Wirtschaftsprüfung und Nachhaltigkeitsberichte

Die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen wächst und mit ihr der Prüfungsmarkt. Im Interview spricht Viola Möller, Leiterin des Fachbereichs Sustainability Services und Partnerin bei der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, über den Nachhaltigkeitsbericht und die Frage, wer dabei etwas mitzureden hat.

Frau Möller, wo liegt aus Sicht der Wirtschaftsprüfung das größte Problem bei Unternehmen, die nach der CSRD ab 2025 prüfpflichtig werden?

Viola Möller: Tatsächlich beobachten wir, dass die Berichterstattung oft an einer Person hängt. Viele verorten das Thema im Controlling, was hilft, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort naturgemäß viel von Prozessen, Abläufen und Reporting verstehen. Doch das genügt nicht. Zu einer wirklich fundierten Aufstellung eines prüfungssicheren Nachhaltigkeitsberichts brauche ich ein Team, das sich aus all jenen zusammensetzt, deren Bereiche von den entsprechenden Aspekten aus E, S und G betroffen sind. Nachhaltigkeitsberichterstattung ist ein crossfunktionales Thema.

Nachhaltigkeitsberichterstattung ist ein crossfunktionales Thema.

Die Vorschläge für Nachhaltigkeitsziele sollten aber nicht Ingenieur:innen und Techniker:innen machen, oder?

Das stimmt, auch beim Zielentwicklungsprozess sollte bestenfalls ein multidiziplinärer Ansatz verfolgt werden. Besser ist es, ein Ziel zu definieren – etwa eine Emissionseinsparung um x Prozent zum Zeitpunkt y – und dieses Ziel zur Diskussion zu stellen. Dabei sind dann auch die technisch Verantwortlichen wichtig. Zwar lese ich in fast jedem Bericht das Einsparziel, aber wenn ich nachfrage ‚Wie wollt ihr das denn erreichen?', sind oftmals keine validen, terminierten und messbaren Maßnahmen damit verbunden. Und das lässt sich nur gemeinsam mit den technisch Verantwortlichen erarbeiten.

Der Nachhaltigkeitsbericht und wer ihn am Ende prüft

Trotz technischer Implikationen sehen Sie vor allem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als kompetente prüfende Stelle, was etwa der TÜV oder Zertifizierungsgesellschaften anders beurteilen...

Ja, die Diskussion um die Verteilung dieses Marktes ist in vollem Gange. Allerdings möchte ich gar nicht so sehr darauf eingehen, was andere meiner Meinung nach vielleicht weniger können, sondern zeigen, was wir können. Es ist keineswegs so, dass BDO nur Steuerfachleute, Betriebswirte und Wirtschaftsprüfer beschäftigt. Ich arbeite auch mit Ingenieuren und Geo-Ökologen zusammen, die alle in unserer Gesellschaft angestellt sind. In welcher Konstellation wir als interdisziplinäres BDO-Team zusammenarbeiten, kommt ganz auf das Mandat an. Generell vertrete ich den Grundsatz, dass wir als Prüfer denselben multidisziplinären Ansatz umsetzen müssen, den wir auch von Unternehmen erwarten.

Wir als Prüfer müssen denselben multidisziplinären Ansatz umsetzen, den wir auch von Unternehmen erwarten.

Welchen speziellen Vorteil haben Wirtschaftsprüfer:innen Ihrer Meinung nach?

Wir haben zum Beispiel dezidierte Expertise im Internal Audit und Risikomanagement. Fragen aus diesen Bereichen zu beurteilen ist bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung mittlerweile zentral, völlig unabhängig vom viel zitierten Argument, dass der Bericht als Teil des Lageberichts ohnehin nochmals von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geprüft wird. Und dass es zahlreiche inhaltliche Schnittmengen zwischen Jahresabschluss und Nachhaltigkeitsbericht geben wird. Der zweite wichtige Aspekt sind Qualitätssicherungsstandards. Diese ergeben sich klar aus unserem Berufsrecht, mit den ISAE 3000 (rev) haben wir zudem einen Prüfungsstandard, der auch für den Nachhaltigkeitsbericht hervorragend funktioniert. Das beobachten wir seit einigen Jahren bei kapitalmarktorientierten Unternehmen, die bereits prüfungspflichtig sind.

Viola Möller BDO

Wird der neue Standard ISSA 5000, den die EU erarbeitet, noch wesentliche Veränderungen bringen?

Die Basis des ISSA 5000 wird ja der ISAE 3000 (rev) sein. Wie umfangreich die Anpassungen an unser Prüfungsvorgehen sein werden, ist heute nicht im Detail vorauszusehen. Ich gehe aber davon aus, dass der ISSA 5000 auf die spezifischen Indikatoren der Nachhaltigkeitsberichterstattung, zum Beispiel CO2-Angaben, noch klarer zugeschnitten sein wird und damit auch den berichterstattenden Unternehmen hilfreiche Guidance zu den Anforderungen der Prüfung liefern wird.

