Zur Vorbehaltsprüfung von Nachhaltigkeitsberichten
Die CSRD sieht in Artikel 34 Abs. 1 Bilanzrichtlinie eine inhaltliche Pflichtprüfung des Nachhaltigkeitsberichts vor. Neben dem bestellten Abschlussprüfer, der die Prüfung des Jahresabschlusses und Lageberichts durchführt, kann nach Abs. 3-4 ein zusätzlicher Wirtschaftsprüfer exklusiv für die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts beauftragt werden. Überdies wurde ein Mitgliedstaatenwahlrecht implementiert, einen unabhängigen externen Anbieter außerhalb des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer mit der Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts zu engagieren.
Die Bundesregierung hatte am 3.9.2025 den Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2464 hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) in der durch die Richtlinie (EU) 2025/794 geänderten Fassung (RegE CSRD-UmsG) veröffentlicht. Analog zu den Plänen der ehemaligen Ampelkoalition sieht der Gesetzentwurf in § 324e Abs. 2 HGB-E ein Wahlrecht zur Identität von Abschluss- und Nachhaltigkeitsprüfer vor. Andere Prüfungsanbieter außerhalb des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer sollen hingegen nicht zugelassen werden. Nach Art. 96 Abs. 2 EGHGB-E soll bei Unternehmen der ersten Welle, die ihren ersten CSRD-Bericht für das Geschäftsjahr 2025 erstellen müssen, der bestellte Abschlussprüfer auch gleichzeitig als Nachhaltigkeitsprüfer für diese Berichtsperiode gelten, sofern die Haupt- oder Gesellschafterversammlung bis zum Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes einberufen und kein gesonderter Nachhaltigkeitsprüfer bestellt wird.
CSRD: Bundesrat will erweiterten Prüferkreis
In der Sitzung des Bundesrats vom 17.10.2025 sprechen sich jedoch der federführende Rechtsausschuss, der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik, der Finanzausschuss sowie der Wirtschaftsausschuss unter anderem dafür aus, „den Prüferkreis für den Nachhaltigkeitsbericht im Gesetzgebungsverfahren um unabhängige Erbringer von Bestätigungsleistungen zu erweitern“. Begründet wird dieser Vorschlag mit einer größeren „Auswahlfreiheit für die zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichteten Unternehmen“, einer Stärkung des „Wettbewerbs auf dem Markt für Prüfungsleistungen“ sowie einem Entgegenwirken von „zu erwartenden Engpässen“.
Idealerweise sollte eine gemeinsame Prüfung von Finanz- und Nachhaltigkeitsbericht durch dieselbe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erfolgen.
Die von den Ausschüssen geforderte Aufweichung der geplanten Vorbehaltsprüfung von Nachhaltigkeitsberichten durch den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer ist zu kritisieren. Idealerweise sollte eine gemeinsame Prüfung von Finanz- und Nachhaltigkeitsbericht durch dieselbe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erfolgen. Eine Vorbehaltsprüfung durch den Berufstand der Wirtschaftsprüfer als Prüfung des Jahresabschlusses und des kompletten Lageberichts (inklusive Nachhaltigkeitsbericht) stellt eine angemessene Vergleichbarkeit der Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts sicher.
Durch die kombinierte Prüfung des Finanz- und Nachhaltigkeitsberichts durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft können zentrale Synergieeffekte und Kosteneffekte genutzt werden, die auch eine integrierte Berichterstattung und -prüfung vorantreiben. Neben den globalen Standards des ISSB, die analog zu den IFRS einem investororientierten Wesentlichkeitsverständnis folgen, muss der CSRD-Nachhaltigkeitsbericht nach den ESRS zum Beispiel auch die finanziellen Auswirkungen von Umweltrisiken im Nachhaltigkeitsbericht quantifizieren. Überdies müssen nach der EU-Taxonomie-Verordnung drei umweltrelevanten Leistungsindikatoren (Umsatzerlöse, Investitions- und Betriebsausgaben) im Nachhaltigkeitsbericht offengelegt werden, die Teilmengen der Gewinn- und Verlustrechnung sowie Kapitalflussrechnung bilden. Insofern müsste ein Nachhaltigkeitsprüfer, der nicht gleichzeitig auch Abschlussprüfer ist, auf die Ergebnisse des Abschlussprüfers zurückgreifen und umgekehrt.
Es ist nicht davon auszugehen, dass derzeit Anbieter von Nachhaltigkeitsprüfungsleistungen außerhalb des Berufsstands ein tiefgreifendes Verständnis von der Finanzberichterstattung und -prüfung aufweisen.
