Rz. 71

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Unter Contracting versteht man die Übertragung von Dienstleistungen, die eigentlich der Nutzer oder Eigentümer zur Versorgung eines Grundstücks zu erbringen hätte, auf einen Dritten. Dabei ist es das Ziel, den Kunden von Aufgaben wie Energie- oder Telekommunikationsversorgung zu entlasten. Im Rahmen einer Ausgliederung werden diese Versorgungsaufgaben auf einen Dienstleister (Contractor) übertragen. Dazu wird ein Vertrag, ein "contract", geschlossen; hieraus leitet sich der Begriff "Contracting" ab (Weimann, UidP, Kap. 46.6; vgl. auch Damaschke, Stbg 2004, 464; zum wirtschaftlichen Hintergrund Eisenschmidt, NWB 2013, 57).

 

Rz. 72

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Die wirtschaftliche Grundidee des Contractings besteht im Erkennen von Potentialen zur Kosteneinsparung. Die Contractor erwerben, mieten oder errichten Versorgungsanlagen und betreiben diese; sie installieren z. B. Heizanlagen, übernehmen deren Betriebsführung, Instandhaltung und Wartung und liefern den Kunden letztlich die Wärme frei Haus. Für den Nutzer ergeben sich nicht nur Einsparungen bei der Herstellung eines Gebäudes, sondern auch niedrigere Kosten beim Verbrauch des über den Contractor gelieferten Gutes. Beim "Energieeinspar-Contracting" besteht das primäre Ziel darin, Einsparpotenziale über die Energiezentrale hinaus in Produktionsabläufen oder an anderer Stelle, z. B. im Gebäude, zu finden. In Abstimmung mit dem Kunden legt der Contractor die Maßnahmen, die zur Einsparung führen sollen, fest und finanziert sie vor. Die Rückzahlung dieser Leistungen soll aus den erzielten Energieeinsparungen erfolgen.

 
Praxis-Beispiel

Der Eigentümer E eines Bürogebäudes in Dortmund vereinbart mit Contractor C die Wärmeversorgung seiner Mieter. Zur Beförderung der Wärme ist eine Heizungsanlage erforderlich.

Variante 1: C installiert die Anlage in dem (noch zu errichtenden oder bereits bestehenden) Gebäude des E.

Variante 2: C erwirbt die bereits im Gebäude vorhandene Anlage von E.

Variante 3: C mietet die bereits vorhandene Anlage von E.

Lösung:

Variante 1: Im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes kommt es zum Leistungsaustausch zwischen C und E (§ 3 Abs. 12 S. 2 UStG):

  • Die Leistung des C besteht in der Lieferung der Anlage.
  • Die Gegenleistung des E besteht in der Überlassung der Teilfläche und/oder Duldung des Einbaus sowie der Durchleitung von Energie.

E erbringt die Leistung am Belegenheitsort des Grundstücks in Dortmund (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG); die Leistung ist damit umsatzsteuerbar. Sie ist auch steuerpflichtig; insbesondere liegt keine nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreie Vermietungsleistung vor. Die Leistung des E ist keine Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken i. S. d. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG. Auch die Annahme einer Überlassung zur Nutzung "aufgrund eines auf Übertragung von Eigentums" gerichteten Vertrages i. S. v. § 4 Nr. 12 Buchst. b UStG scheidet aus, da C allenfalls Eigentümer der Heizungsanlage wird. Denkbar wäre lediglich eine Bestellung, Übertragung oder Überlassung der Ausübung von dinglichen Rechten i. S. d. § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG, wenn C durch Eintragung einer Reallast in Abteilung II des Grundbuches abgesichert wird. In diesem Fall tritt jedoch die Gebrauchsüberlassung in Form der Gestattung, eine Anlage zu errichten, gegenüber den damit verbundenen Rechten, Energie zu liefern, in den Hintergrund. Das eigentliche wirtschaftliche Interesse des Contractors besteht nicht darin, die Anlage zu liefern, sondern die Energie.

Variante 2: Verkauft E dem C die von ihm selbst errichtete Heizungsanlage, so führt dies regelmäßig zu einem steuerpflichtigen Umsatz. Eine Ausnahme von der Steuerpflicht besteht nur dann, wenn der Grundstückseigentümer den gelieferten Gegenstand ausschließlich zur Erzielung steuerfreier Umsätze i. S. d. § 4 Nr. 28 UStG verwendet hat. Dies ist bei einer umsatzsteuerfreien Vermietung oder Verpachtung des Gebäudes der Fall; dann unterliegt auch der Verkauf nicht der Umsatzsteuer.

Variante 3: Die Vermietung der Heizungsanlage durch E an C führt zu einem steuerpflichtigen Leistungsaustausch. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob es sich bei der Anlage selbst um ein Grundstück i. S. d. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG oder um ein dingliches Recht i. S. v. Buchst. c der Vorschrift handelt. Auch ist es nicht entscheidend, ob eine Betriebsvorrichtung i. S. v. § 4 Nr. 12 S. 2 UStG gegeben ist. Denn das eigentliche wirtschaftliche Interesse des Contractors besteht nicht darin, eine Anlage zu mieten, sondern Energie durchzuleiten. Hieraus ergibt sich die Steuerpflicht der Leistung aus einem Vertragsverhältnis "besonderer Art", welches nach dem wirtschaftlichen Gehalt keine Vermietung darstellt.

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