Zukunftsmacher: Impact-Start-ups, die wirken

everwave: Die Plastikflut an der Quelle stoppen


everwave: Die Plastikflut an der Quelle stoppen

Plastikmüll bedroht Flüsse und Meere weltweit. Das Aachener Unternehmen everwave will das ändern. Es setzt auf Boote, Daten und lokale Partnerschaften. Unternehmen bietet es mit Plastic Credits eine Möglichkeit zur Kompensation.

Als begeistertem Wassersportler war Clemens Feigl Plastik im Wasser schon lange ein Ärgernis. Dann traf er Marcella Hansch. Auch sie war eine Wassersportlerin, die sich darüber ärgerte, beim Tauchen oft mehr Plastik als Fische zu sehen. Deshalb entwickelte sie als Abschlussarbeit ihres Architekturstudiums eine spektakuläre Lösung: einen 400 Meter breiten "Rechen", der im Meer Plastikmüll aufsammeln sollte. Allein die Entwicklung dieser Idee zur Marktreife hätte Millionen gekostet – und nur das Plastik gesammelt, das relativ oben im Meer schwamm, nicht all das, was längst zum Meeresboden gesunken war. Ihre weiteren Recherchen führten sie zu den Flüssen. Denn von dort gelangt das meiste Plastik in die Meere. Gemeinsam mit Clemens Feigl und dem Biologen Dr. Tilman Floehr gründete sie 2018 everwave. Das Ziel: Lösungen entwickeln, um den Müll aus den Flüssen zu fischen.

Steckbrief:
everwave GmbH, Aachen

Gründer:  Clemens Feigl (CEO), Dr. Tilman Floehr (CTO), Marcella Hansch (Co-Founder, ehem.)
Gründungsjahr: 2018
Teamgröße: 11 in Deutschland, 38 in internationalen Projekten
Geschäftsidee: everwave entfernt Müll aus Flüssen, bevor er die Ozeane erreicht. Unternehmen können durch Plastic Credits diese Arbeit finanzieren und sich so glaubwürdig für eine plastikfreie Zukunft engagieren.
Investoren: An einer Finanzierungsrunde Ende August haben sich die Viessmann

Generations Group, KSK-Wagniskapital GmbH, bestehende Anteilseigner wie

SistaAct GmbH sowie der European Social Innovation and Impact Fund beteiligt. Weiterhin Teil der Gesellschaft sind capacura aus Köln und die NRW.Bank.

Zielgruppe: B2B

www.everwave.de

Warum Plastik im Meer so gefährlich ist

Plastik gefährdet den Lebensraum Meer. Schätzungen zufolge gelangen jedes Jahr zwischen 8 und 12 Millionen Tonnen Plastik in die Meere, bisher hat sich das auf mehr als 150 Millionen Tonnen Plastikmüll angehäuft. Plastik bindet Schadstoffe, gefährdet Artenvielfalt und Ökosysteme und zerfällt durch Sonne und Wellen in Mikroplastik. Viele Fische und Meeresvögel versuchen, Plastik zu essen und sterben teilweise daran. Über die Nahrungskette gelangt das Mikroplastik auch in den menschlichen Körper.

Mit Booten und Daten gegen den Müll

"Am effizientesten können wir dieses Problem lösen, wenn wir die Flüsse sauber halten", sagt Clemens Feigl, der Co-Founder und mittlerweile CEO von everwave. Dafür hat das Unternehmen spezielle Müllsammelboote entwickelt. Sie können mit jeder Fahrt bis zu eine Tonne Müll aufnehmen.

