Rz. 170

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Vermehrt greift die Finanzverwaltung derzeit i. R. v. Betriebsprüfungen, Umsatzsteuer-Sonderprüfungen und auch Lohnsteuer-Außenprüfungen – Letztere allerdings im Rahmen von Kontrollmitteilungen – Fallgestaltungen auf, in denen Arbeitnehmer im Privatbereich ihres Arbeitgebers und damit für außerunternehmerische Zwecke zum Einsatz kommen:

 
Praxis-Beispiel
  1. Bauunternehmer B ist großer Hundefreund. Als er von den Problemen erfährt, die eine örtliche Tierschutzorganisation mit der Herrichtung einer günstig erworbenen Immobilie hat, erklärt er sich spontan bereit, zwei seiner Arbeitnehmer zur Unterstützung der Organisation abzustellen.
  2. Landschaftsgärtner L lässt den Garten seines (privaten) Einfamilienhauses von seinen Mitarbeitern neugestalten.
  3. Hotelier H setzt das Zimmer- und Küchenpersonal seines Hotels auch bei der Führung des eigenen Haushalts ein.
 

Rz. 171

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

In den Beispielsfällen führt der Arbeitnehmereinsatz zur unentgeltlichen Wertabgabe i. S. v. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG (vgl. auch Abschn. 3.4 Abs. 5 UStAE). Im Gegensatz zur Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG erfolgt die Besteuerung hier unabhängig von einem korrespondierenden Vorsteuerabzugsrecht des Unternehmers. In die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Nr. 3 UStG einzubeziehen sind damit auch solche Ausgaben (bis zum 30.06.2004: Kosten), die vorsteuerunbelastet sind (z. B. Lohn- und Lohnnebenkosten). Theoretisch steuerbar sind letztlich auch Dienstleistungen, die ein Unternehmer höchstpersönlich für sich selbst erbringt; mangels Ausgaben fehlt es hier aber an einer Bemessungsgrundlage.

 

Rz. 172

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

"Andere sonstige Leistung" i. S. v. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG ist jede Leistung, die nicht bereits nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG zu besteuern ist. Dies sind zunächst – wie bereits ausgeführt – die "reinen" Dienstleistungen. Die Vorschrift findet aber auch dann Anwendung, wenn die sonstige Leistung unter Verwendung eines unternehmerischen Gegenstands erbracht wird und ein nicht unwesentlicher Dienstleistungsanteil hinzukommt (vgl. BT-Drucks. 14/23 vom 09.11.1998, II [Besonderer Teil] zu Art. 8 Nr. 2 Buchst. b = S. 196 f.).

 
Praxis-Beispiel
  • Wie vorher; Bauunternehmer B bringt einen Bagger mit Fahrer zum Einsatz.
  • Wie vorher; Landschaftsgärtner L lässt den Garten unter Verwendung der betrieblichen Gartengeräte pflegen.
  • Wie vorher; Hotelier H überlässt den Shuttle-Bus des Hotels nebst Fahrer auch seinen Familienangehörigen und seinen Angestellten für private Besorgungsfahrten.
 

Rz. 173

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Ist eine Dienstleistung unter Verwendung eines Gegenstandes nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG steuerbar (und steuerpflichtig), erfasst die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 UStG konsequenterweise alle Ausgaben – auch die auf den Gegenstand entfallenden und auch insoweit ohne Rücksicht auf die Berechtigung zum Vorsteuerabzug (Gedanke der Einheitlichkeit der Leistung, vgl. Abschn. 3.10 UStAE). Abschn. 10.6 Abs. 3 S. 5 UStAE findet keine Anwendung.

 

TIPP

  • Besteuerung nach der Fiktionstheorie: Die Besteuerung der unentgeltlichen Abgabe "anderer sonstiger Leistungen" folgt damit nach der h. M. der – vom BFH ja eigentlich aufgegebenen – Fiktionstheorie: die Wertabgabe wird besteuert, weil der Unternehmer quasi an sich selbst leistet – und damit unabhängig von einem vorherigen Vorsteuerabzug! § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG setzt insoweit die Vorgaben des Art. 26 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL konsequent um.
  • Noch keine eindeutige Klarstellung durch den EuGH: Derzeit ungeklärt ist, warum Art. 26 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL das Junktim der vorherigen Vorsteuerabzugsberechtigung für eine Steuerbarkeit nicht beinhaltet. Fest steht jedenfalls, dass hierdurch das eigentliche Ziel der Eigenverbrauchsbesteuerung, zur Vermeidung eines unversteuerten Letztverbrauchs einen vorgenommenen Vorsteuerabzug zu neutralisieren, verpasst wird. Soweit ersichtlich ist derzeit kein EuGH-Verfahren anhängig, das sich der aufgezeigten Problematik widmet. Ein solches sollte eigentlich nur eine Frage der Zeit sein; vielleicht sind aber auch die jeweils strittigen Umsatzsteuerbeträge zu gering, um aus Berater- und Mandantensicht den Aufwand eines derartigen Verfahrens zu rechtfertigen.
  • Vermeidung der Besteuerung durch geschickten Arbeitsvertrag: Verwendet der Unternehmer Dienstleistungen seiner Arbeitnehmer auch für den Privatbereich, so wird eine steuerbare Dienstleistungsentnahme nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG dann nicht ausgelöst, wenn der Unternehmer die Arbeitsleistung von vornherein dem nichtunternehmerischen Bereich zugeordnet hat (BFH vom 16.07.1998, Az: V B 47/98, BFH/NV 1999, 195). In diesem Falle liegt keine Leistungsentnahme aus dem Unternehmen und damit auch kein steuerbarer Dienstleistungseigenverbrauch vor. Unproblematisch ist diese Betrachtung dann, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich für die Tätigkeit im privaten Bereich eingestellt worden ist. Aber auch in den Fällen, in denen d...

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