Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuchs trotz kleinerer Mängel

Fall des Niedersächsischen FG
In einem Fall des Niedersächsischen FG war der Kläger Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Im Rahmen des Anstellungsverhältnisses bei der GmbH wurde ihm ein Pkw auch für die Nutzung zu privaten Zwecken überlassen. Hierfür versteuerte er einen geldwerten Vorteil. Den Anteil der privaten Nutzung berechnete er aufgrund von Fahrtenbüchern. Laut den vorgelegten Fahrtenbüchern ergab sich ein Anteil für Privatfahrten in Höhe von 5,28 % (2014), 4 % (2015) bzw. 6 % (2016).
Im Zuge einer Lohnsteueraußenprüfung bei der GmbH überprüfte der Prüfer die Fahrtenbücher und versagte deren Anerkennung. In den vorgelegten Fahrtenbüchern seien als Reiseziele lediglich Ortsnamen bzw. Abkürzungen der Ortsnamen angegeben. Ergänzungsblätter hätten den Fahrtenbüchern zum Zeitpunkt der Außenprüfung nicht beigelegen. Der Prüfer wandte daraufhin bei der Berechnung des geldwerten Vorteils die 1 %-Regelung an.
In der Folge änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und erhöhte den Arbeitslohn um den Pkw-Sachbezug in Höhe von 10.679 EUR (2014), 11.868,96 EUR (2015) und um 10.256,69 EUR (2016).
Klage war erfolgreich
Das Niedersächsische FG hat der Klage des Steuerpflichtigen stattgegeben (Urteil v. 16.6.2021, 9 K 276/19). Das FG hat hierzu u.a. ausgeführt:
- Kleinere Mängel und Ungenauigkeiten (im Streitfall: Verwendung von Abkürzungen für Kunden und Ortsangaben; fehlende Ortsangaben bei Übernachtung im Hotel; Differenzen aus dem Vergleich zwischen den Kilometerangaben im Fahrtenbuch und laut Routenplaner; keine Aufzeichnung von Tankstopps) führen nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der 1 %-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind.
- Dem Finanzamt ist zuzumuten, fehlende Angaben zu Hotelübernachtungen aus vorliegenden Reisekostenunterlagen zu ermitteln, sofern es sich nur um vereinzelte Fälle handelt.
- In der Regel müssen die Angaben zu den Kilometerständen sofort, d.h. am Ende jeder Fahrt gemacht werden. Nur Präzisierungen des beruflichen Zwecks dürfen ggf. noch innerhalb einer Woche nachgeholt werden.
- Die Indizwirkung, die von fehlenden Gebrauchsspuren und einem gleichmäßigen Schriftbild eines Fahrtenbuches in Bezug auf eine unzulässige Nacherstellung ausgeht, kann vom Steuerpflichtigen entkräftet werden.
- Die Anforderungen an das ordnungsgemäße Führen eines Fahrtenbuches dürfen nicht überspannt werden, damit aus der widerlegbaren Typisierung der 1%-Regelung in der Praxis nicht eine unwiderlegbare Typisierung wird.
BFH-Rechtsprechung zu geringen Mängeln
Das Niedersächsische FG verweist auf eine NV-Entscheidung des BFH (Urteil v. 10.4.2008, VI R 38/06). In diesem Urteil hat der BFH gefordert, dass die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten müssen. Kleinere Mängel führen auch nach Auffassung des BFH nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der 1%-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind. Sofern das Finanzamt die Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches aufgrund von Aufzeichnungsmängeln versagen und stattdessen die 1%-Regelung anwenden will, ist im Einzelfall zu prüfen, ob es sich hierbei nur um geringe Mängel i.S.d. genannten BFH-Rechtsprechung handelt.
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