Rz. 118

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Die Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) führt umsatzsteuerlich v. a. immer dann zu echten ("geldwerten") Vorteilen, wenn Unternehmen(steile) gem. § 15 Abs. 2 bis 4 UStG nicht oder nicht in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Die nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge auf konzerninterne Leistungsbeziehungen werden dann zu einem Kostenfaktor. Diese Kostenbelastung lässt sich u. U. durch Errichtung einer Organschaft verhindern, da innerorganschaftliche Leistungsaustauschbeziehungen umsatzsteuerlich innerhalb ein und desselben Unternehmens (sog. "Innenumsätze") und damit neutral erfolgen; sie lösen keine zusätzliche Kostenbelastung in Form nicht abziehbarer Vorsteuern aus.

 
Praxis-Beispiel

Die B1-Bank ist ausschließlich auf dem Gebiet der Vergabe inländischer Konsumentenkredite (§ 4 Nr. 8 Buchst. a UStG) tätig. Die Datenverarbeitung gliedert die B1-Bank auf die B1-GmbH aus, die finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der B1-Bank eingegliedert ist.

Lösung:

Die Leistungen der B1-GmbH an die B1-Bank erfolgen innerhalb eines Organkreises und damit als Innenumsätze umsatzsteuerunbelastet.

 

Rz. 119

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Gemeinschaftsrechtlich beruht die umsatzsteuerliche Organschaft auf Art. 11 MwStSystRL. Danach kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Die Unterschiede zu § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sind beträchtlich. Anstatt von Eingliederungsmerkmalen spricht Art. 11 unter Verwendung derselben begrifflichen Voraussetzungen von engen Verbindungen. Können nach dem UStG nur juristische Personen ihre Selbständigkeit verlieren, betrifft die Wirkung nach Unionsrecht alle Personen.

Nach dem Wortlaut des Art. 11 haben die Mitgliedstaaten ein Wahlrecht,

  • ob sie eine Organschaft überhaupt (dem Grunde nach) zulassen,
  • und – wenn ja – von welchen Voraussetzungen diese dann abhängen soll.

Der Spielraum der Mitgliedstaaten ist jedoch eingeschränkt. Nach der Entscheidung des EuGH vom 25.04.2013, Rs. C-480/10 (UR 2013,423) dürfen die Regelungen des Art. 11. MwStSystRL im nationalen Recht (nur) beschränkt werden, sofern dies den Zielen der Richtlinie entspricht, die auf die Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und die Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung abzielt.

 

Rz. 120

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Die Bundesrepublik hat dieses Wahlrecht in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dahingehend ausgeübt, dass nur juristische Personen (insbes. Kapitalgesellschaften) als Organgesellschaften in einen umsatzsteuerlichen Organkreis eingegliedert werden können.

 
Praxis-Beispiel

Die B2-Bank ist eine Mitbewerberin der B1-Bank und ähnlich organisiert. Allerdings wurde die Datenverarbeitung auf die B2-KG ausgegliedert, die ebenfalls finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der B2-Bank eingegliedert ist.

Lösung:

Nach deutschem Umsatzsteuerrecht ist keine Organschaft zwischen der B2-Bank und der B2-KG möglich. Die Leistungen der B2-KG an die B2-Bank erfolgen daher unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 UStG steuerbar und steuerpflichtig. Ein Vorsteuerabzug der B2-Bank ist gem. § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen. Die nicht abziehbaren Vorsteuern werden für die B2-Bank zum Kostenfaktor, wodurch sich die Wettbewerbssituation zur B1-Bank verschlechtert.

Diese Einschränkung ist nach der Entscheidung des EuGH vom 16.07.2015 in der Rs .C-108/14 und C-109/14 (Minerva u. a.) grundsätzlich nicht unionsrechtskonform, es sei denn sie würde den (in Rn. 116) genannten Zielen dienen, was dem nationalen Gericht zu überprüfen obliegt.

 

Rz. 121

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Dass die sich aus den Beispielen ergebende Benachteiligung von Personengesellschaften, die nicht Organgesellschaften sein können, wahrscheinlich gegen die vom EuGH geforderte wettbewerbsneutrale Umsetzung von Mitgliedstaatenwahlrechten verstößt, wird seit langem angeprangert (Hahne, DStR 2008, 910; Weimann, UStB 2008, 186). Der Grundsatz der Neutralität lässt es nicht zu, "dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden. Nach ständiger Rechtsprechung nämlich verbietet er es, gleichartige und infolgedessen miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine deutliche Verzerrung handelt" (EuGH vom 28.06.2007, Rs. C-363/05, JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust plc und The Association of Investment Trust Companies, BStBl II 2010, 573, Tz. 4 und Tz. 47; vgl. auch die Urteilsanmerkung von Maunz, UR 2007, 727 (733)).

 

Rz. 122

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Bei der Entscheidung vom 16.07.2015 in der Rs.C-108/14 und C-109/14 (Larentia+Minerva und Marenave, UR 2015,671)) hat sich der EuGH erstmals mit der ...

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