Agilität in der nachhaltigen Transformation

Der Begriff der Agilität kam zuerst in der Softwareentwicklung auf, wurde dann aber auf verschiedene Management-Disziplinen übertragen. Zu den agilen Prinzipien gehören Transparenz, Kundenfokus und kontinuierliches Lernen. Ziele agiler Prozesse sind hohe Anpassbarkeit und schnelles Reagieren auf Veränderungen. Davon können Unternehmen auch in der Nachhaltigkeitstransformation profitieren, wie Anabel Ternès schreibt.

„Gibt es das noch? Ist das nicht mittlerweile ein alter Hut und es wird schon die nächste Sau durch’s Dorf gejagt? Was war das jetzt noch, Impact?“ Ein Unternehmer schaute mich leicht belustigt an. Ich hatte von der Bedeutung von Agilität für nachhaltige Transformationsprozesse gesprochen. Ja, wie denn sonst, fragte ich etwas irritiert zurück. Schon Einstein wusste, dass man die alten Fehler mit den alten Methoden wiederholt. Und wie soll nachhaltig gelebt werden können, wenn die Methoden, Prozesse, Organisation, Kanäle alle die Gleichen bleiben? Mein Unternehmer führt unbeirrt fort: „Also jetzt kommen die ganzen Gesetze, ist ja ok, verstehe ich ja, muss gemacht werden. Aber Nachhaltigkeit muss doch nicht so weit gehen, dass dadurch mein ganzes Unternehmen aus den Angeln gehoben wird. Ist jetzt schon alles ziemlich viel mit Energiewende, Lieferschwierigkeiten. Dann noch die CSRD, EU-Taxonomie, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Wer soll denn das alles hinbekommen?“

Ich höre das oft. Während ich die Überforderung verstehe, nachempfinden kann, dass Nachhaltigkeit oft mehr als Belastung denn als Erfolgsmacher verstanden wird, ist es genau das, was der nachhaltigen Transformation im Wege steht – sie selbst. Das Verständnis, dass Nachhaltigkeit ein paar Puzzleteile sind, die ausgetauscht werden, dass Nachhaltigkeit ein Muss ist, das eben mit Mehrarbeit und -aufwand irgendwie eingebaut werden muss, dass Nachhaltigkeit ein Regelwerk darstellt, das, wenn man es 1:1 befolgt, schon Fördermittel, Kund:innen, Partner:innen bescheren wird.

Absolut verkannt wird aber eines: Nachhaltigkeit wird nie die Innovationskraft, den Erfolg für das Unternehmen, die andere Außenwirkung entfalten, wenn sie so wie gerade beschrieben umgesetzt wird. Dann kann zwar das Unternehmen nach außen gut dastehen: Haken hinter Nachhaltigkeitsbeauftragte, Haken hinter ökologisch gute Beleuchtungsmittel, Haken hinter Kantine mit Fleisch aus artgerechter Tierhaltung, Haken hinter: papierloses Büro. Dass aber der Kollege seine Unterlagen weiterhin in Farbe ausdruckt, der Nachhaltigkeitsbeauftragte weder geschult ist noch für ein Stundenkontingent für diese Aufgaben freigestellt ist und Teilzeitarbeit weiterhin Karrierekiller ist, das wird dabei nicht geändert. Um das zu ändern, braucht es mehr. Dazu braucht es einen grundlegenden Wandel. Dazu braucht es einen agilen Ansatz.

Was ist nachhaltige Agilität?

Heute haben viele Organisationen die nachhaltige Transformation als oberste Priorität auf ihrer Agenda. Agile Methoden und Prozesse bieten eine Möglichkeit, dieser Herausforderung erfolgreich zu begegnen. Dabei sind permanente Weiterentwicklung und schnelle Anpassungsfähigkeit wichtige Eigenschaften. Doch stellt sich die Frage, ob es tatsächlich so etwas wie "nachhaltige Agilität" gibt. Agilität bietet nicht nur Flexibilität, sondern auch klare Prozesse und Strukturen, die sich positiv auf die Nachhaltigkeit auswirken können.