Die häufigsten Probleme beim Nachhaltigkeitsbericht

Lassen Sie uns in Ihre Prüfungspraxis schauen. Wo liegen die typischen Probleme vieler Nachhaltigkeitsberichte?

Neben der schon angesprochenen mangelnden Interdisziplinarität bei der Erarbeitung sind das vor allem die mangelnde Validität der Kennzahlen sowie die Kontrolle vor der Veröffentlichung. Letzteres ist vor allem ein Problem fehlender Ressourcen, denn an ein internes Review hat man oftmals schlichtweg nicht gedacht. Entsprechend fehlen dann die Kapazitäten oder die Zeit. Bei der mangelnden Validität geht es darum, dass der Prüfer in die Lage versetzt werden muss, grundsätzlich jede Kennzahl bis zur Quelle zurückzuverfolgen. Das ist meist dann ein Problem, wenn diese Kennzahlen über Niederlassungs- oder Ländergrenzen hinweg erhoben worden sind. 

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Ein Unternehmen hat erstmals Abfallkennzahlen erhoben. Dazu wurden in eine Excelliste Länder, Standorte und Abfallmengen eingetragen. Das ist keineswegs banal, denn die Zusammensetzung und Klassifizierung von Abfällen ist in verschiedenen Ländern durchaus unterschiedlich. Am Ende steht jeweils eine Zahl, die aber auf Nachfrage nicht mehr validierbar ist. Da wir unseren Unternehmen generell zubilligen, dass sie sauber arbeiten, können wir davon ausgehen, dass es sich um ein Dokumentationsproblem gehandelt hat. Und gerade letzteres erleben wir immer wieder. 

Der Ratschlag könnte also lauten, besser zu dokumentieren?

Ja, und zwar möglichst unmittelbar, denn nach einigen Wochen oder Monaten wird es sehr schwierig, diese Dinge wieder zusammenzutragen. Die Dokumentation im laufenden Prozess erspart am Ende viel Arbeit und steigert die Qualität des Berichts enorm.

Die Dokumentation im laufenden Prozess erspart am Ende viel Arbeit und steigert die Qualität des Berichts enorm.

Kann das nicht auch Software übernehmen?

Ich bin vorsichtig damit, immer direkt nach Software zu rufen. Natürlich gibt es Lösungen, es kommen ständig neue hinzu. Aber solange ich meine Prozesse nicht kenne und nicht weiß, was ich eigentlich erheben muss und durch wen die Erhebung erfolgt, kann ich mir auch keine passende Lösung aussuchen.

Nachhaltigkeitsreporting bedeutet Zeitmanagement

Das führt zurück zur Frage: Wie sollten Unternehmen, die demnächst unter die Berichtspflicht fallen, mit dem Nachhaltigkeitsbericht starten?

Zunächst einmal möchte ich betonen, dass alle, die jetzt beginnen, eigentlich in einer komfortablen Lage sind: Sie bauen ein Haus auf der grünen Wiese neu und können alles von Anfang an qualitativ und quantitativ so planen und einrichten, wie sie sich am Ende das Ergebnis vorstellen. Der wichtigste Punkt ist, ins doing zu kommen. Ich empfehle daher, mindestens zwölf Monate vor dem ersten Veröffentlichungstermin damit zu beginnen. 

Was steht am Anfang?

Die Identifikation der relevanten Player im Unternehmen. Wo liegt das Thema ‚Umwelt‘ bei uns überhaupt? Bei BDO beispielsweise sind es die Themen ‚Gebäude‘ und ‚Reisen‘. Damit habe ich schon zwei unterschiedliche Bereiche, die ich in die Erhebung einbeziehen muss, nämlich das Facility Management und den Einkauf. Wenn ich bei unserem Beispiel bleibe, stellt sich heraus, dass die unterschiedlichen Aspekte, die im Nachhaltigkeitsbericht vorkommen, einen ganz unterschiedlichen Reifegrad haben. Bei uns sind seit jeher unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das wichtigste Asset. Dementsprechend wissen wir schon sehr viel über Beschäftigungszeiten, Gehälter und so weiter. Dafür haben wir uns um das Thema ‚Gebäude‘, in denen wir Mieter sind, vielleicht noch nicht so viel gekümmert.

Gibt es noch kleinere praktische Probleme, die Ihnen häufiger begegnen?

Wenn der Standortleiter, der wichtige Kennzahlen zuliefern muss, seit 15 Jahren immer in den letzten beiden Januarwochen in den Skiurlaub fährt, ist es gut, das zu wissen und entsprechend zu planen.

Tatsächlich ist es mangelndes Zeitmanagement im Kleinen: Wenn der Standortleiter, der wichtige Kennzahlen zuliefern muss, seit 15 Jahren immer in den letzten beiden Januarwochen in den Skiurlaub fährt, ist es gut, das zu wissen und entsprechend zu planen. Sonst stehen Sie am Ende ganz schön im Regen, wenn Sie die Zahlen dringend brauchen. Bei der Erarbeitung eines Nachhaltigkeitsberichts ist meine wichtigste Botschaft an Unternehmer:innen: Das macht ihr nicht für den Wirtschaftsprüfer, sondern für euch selbst.