsfähig macht. Die aktuelle Krise resultiere aus einer sehr schlechten Regierung und wachsendem Nationalismus, der die globalen Regeln zerstört. Es brauche eine stabile globale Ordnung. Künftig müsse man sich angesichts des „großen Armageddons“, den KI über den Arbeitsmarkt bringe, indem er die Hälfte der Bürojobs vernichte, nicht mehr bei Beschäftigten anbiedern. Menschen überhaupt Arbeit zu geben – das sei die Aufgabe der Zukunft und eine Chance für Regierungen, hochqualifizierte Arbeitskräfte einzustellen. Sein Appell: „Hört auf mit dem Geschwafel und macht ernst!“

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