Agile Prozesse können die nachhaltige Entwicklung fördern, wie es im achten Prinzip des Agilen Manifests festgehalten ist. Agilität entstand als Wiederentdeckung bewährter Methoden für die Softwareentwicklung und hat sich durch kontinuierliches Anwenden und Lernen entwickelt. Obwohl Nachhaltigkeit zum Zeitpunkt der Entstehung des Agilen Manifests 2001 noch keine große Rolle spielte, können die Prinzipien der Agilität zur nachhaltigen Entwicklung beitragen: Selbstorganisation, Transparenz, Kundenfokus und kontinuierliches Lernen sind Schlüsselfaktoren für eine nachhaltige Agilität. Sie ermöglichen Resilienz, Fortschrittsmessung, Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten und den Fokus auf ökonomischen, sozialen und ökologischen Wert. Eine bewusste Entscheidung für langfristige Ziele ist entscheidend.

Wie unterstützt Agilität die nachhaltige Transformation?

Agilität unterstützt die nachhaltige Transformation, indem Unternehmen sich schnell an Veränderungen anpassen und innovative Lösungen für ökologische und soziale Herausforderungen entwickeln können. Es bedarf jedoch einer tiefgreifenden Verankerung nachhaltiger Werte und Prinzipien in den agilen Prozessen und Entscheidungsstrukturen, um sicherzustellen, dass die Nachhaltigkeitsziele nicht vernachlässigt werden.

Agilität bietet klare Prozesse und Strukturen, die sich positiv auf die Nachhaltigkeit auswirken können, indem ineffiziente Prozesse identifiziert und verbessert werden. Agile Arbeitsweisen fördern auch die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch, was zu einer effektiveren Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien führen kann.

Agilität kann Unternehmen dabei unterstützen, sich langfristig anzupassen, erfolgreich zu sein und die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter zu steigern. Agile Arbeitsweisen basieren auf interdisziplinärer Zusammenarbeit, nutzen Methoden wie Scrum, Kanban oder Design Thinking und ermöglichen Fortschrittsüberprüfung, Feedback und Verbesserungen.

Agilität erfordert eine Transformation der Führungskultur, bei der Führungskräfte zu Coaches werden und klare Strukturen und Arbeitsprozesse schaffen. Die Einbindung der Mitarbeiter ist ein Erfolgsfaktor jeder Transformation.

Innovative Lösungen für Nachhaltigkeitsherausforderungen

Die Kombination von Agilität und Nachhaltigkeit kann Unternehmen dabei helfen, sich an den nachhaltigen Wandel anzupassen und innovative Lösungen zu entwickeln. Eine umfassende Betrachtung der ökonomischen, sozialen und ökologischen Aspekte ist jedoch erforderlich, um langfristig positive Veränderungen zu bewirken. Die Kombination von Agilität und Nachhaltigkeit kann jedoch einen wichtigen Beitrag leisten und verdient es, weiter erforscht und diskutiert zu werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Integration agiler Methoden und Prozesse in die nachhaltige Transformation von Organisationen von großer Bedeutung ist. Agilität ermöglicht es Unternehmen, flexibel auf Veränderungen zu reagieren, Innovationen voranzutreiben und gleichzeitig ökonomische, soziale und ökologische Aspekte zu berücksichtigen. Eine ganzheitliche Betrachtung ist erforderlich, um sicherzustellen, dass nachhaltige Werte und Prinzipien in den agilen Prozessen verankert sind. Die Kombination von Agilität und Nachhaltigkeit hat das Potenzial, die Herausforderungen der nachhaltigen Transformation erfolgreich anzugehen und innovative Lösungen zu entwickeln.

Am 30. Oktober erscheint Anabel Tèrnes‘ neues Buch „Los, jetzt: Nachhaltig führen = Zukunft gewinnen“. Mit diesem Buch entwickeln Führungskräfte ein besseres Verständnis dafür, Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft wahrzunehmen und somit langfristigen Erfolg für ihr Unternehmen und ihre Mitarbeitenden zu schaffen.

Sie können das Buch ab sofort im Haufe Shop vorbestellen.