Jede Menge teurer Müll
Der Online-Handel ist in den vergangenen Jahrzehnten enorm gewachsen und mit ihm der Verpackungsmüll. Der Löwenanteil der Versandverpackungen besteht aus Kartonagen. Und auch, wenn sich die Händler schon aus Kostengründen größte Mühe geben, Waren möglichst effizient und ressourcenschonend zu verpacken, ergibt sich doch ein riesiger Abfallberg, zumal die Verpackungen in der Regel nur einmal genutzt werden.
Die Lösung? Mehrweg!
Hey Circle bietet Online-Händlern mit Mehrwegversandverpackungen eine Alternative zum Einwegkarton. Die aus Rezyklat hergestellten und vollständig recyclebaren Versandboxen und -taschen senken bei geschlossenen Kreisläufen rund 53 Prozent der Verpackungskosten und bis zu 76 Prozent CO2-Emissionen, so das Produktversprechen.
Die Idee sei aus einem privaten Störgefühl entstanden, erzählt Doris Diebold; sie selbst bestellt viel online für sich und ihre Familie und sieht regelmäßig, wie viel Verpackungsmüll dabei anfällt. Die Betriebswirtin war vor der Gründung von Hey Circle 14 Jahre lang bei Lufthansa, erst in der Strategie, dann als Führungskraft im operativen Bodenbetrieb, wo es unter anderem um die Steuerung von Lieferanten und das Qualitätsmanagement geht.
Vor gut fünf Jahren begann sie gemeinsam mit ihrem Mitgründer Morris Kurz zum Thema Mehrwegverpackungen für Online-Händler zu recherchieren und stellte fest: die gibt es noch nicht. „Deswegen konnte uns auch niemand sagen, ob sie funktionieren. Es konnte auch niemand sagen, was das richtige Material ist. Es konnte niemand sagen, wie viel Umläufe die Boxen schaffen werden. Das mussten wir alles einfach ausprobieren und lernen. Wir sind mit der Produktion in China gestartet, weil wir in Europa keine kostenadäquate Struktur gefunden haben“, erzählt Doris Diebold. Über Empfehlungen seien sie auf Hersteller in Shenzhen gestoßen, die über Nachhaltigkeitszertifikate verfügen und zertifiziertes Rezyklat verwenden.
Das Henne-Ei-Problem
In den Anfangsjahren bot Hey Circle seine handgenähten Mehrwegversandverpackungen sowohl B2C- als auch B2B-Händlern zur Miete und zum Kauf an. Gerade Versender mit hohen Retourenraten, wie etwa Mode- oder Schuh-Versender, müssten ein Interesse an Mehrweglösungen haben, so die Idee. Das fanden 2023 sogar die Juroren in der TV-Start-up-Show „Die Höhle der Löwen“ gut und wollten investieren. Hey Circle schlug den Deal aus, weil er mit den bestehenden Investoren nicht vereinbar war; trotzdem verschaffte der Fernsehauftritt dem Start-up jede Menge Aufmerksamkeit und einige Interessenten.
Key Facts zu Hey Circle Gründungsteam: Doris Diebold und Morris Kurz Gründungsjahr: 2021 Teamgröße: 7 Investoren: Brangs + Heinrich, Capacura, CK Venture, diverse Business Angels Geschäftsidee: Das Abfall- und Emissionsaufkommen im E-Commerce durch Mehrwegverpackungen zu senken Monetarisierung: Verkauf wiederverwendbarer Verpackungen für den Versand Zielgruppe: B2B-Online-Shops Startkunden: Drykorn, Digital Kompakt, Prinoa, Frank Dental |
Allerdings ergab sich ein klassisches Henne-Ei-Problem: sind zu wenig Mehrwegverpackungen im Umlauf, erscheint den Händlern das Etablieren eines Kreislaufsystem zu aufwändig; ist kein Kreislaufsystem etabliert, haben die Mehrwegverpackungen wenig Sinn. Ob sich Mehrwegverpackungslösungen im Endkundengeschäft etablieren werden? Könnte sein, aber noch ist es nicht so weit. Also schärfte Gründerin und CEO Doris Diebold Anfang 2025 die Strategie von Hey Circle nach und fokussiert sich nun voll auf den Verkauf der Mehrwegtaschen und -Boxen an B2B-Händler.
B2C ist schwierig, deshalb Fokus auf B2B
Im B2B-Segment überzeugt Hey Circle sehr schnell überall dort, wo es bereits geschlossene Kreisläufe gibt. Etwa im Dentalbereich, bei Reparaturservices im Elektronikbereich, bei der Vermietung von Event-Material oder in der Textilreinigung. „Hier erreichen unsere Mehrwegverpackungen neben der Abfall- und CO₂-Ersparnis einen richtig guten Kostenvorteil für unsere Kunden. Dieses Segment ist zwar nur ein Bruchteil des Marktes, aber er ist insgesamt gigantisch groß und sehr relevant, sowohl in Deutschland als auch in Europa“, sagt Doris Diebold.
Schwieriges Umfeld, stetiges Wachstum
Als Hey Circle 2021 an den Start ging, boomte der E-Commerce, das Thema Nachhaltigkeit stand weit oben auf der Agenda der Online-Händler. Wider Erwarten haben sich beide Trends gedreht. Trotzdem ist Doris Diebold zufrieden: „Wir sind weniger schnell gewachsen, als wir geplant hatten. Aber: Wir sind in einem schwierigen Umfeld stetig gewachsen und zufrieden.“ Das Start-up hat mit dem Fokus auf B2B-Kunden seine Strategie geschärft, hat seine Produkte weiterentwickelt und will das Angebot nun unter anderem um günstigere Produkte erweitern. Einige neue Produkte, die nicht genäht werden müssen, sollen in Deutschland und Frankreich produziert werden.
Rund 25.000 Taschen und Boxen hat das Start-up in den vergangenen drei Jahren produziert, gut die Hälfte davon customized. Für 2025 rechnet die Gründerin mit einem Umsatz im mittleren sechsstelligen Bereich. Es ist also noch Luft nach oben. Deshalb baut das Start-up gerade seinen Vertrieb aus und forciert dafür auch Vertriebspartnerschaften. Investor Brangs + Heinrich, Anbieter nachhaltiger Verpackungslösungen, ist ebenso dabei wie DPD, GLS und die Österreichischen Post. Nun geht es darum, die Marke und ihre Lösungen bekannter zu machen und damit Mehrwegverpackungen zumindest schon mal im B2B-Versand zu etablieren.