Nachhaltigkeitsberichterstattung

VSME: Der neue Standard für freiwillige Nachhaltigkeitsberichte von KMU


VSME: neuer Standard für freiwillige Nachhaltigkeitsberichte

Der neue EU-Standard VSME soll kleinen und mittleren Unternehmen den Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung erleichtern. Wie der freiwillige Standard funktioniert, warum er an Bedeutung gewinnt – und weshalb KMU ihn schon jetzt nutzen sollten.

Warum gibt es VSME?

Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stehen unter Druck: Auch wenn sie durch die Omnibus-Verordnung aus der Berichtspflicht herausfallen, müssen sie zunehmend an Kunden, Lieferanten, Banken oder Förderstellen ESG-Daten liefern.

Die EU reagiert mit dem Voluntary Sustainability Reporting Standard for SMEs (VSME) auf diese Herausforderung. Der Standard soll die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung vereinheitlichen, praxisnah gestalten und als Grundlage für weitere Analysen und Nachhaltigkeitsreports dienen. Er richtet sich vor allem an Unternehmen, die erst ins Reporting einsteigen oder nicht die Kapazitäten oder Expertise haben, um den weitaus komplexeren ESRS-Vorgaben gerecht zu werden.

Wie entstand der VSME?

Mit der sogenannten Omnibus-Verordnung im April 2025 fielen die meisten KMU aus der CSRD-Berichtspflicht. Um kleinen und mittleren Unternehmen einen Leitfaden an die Hand zu geben, entwickelte die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) einen einheitlichen und freiwilligen Standard. Nachdem die EFRAG Ende 2024 ihren finalen Entwurf vorlegte, folgte am 30. Juli 2025 die offizielle Empfehlung der EU-Kommission an KMUs, den VSME zur freiwilligen Berichterstattung zu nutzen. So wurde der VSME fester Teil der europäischen Nachhaltigkeitsarchitektur. Weitere Hintergründe lesen Sie in diesem Beitrag.

Warum ist der VSME so interessant für kleine und mittlere Unternehmen?

„Der VSME bringt Orientierung und Vergleichbarkeit in der freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattung – und das europaweit! Dabei schafft der Standard den Spagat zwischen Handhabbarkeit (für primär kleine Unternehmen) und Sinnhaftigkeit, auch für größere Unternehmen,“ sagt Marius Hasenheit, Nachhaltigkeitsberater und Geschäftsführer der sustentio GmbH, die Unternehmen unterschiedlicher Größe bei der Berichterstattung begleitet. Wenn sich Banken, Investoren und Großunternehmen künftig ESG-Daten einholen, sollen sie diese auf die Inhalte des Standards abstimmen, um doppelte oder widersprüchliche Datenerhebungen zu vermeiden und Einheitlichkeit zu schaffen. Das erhöht nicht nur die Effizienz, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Berichte.

Wie ist der VSME aufgebaut?

Der neue EU-Standard zur freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattung ist in zwei wesentliche Module unterteilt:

Basic Module

Das Einstiegspaket enthält alle relevanten Angaben zur Nachhaltigkeitsstrategie, Governance, Umwelt & Soziales, Mitarbeitenden sowie zur Lieferkette. KMUs können darin beschreiben, wie sie Nachhaltigkeit angehen und welche Themenbereiche relevant sind, ohne zu sehr ins Detail zu gehen.

Comprehensive Module

Aufbauend auf dem Basismodul können Unternehmen mehr Transparenz (z.B, für Investoren oder Kunden) schaffen und zusätzliche Kennzahlen und Leistungsindikatoren erfassen – zum Beispiel zu Emissionen, Energieverbrauch oder Governance-Strukturen.

Außerdem stellt das sogenannte „if applicable“-Prinzip sicher, dass Unternehmen nur über tatsächlich relevante Themen berichten. Der modulare Aufbau macht den Standard flexibel: KMU können klein einsteigen und ihre Berichterstattung Schritt für Schritt erweitern. Um Datenerfassung, Austausch und Vergleich zu erleichtern, entwickelt die EFRAG bis 2026 ergänzende Tools wie digitale Templates und eine XBRL-Taxonomie – eine Art digitales Vokabular, um Nachhaltigkeitsinformationen künftig europaweit im selben Format erfassen und auswerten zu können.

Welche Vorteile bietet der VSME kleinen und mittleren Unternehmen?