Da ein Austausch der Arbeitspapiere zwischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder anderen Anbietern von Nachhaltigkeitsprüfungen nicht erfolgt, ergeben sich die Ineffizienzen von Doppelprüfungen. Es ist nicht davon auszugehen, dass derzeit Anbieter von Nachhaltigkeitsprüfungsleistungen außerhalb des Berufsstands ein tiefgreifendes Verständnis von der Finanzberichterstattung und -prüfung aufweisen. Sowohl die Finanz- als auch die Nachhaltigkeitsprüfung muss etwaige Widersprüche zwischen den Inhalten der Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung beurteilen. Zudem dürfte die Zulassung weiterer Anbieter außerhalb des Berufsstands unnötige Ressourcen mit sich bringen, um eine Qualitätssicherung analog zu den Wirtschaftsprüfern bei den anderen Anbietern zu gewährleisten. Dies dürfte mit dem erklärten Ziel des Bürokratieabbaus nicht im Einklang stehen.
Erweiterung des CSRD-Prüferkreises bringt mehr Bürokratie
Aus langfristiger Perspektive ist die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten mit hinreichender Sicherheit analog zur Finanzberichterstattung unerlässlich, um eine homogene Prüfungsqualität herzustellen. Insofern ist die geplante Aufgabe des Ziels der EU-Kommission nach dem Omnibus-Verfahren, von der begrenzten zur hinreichenden Prüfungssicherheit ab 2028 zwingend überzugehen, ebenfalls kritikwürdig. Eine Gleichwertigkeit von Finanz- und Nachhaltigkeitsbericht aus Sicht der Stakeholder würde damit nicht hergestellt werden, da die Motivation der Unternehmen wohl gering ausfallen dürfte, ihre Nachhaltigkeitsberichte freiwillig mit hinreichender Sicherheit prüfen zu lassen.
Das Risiko von Greenwashing im Nachhaltigkeitsbericht als zentrales Problem auch nach der CSRD wird durch eine separate Finanz- und Nachhaltigkeitsprüfung durch unterschiedliche Prüfungsinstanzen sicherlich zunehmen.
Auch könnten Nachhaltigkeitsprüfer eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit ablehnen, sofern das ESG-bezogene interne Kontroll- und Risikomanagementsystem noch unausgereift ist. Bedingt durch die Erwartungen der Stakeholder an entscheidungsnützliche Nachhaltigkeitsinformationen werden Nachhaltigkeitsberichte nach der CSRD auch stärker durch NGOs und andere Nicht-Kapitalgeber analysiert. Das Risiko von Greenwashing im Nachhaltigkeitsbericht als zentrales Problem auch nach der CSRD wird durch eine separate Finanz- und Nachhaltigkeitsprüfung durch unterschiedliche Prüfungsinstanzen sicherlich zunehmen.
Omnibus wird Anbieterkonzentration auf Prüfermarkt verstärken
Aus ökonomischer Perspektive stellt die kombinierte Prüfung des Finanz- und Nachhaltigkeitsberichts durch die Nutzung von Synergieeffekten die vorzugswürdige Strategie dar. Die kombinierte Prüfung von Finanz- und Nachhaltigkeitsbericht durch eine Big Four-Prüfungsgesellschaft oder eine „Next-Ten“-Gesellschaft stellt aus empirischer Sicht bei börsennotierten deutschen Konzernen bereits jetzt eine „Best Practice“ dar. Durch die geplante Anwendung der Schwellenwerte zur CSRD-Berichterstattung nach dem Omnibus wird ein Großteil der mittelständischen Unternehmen von der Nachhaltigkeitsberichterstattung befreit. Damit sinkt auch die Motivation von mittelständischen Prüfungsgesellschaften zum Aufbau entsprechender Ressourcen, sodass sich die Anbieterkonzentration auf dem Markt für Prüfungsleistungen weiter vergrößern wird.
Diese Konzentrationsverschärfung wird jedoch primär durch den Omnibus zu erklären sein, der einen Großteil des Mittelstands von der CSRD-Pflicht ausschließen wird. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Mittelstand künftig zumindest die VSME-ESRS als „Baseline“ mit Blick auf die Value chain cap und die Kreditvergabe durch die Banken de facto anwenden muss und damit nicht vollends von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung befreit wird.
Strategische Kooperationen mit Umweltgutachtern wünschenswert
Unabhängig von diesem Plädoyer zur Vorbehaltsprüfung durch den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer sollten strategische Kooperationen mit Umweltgutachtern auf- und ausgebaut werden. Die großzügige „Grandfather“-Regelung, die mit einer sehr niedrigen einmaligen Fortbildungspflicht von 40 Stunden bei Nachhaltigkeitsprüfern in Verbindung stehen soll, die fehlende Verzahnung zwischen Nachhaltigkeitsthemen und den klassischen betriebswirtschaftlichen Themen im WP-Examen und die Dominanz disziplinärer wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge ohne Nachhaltigkeitsfokus (z.B. der §8a WPO-Studiengänge) führen zu einer eingeschränkten Nachhaltigkeitskompetenz. Insofern sollte die nationale CSRD-Umsetzung die Motivation erhöhen, dass Wirtschaftsprüfer im Rahmen einer Vorbehaltsprüfung regelmäßig auf die Expertise externer Umweltgutachter zurückgreifen.
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