Rz. 36

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Ist nicht eine Gebietskörperschaft der Unternehmer, bedarf es gem. § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 UStG der Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, dass der Unternehmer mit der Einrichtung die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt wie die Gebietskörperschaft. Handelt es sich bei dem Unternehmer um einen Bühnenregisseur oder Bühnenchoreografen, erfordert § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 3 UStG eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde darüber, dass die künstlerische Leistung den § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 1 UStG genannten Einrichtungen unmittelbar dient. Die Bescheinigung – ein Verwaltungsakt – ist materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung (BFH vom 16.08.1993, Az: V B 47/93, BFH/NV 1994, 278). Die Bescheinigungsverfahren richten sich nach den Landesverwaltungsverfahrensgesetzen.

 

Rz. 37

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Der Begriff der "gleichen kulturellen Aufgaben" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck des Gesetzes lassen den Schluss zu, dass die Steuerbefreiung nur solchen Einrichtungen zugutekommen soll, die "professionell" Aufführungen darbieten und auf einem hohen Niveau arbeiten, und deshalb Laieneinrichtungen ausgeschlossen sind. Der Begriff der "gleichen kulturellen Aufgaben" in § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 UStG enthält keinen ausdrücklichen Bezug zu Qualitätsmaßstäben (BVerwG vom 31.07.2008, Az: 9 B 80/07, UR 2009, 25–27).

 

Rz. 38

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Nach Auffassung des FG Köln (Urteil vom 21.08.2008, Az: 7 K 3380/06, EFG 2008, 1919–1921, DStRE 2009, 231–233, rkr.; BFH vom 18.02.2010, Az: V R 28/08, BStBl II 2010, 876) kann sich die Steuerfreistellung im Falle der von ausländischen Künstlern für ein Orchester erbrachten Leistungen nicht aus einer Bescheinigung ergeben, welche ausdrücklich für das Orchester in seiner Gesamtheit ausgestellt worden ist und keine Aussagekraft für die kulturelle Bedeutung der musikalischen Einzelleistung des jeweiligen Musikers hat. Erforderlich und zugleich ausreichend sei vielmehr eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 UStG, welche sich ausdrücklich auf die von den jeweils einzelnen Musikern an das Orchester erbrachten Einzelleistungen bezieht. Ohne konkrete Zeitangaben in einer solchen Bescheinigung gelte die Gleichstellung so lange und so weit, wie die betreffenden Künstler in dem Orchester mitwirken.

 

Rz. 39

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Antragsberechtigt sind sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt (BFH vom 15.09.1994, Az: XI R 101/92, BStBl II 1995, 912). Für den Unternehmer besteht allerdings kein Wahlrecht, durch Nichtvorlage der Bescheinigung auf die Steuerbefreiung zu verzichten. Nur so wird eine Gleichbehandlung der anderen Unternehmer mit den Gebietskörperschaften erreicht. Für Veranstalterumsätze gem. § 4 Nr. 20 Buchst. b UStG gibt es kein gesondertes Bescheinigungsverfahren, da die Bescheinigung des Künstlers auf den Veranstalter "durchwirkt". Ebenso wie der Künstler besitzt der Veranstalter kein Wahlrecht zur Inanspruchnahme der Steuerbefreiung (vgl. auch OFD Nürnberg vom 14.04.2004, Az: S 7177 – 53/St 43, UStB 2004, 383). Die Frage, ob nur die betroffenen Unternehmen oder auch andere (z. B. das Finanzamt) bei der zuständigen Landesbehörde einen Antrag auf Erteilung der Bescheinigung gem. § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG stellen können, hatte nicht der BFH, sondern das BVerwG zu klären. Dieses hat entschieden, dass die Bescheinigung zwingend zu erteilen ist, wenn private Unternehmen die gleichen kulturellen Aufgaben wie öffentliche Einrichtungen erfüllen. § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG sei zum Schutz öffentlicher Interessen eingeführt worden und garantiere die Wettbewerbsgleichheit der Einrichtung der öffentlichen Hand (BVerwG vom 04.05.2006, Az: 10 C 10.05, DStRE 2006, 2476; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, vgl. BVerfG vom 29.08.2006, Az: 1 BvR 1673/06, UR 2007, 464). Diese Auffassung wird insbesondere von Kohlhaas (DStR 2007, 138) kritisiert. Die Vorschrift sei eingeführt worden, um künstlerisch tätige Steuerschuldner von der Umsatzsteuer zu befreien, anstatt sie durch direkte Subventionen, wie sie öffentlichen Einrichtungen zufließen, zu begünstigen. Durch die Bescheinigung könne ein in Vorjahren erklärter Vorsteuerüberhang rückwirkend entfallen. Dadurch kann eine erhebliche wirtschaftliche Belastung eintreten. Diese Folgewirkung hat das BVerwG – so Kohlhaas – wohl nicht erkannt. Sonst hätte es sicherlich auf die Notwendigkeit von Übergangsregelungen für abgelaufene Zeiträume hingewiesen. Die Finanzverwaltung hat mittlerweile reagiert (vgl. OFD Frankfurt a. M. vom 23.01.2007, Az: S 7177 A – 12 – St 112, UR 2007, 468). Danach ist eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung nur insoweit möglich, als noch keine Bestandskraft eingetreten ist. § 175 AO finde keine Anwendung, da die nachträgliche Erteilung einer Bescheinigung nicht als rückwirkendes Ereignis gilt (§ 175 Abs. 2 S. 2 AO). Lege der Künstler dem Veranstalter keine Bescheinigung vor, könne davon aus...

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