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Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung der Vertreter nach § 69 AO

Nach § 69 AO haftender Personenkreis


Nach § 69 AO haftender Personenkreis

Gesetzliche Vertreter wie GmbH-Geschäftsführer sowie Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigte haften nach § 69 AO, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolge dessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftungsinanspruchnahme umfasst dabei auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Das Top-Thema gibt einen Einblick in die aktuelle Rechtsprechung.

§ 69 AO betrifft

  • gesetzliche Vertreter natürlicher und juristischer Personen sowie rechtsfähiger Personenvereinigungen und die Geschäftsführer von Vermögensmassen (§ 34 Abs. 1 AO),
  •  Mitglieder, Gesellschafter und Gemeinschafter nichtrechtsfähiger Personenvereinigungen sowie bei nichtrechtfähigen Vermögensmassen diejenigen, denen das Vermögen zusteht (§ 34 Abs. 2 AO), 
  • Vermögensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO) sowie 
  • als Verfügungsberechtigte auftretende Personen (§ 35 AO). Ein Verfügungsberechtigter liegt z.B. dann vor, wenn ein vorläufiger Sachwalter nach Übernahme der Kassenführung gemäß § 275 Abs. 2 InsO auf seinen Namen ein Anderkonto bei einer Bank eröffnet und sämtliche eingehenden und ausgehenden Zahlungen des Schuldners über dieses Konto abwickelt (BFH, Urteil v. 20.2.2024, VII R 16/21, BStBl 2024 II S. 624).

Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses

Hinsichtlich der Frage, wer als Geschäftsführer in Anspruch genommen werden kann, ist allein auf den Inhalt und die Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses abzustellen. Dagegen ist der Zeitpunkt der Eintragung bzw. Löschung im Handelsregister für die Haftung nach § 69 AO irrelevant (FG Düsseldorf, Urteil v. 18.11.2022, 3 K 590/21 H, EFG 2023 S. 169). 

Ein GmbH-Geschäftsführer ist allein aufgrund seiner nominellen Bestellung für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH voll verantwortlich und wird davon erst dadurch befreit, dass er von der Geschäftsführung zurücktritt.

Eine ausnahmsweise Begrenzung der Geschäftsführerhaftung setzt eine vorweg getroffene, eindeutige und schriftlich festgehaltene Aufgabenzuweisung für alle Bereiche des laufenden Geschäftsverkehrs voraus, so dass klargestellt ist, welcher Geschäftsführer für welchen Bereich zuständig ist.

Eine Erkrankung kann einer Haftungsinanspruchnahme allenfalls entgegenstehen, wenn zweifelsfrei ersichtlich ist, dass es dem Geschäftsführer gänzlich unmöglich gewesen ist, geschäftliche Belange wahrzunehmen, die Geschäftsführeraufgaben zu delegieren oder zumindest seine Geschäftsführertätigkeit früher zu beenden. Dabei wird eine ärztliche Bescheinigung, dass mehr als einfache geschäftliche Verhandlungen oder Besprechungen nicht zumutbar sind, diesen Anforderungen nicht gerecht (FG Köln, Urteil v. 12.6.2019, 2 K 2087/17, EFG 2020 S. 957).

Einem Haftungsbescheid wird – ausnahmsweise – der Boden entzogen, wenn im Klageverfahren festgestellt wird, das der in Haftung Genommene im Haftungszeitraum nicht mehr Geschäftsführer war (FG Münster, Urteil v. 19.12.2022, 4 K 1158/20 L, EFG 2023 S. 377, Rev. eingelegt, Az beim BFH VII R 4/23). 

Maßgebliche Handlung oder Unterlassung

Die maßgebliche Handlung bzw. Unterlassung bestimmt sich nach dem Inhalt und der Auslegung des Haftungsbescheids, dessen Wirksamkeit im Streit steht (BFH, Urteil v. 19.1.2021, VII R 38/19, BFH/NV 2021 S. 1057). Wird ein auf § 69 AO gestützter Haftungsbescheid vom FG wegen fehlerhafter Ermessenserwägungen aufgehoben, darf der Haftungsumfang im eventuell neu ergehenden Haftungsbescheid betragsmäßig nicht erweitert werden (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 9.5.2023, 9 K 9157/22, EFG 2023 S. 1287).

Besonderheiten bei Vorständen eines Vereins oder einer AG

Bei einem Vereinsvorstand besteht die Pflicht zur Abgabe korrekter Steuererklärungen auch bereits vor Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Der Vorstand hat die fortlaufende Pflicht, die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit (§§ 51 ff. AO) zu überprüfen Ist der Vorsitzende nicht in der Lage, sich innerhalb des Vereins durchzusetzen und seiner Rechtsstellung gemäß zu handeln, muss er zurücktreten und darf im Rechtsverkehr nicht den Eindruck erwecken, er sorge für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte (BFH, Urteil v. 12.6.2018, VII R 2/17, BFH/NV 2019 S. 6). 

Der Vorstand einer AG ist im Verfahren wegen Haftung für gegenüber der AG festgesetzte Steuer nicht wegen Drittwirkung der Steuerfestsetzung nach Unanfechtbarkeit (formeller Bestandskraft) gem. § 166 AO mit Einwendungen gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzung ausgeschlossen, solange der Vorbehalt der Nachprüfung in den gegen die AG gerichteten Steuerfestsetzungen wirksam ist (Thüringer FG, Urteil v. 28.9.2016, 3 K 1046/13, EFG 2017 S. 797).

Besonderheiten bei faktischen Geschäftsführern

Die Haftungsinanspruchnahme als faktischer Geschäftsführer hängt nicht davon ab, ob diese Person Verfügungsmacht über ein Bankkonto der GmbH gehabt und hiervon ggf. Gebrauch gemacht hat. Ausreichend ist insoweit, dass der Haftungsschuldner auf Grund bürgerlich-rechtlicher Verfügungsmacht im Außenverhältnis wirtschaftlich bedeutsame Verträge namens und für Rechnung der GmbH abgeschlossen hat (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 6.7.2016, 9 K 9267/12, EFG 2017 S. 13, die eingelegte NZB wurde vom BFH mit Beschluss v. 11.7.2017, VI B 84/16 n. v. als unbegründet zurückgewiesen).

Ob jemand ein faktischer Geschäftsführer ist, richtet sich nach dem Gesamterscheinungsbild. Nicht maßgeblich ist, ob eine bestimmte Anzahl der acht klassischen Merkmale im Kernbereich der Geschäftsführung vorliegen. Das Prinzip der Gesamtverantwortlichkeit betrifft nicht nur bestellte Geschäftsführer, sondern daneben auch faktische Geschäftsführer (FG Hamburg, Urteil v. 29.3.2017, 3 K 183/15, EFG 2017 S. 1225).


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