Aktuell ist everwave in Albanien, Kambodscha und Thailand aktiv – Regionen, in denen besonders viel Müll aus den Flüssen in die Meere gelangt und eine Infrastruktur zum Müllsammeln und Recyceln fehlt. Neben den Booten setzt das Unternehmen auf mobile Sortiercontainer, die direkt am Flussufer installiert werden. Dort wird Müll vorsortiert, bevor er in den Zero-Waste-Centern von everwave weiterverarbeitet wird. Was sich recyceln lässt, wird in den Kreislauf zurückgeführt; der Rest wird in der Zementproduktion als Brennstoff genutzt.

everware Plastik Förderband

Doch das ist noch nicht alles: "Wir haben eine Bilderkennungssoftware entwickelt, mit der wir den Müll analysieren", erzählt Feigl. Sie liefert Daten, wie der Müll zusammengesetzt ist. "Das Ergebnis zeigen wir den Behörden vor Ort und sprechen gemeinsam über Möglichkeiten, die lokale Infrastruktur zu stärken, um so den Eintritt von Plastikmüll zu verhindern." everwave will somit eine langfristige Verbesserung anstoßen. Zugleich schafft das Unternehmen Arbeitsplätze vor Ort: Mitarbeitende werden geschult, erhalten faire Löhne und können damit etwa die Schulbildung ihrer Kinder finanzieren.

"Wir wollen eine verantwortungsvolle Gesellschaft für gesunde Ozeane", erklärt Feigl. Bewusstseinsbildung ist ihm besonders wichtig. Denn allein durch das Rausfischen des Plastiks lässt sich das Problem nicht dauerhaft lösen. Dafür ist die Menge des Plastiks viel zu groß. "Wir haben bisher zwei Millionen Kilogramm Plastikmüll gesammelt", sagt Feigl. Das ist viel – doch angesichts der Menge, die jährlich ins Meer gespült wird, wenig. Entmutigen lassen sie sich davon nicht.

Plastic Credits: So können Unternehmen Verantwortung übernehmen

Um die Arbeit zu finanzieren, können Unternehmen Plastic Credits erwerben – vergleichbar mit den Emissionszertifikaten im Klimaschutz. 1 Credit kostet 1 Euro und entspricht 1 kg gesammeltem Müll. Besonders interessant ist das Modell für Unternehmen, die mit Kunststoff arbeiten, etwa in der Verpackungsbranche. "In einigen Ländern wie den Philippinen müssen Unternehmen bereits ihren Plastikverbrauch kompensieren und auch in Großbritannien gibt es Bestrebungen, ähnliche Modelle einzuführen", sagt Feigl.

everwave arbeitet nach dem Ocean Bound Plastic Standard – einem international anerkannten Zertifizierungsrahmen, der eine wissenschaftlich fundierte und transparent überprüfbare Grundlage für die Plastic Credits schafft. Einige Sammelstandorte sind bereits zertifiziert, weitere befinden sich noch im Audit-Prozess. So stellt everwave sicher, dass jeder Credit auf nachprüfbaren und klar definierten Standards beruht. Das ist eine wichtige Maßnahme, um Greenwashing zu vermeiden..

everwave ist bewusst als For-Profit-Organisation aufgestellt, mit einer gemeinnützigen GmbH als Hauptanteilseignerin. "Uns war wichtig, dass wir nicht von Spenden abhängig sind, sondern Umweltengagement unternehmerisch tragfähig und damit dauerhaft möglich zu machen. Durch die gemeinnützige GmbH  als Mehrheitsanteilseignerin fließen die Gewinne zu Teilen wieder zurück in gemeinnützige Projekte", sagt Feigl. "Wir wollen ein gesundes, impactvolles Unternehmen aufbauen. Je mehr wir wachsen, desto besser ist es für die Umwelt."

Warum everwave lauter werden will

Das erste Kilogramm Plastik sammelte everwave im August 2020 in der Slowakei.  Mittlerweile sind mehr als 2 Millionen erreicht, der nächste Meilenstein: 10 Millionen Kilogramm. Im kommenden Jahr soll ein weiterer Projektstandort in Südostasien eröffnen.

Auch die Kommunikation bleibt für Feigl zentral: "Über das Ausmaß des Problems wird noch viel zu wenig gesprochen. Deshalb wollen wir laut sein für das Thema, damit es mehr Gehör findet."

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