Der VSME unterstützt Unternehmen bei der systematischen Erfassung und Kommunikation ihrer ESG-Daten – ganz ohne Greenwashing-Risiko. Damit bietet der VSME nicht nur Orientierung, sondern auch Legitimation: Wer nach Standard berichtet, erfüllt nachvollziehbare Kriterien – und stärkt das Vertrauen von Kunden und Kapitalgebern. „Kleine und mittlere Unternehmen können anhand des VSME Nachhaltigkeitsaspekte effizient und vollständig erfassen und berichten. Ein Bericht auf Basis eines Standards ist anerkannt, da er inhaltlich strukturiert und vollständig und zugleich vergleichbar ist. Die Zeit der Nachhaltigkeitsbroschüren und damit (zurecht) verbundenen Greenwashing-Vorwurfs ist vorbei“, erklärt Hasenheit. Für viele Unternehmen ist der VSME damit auch ein strategisches Signal: Nachhaltigkeit wird messbar.

Nachhaltigkeitsbericht mit VSME: Freiwillig – oder schon Pflicht durch Marktdruck?

Offiziell können KMU den VSME freiwillig nutzen, um über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu berichten. In der Praxis sieht das anders aus: In Branchen mit hohem Lieferketten-, Finanzierungs- oder Reputationsdruck – etwa der Automobil- und Zuliefererindustrie oder der Bau- und Immobilienwirtschaft – ist der Standard faktisch verpflichtend. Auch in Bereichen wie Chemie, Logistik oder Textil wird von Zulieferern zunehmend erwartet, dass sie ihre ESG-Daten strukturiert offenlegen.

So nutzen zum Beispiel Banken ESG-Daten häufig als Grundlage für Kreditvergaben. „Je nach Branche und Position in Wertschöpfungsnetzen ist der VSME freiwillig – oder eine de-facto-Pflicht. Perspektivisch wird die Berichterstattung und auch das Berichtete bei der Kreditvergabe mit Bonus oder Malus bewertet werden,“ so Hasenheit. Freiwillig bedeutet dann nicht automatisch folgenlos: Unternehmen sind gut beraten, den Standard frühzeitig zu prüfen und möglichst bald mit der Datenerfassung und Berichterstattung zu starten.

Wie Unternehmen den VSME in der Praxis umsetzen können

Jedes Unternehmen, das sich mit dem VSME befasst, sollte den Einstieg über das Basismodul wählen und dann schrittweise komplexer werden. „Wirklich nur sehr kleine Unternehmen sollten sich mit dem Basic Module des VSMEs zufriedengeben. Alle anderen Unternehmen sollten zusätzlich das Comprehensive Module nutzen“, empfiehlt Hasenheit. Mit dem Comprehensive Module können Unternehmen ihre Berichte individuell ergänzen, etwa mit branchenspezifischen Kennzahlen oder Leuchtturmprojekten. „Wenn sie richtig gemacht sind, fassen individualisierte und aussagekräftige Berichte mehr als nur ESG-Daten zusammen – sie geben Orientierung für Stakeholder und Mitarbeitende“, sagt Hasenheit.

Oft unterschätzt wird auch die interne Kommunikation: „Nach der Berichterstattung sollte eine Rollout-Phase stattfinden – nicht nur bei den externen Stakeholdern, sondern insbesondere auch innerhalb des Unternehmens.“ Denn Nachhaltigkeit wirkt erst, wenn die Mitarbeitenden die Ziele kennen und mittragen.

Wie grenzt sich der VSME vom großen Bruder ESRS ab?

Der VSME ist eine pragmatische Grundlage für Unternehmen, die Nachhaltigkeit strukturiert, aber ressourcenschonend angehen wollen. Er positioniert sich irgendwo zwischen Einstieg und Anschlusszug und wird oft als „kleine Schwester der ESRS“ bezeichnet. Dabei ist der freiwillige EU-Standard aber keineswegs Ersatz, sondern vielmehr eine Brücke zur verpflichtenden Berichterstattung: „Für KMU, die auch perspektivisch außerhalb der Berichtspflicht liegen, ist der VSME die Lösung für ihre ESG-Berichterstattung“, erklärt Hasenheit. „Unternehmen, die perspektivisch berichtspflichtig werden, achten auf die Aufwärtskompatibilität. Ihre Berichte sollten den Sprung zum ESRS-Bericht vereinfachen und nicht erschweren.“ Der VSME hilft, Reporting-Strukturen frühzeitig aufzubauen.

Ausblick: Wie es mit dem VSME weitergehen könnte

Der VSME wird von der EU-Kommission offiziell empfohlen und ist damit auf Dauer angelegt. Die EFRAG arbeitet bis 2026 an der digitalen Umsetzung: Neben Leitfäden und Praxisbeispielen sollen einheitliche Templates und eine XBRL-Taxonomie entstehen, um Berichte europaweit vergleichbar und maschinenlesbar zu machen.

In Deutschland begleiten mehrere Institutionen diesen Prozess aktiv. Das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) übernimmt die fachliche Übersetzung und bringt deutsche Perspektiven in die europäische Abstimmung ein. Regionale Industrie- und Handelskammern sowie die Deutsche Industrie und Handelskammer (DIHK) informieren Unternehmen über Anwendungsmöglichkeiten und bieten Webinare, Checklisten sowie Schulungen an. So sollen KMU frühzeitig an den Standard herangeführt und die Lücke zwischen Brüsseler Vorgaben und betrieblicher Praxis geschlossen werden.

Infokasten: Key Facts zum VSME

Was ist der VSME?

  • Voluntary Sustainability Reporting Standard for SMEs (VSME): Freiwilliger EU-Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).
  • Entwickelt von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), offiziell empfohlen seit 30. Juli 2025.

Ziele des VSME:

  • Einheitliche und praxisnahe freiwillige Berichterstattung.
  • Unterstützung von KMU ohne Ressourcen oder Expertise für komplexere ESRS-Vorgaben.
  • Schaffung von Vergleichbarkeit und Glaubwürdigkeit bei ESG-Daten.

Aufbau des Standards:

  1. Basic Module: Einstiegspaket mit grundlegenden Angaben zu Strategie, Governance, Umwelt, Soziales, Mitarbeitenden & Lieferkette.
  2. Comprehensive Module: Vertiefte Transparenz durch zusätzliche Kennzahlen z.B. zu Emissionen, Energieverbrauch oder Governance-Strukturen.

Besonderheiten:

  • „If applicable“-Prinzip: Nur relevante Themen müssen berichtet werden.
  • Modulare Struktur ermöglicht schrittweisen Einstieg ins Reporting.
  • Ergänzende digitale Tools wie Templates und XBRL-Taxonomie bis 2026 geplant.

Vorteile für KMU:

  • Systematische Erfassung & Kommunikation von ESG-Daten ohne Greenwashing-Risiko.
  • Stärkung der Glaubwürdigkeit gegenüber Kunden, Banken und Investoren.
  • Orientierungshilfe & strategische Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Bereich Nachhaltigkeit.

Pflicht oder freiwillig?
Offiziell freiwillig; in Branchen mit hohem Druck (z.B. Automobilindustrie) de facto oft notwendig für Kreditvergaben oder Geschäftsbeziehungen.

Zukunftsperspektiven:
Der VSME wird weiterentwickelt und soll durch digitale Hilfsmittel noch nutzerfreundlicher werden (Umsetzung bis 2026). Nationale Organisationen wie das DRSC unterstützen deutsche KMUs bei der Einführung des Standards.

Selbst wenn die Omnibus-Verordnung viele Unternehmen wieder aus der Berichtspflicht nimmt, sind eigene Ambitionen oder anspruchsvolle Stakeholder der Antrieb für mehr, als der freiwillige Berichtsstandard vorschreibt. Ein ‚Zwischenstandard‘, welcher zwischen ESRS und VSME angesiedelt ist, wurde zwischenzeitlich in Brüssel diskutiert, jedoch zuletzt ausgeschlossen. „Die Folge ist bereits jetzt absehbar: Größere oder ambitionierte Organisationen bauen sich ihren eigenen VSME+-Bericht“, berichtet Hasenheit aus der Praxis. „Gut gemacht kann ein individualisierter und aussagekräftiger Bericht Orientierung geben und motivieren – und wird einfach gerne gelesen.“ Der VSME schafft also Struktur, aber auch Spielraum für die eigene Note. Er kann zum Werkzeug werden, mit dem KMU Nachhaltigkeit nicht nur kommunizieren, sondern strategisch steuern.

Vom Reporting zur Wirkung

Der VSME gibt KMU ein vielseitiges Werkzeug an die Hand, um Nachhaltigkeit messbar und kommunizierbar zu machen – und damit handlungsfähig zu bleiben. Der freiwillige Berichtsstandard ist kein Ersatz für gesetzliche Pflichten, sondern eine Antwort auf wachsende Markterwartungen. Ob er langfristig zur neuen Normalität wird, hängt weniger von Brüssel ab als von der Praxis: von Banken, Kunden – und den Unternehmen selbst. Er bietet einen guten Einstieg für kleine Unternehmen, die gerade erst am Anfang ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung stehen. Für erfahrene Unternehmen ist es eine stabile Basis, um ihr Reporting strategisch weiterzuentwickeln.

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