Rz. 23a

Als Konkretisierung des von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen am 11.12.2019 erklärten "Green Deal", der insbesondere für die Wirtschaft eine nachhaltige Wachstumsstrategie skizziert, hat die EU-Kommission am 20.5.2020 ihre Strategie für gesündere und nachhaltigere Lebensmittel unter dem Titel "Vom Hof auf den Tisch (From Farm to Fork)" veröffentlicht. Hierzu empfiehlt die EU-Kommission den EU-Mitgliedstaaten, durch steuerliche Anreize eine Umstellung auf eine gesunde und nachhaltige Ernährung zu erleichtern und damit einen nachhaltigen Lebensmittelkonsum zu fördern. Die Kommission nimmt ausdrücklich Bezug auf die MwSt-Sätze der EU-Mitgliedstaaten als mögliche Fördermaßnahme und nennt beispielhaft die Förderung von Bioobst und Biogemüse. Mit Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen bei der Umsatzsteuer könnte bei fair gehandelten oder Bio-Lebensmitteln eine Preissenkung und damit ein stärkerer Kaufanreiz erzielt und eine Förderung von nachhaltigen biologischen Lebensmitteln erreicht werden.[1]

Zuvor hatte bereits eine europäische Bürgerinitiative mit dem Titel "Grüne Mehrwertsteuer – Eine grüne EU-MwSt zur Förderung nachhaltiger und umweltfreundlicher Produkte und Dienstleistungen" von der EU gefordert, den MwSt-Satz für grüne Produkte und Dienstleistungen zu senken. Die Initiative fordert von der EU-Kommission eine Flexibilisierung der Steuersätze für ökologische, nachhaltig produzierte und umweltfreundliche Produkte in Europa. Die EU-Kommission hat an die EU-Mitgliedstaaten appelliert, die Initiative zu unterstützen.

Die unabhängige Initiative Fairtrade Deutschland e. V. hatte laut Pressemitteilung v. 20.8.2020 vorgeschlagen, biologische Lebensmittel (außer Tierprodukte) von der USt zu befreien (Nullsteuersatz). Mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % könnten nach wie vor Lebensmittel aus konventioneller Erzeugung sowie ggf. Bio-Tierprodukte besteuert werden. Denkbar wäre es auch, andere nachhaltige Produkte und Dienstleistungen durch eine Senkung vom Regelsteuersatz auf den ermäßigten Steuersatz zu fördern. Dieser bereits von einigen Initiativen vorgeschlagene Gedanke würde den Nachhaltigkeitsgedanken bei der USt auf eine Vielzahl von Lieferungen und sonstigen Leistungen ausweiten und damit die Dimension einer "nachhaltigen" Umsatzsteuerreform erreichen.[2] Das Umweltbundesamt hat im April 2022 eine generelle Abschaffung der MwSt für pflanzliche Lebensmittel gefordert, was im Ergebnis der Anwendung des sog. Nullsteuersatzes auf diese Produkte entspricht. Eine stärker pflanzenbasierte Ernährung entlaste die Umwelt und sei obendrein gesund. Die Bundesregierung hat allerdings bislang keine Initiativen zur Förderung von Bio-Produkten bzw. pflanzlichen Produkten über die USt-Sätze ergriffen (Rz. 23b).

 

Rz. 23b

Aufgrund der EU-Richtlinie v. 5.4.2022[3] ist es ab 6.4.2022 unionsrechtlich möglich, auf Lebensmittel einen sog. Nullsteuersatz (§ 12 UStG Rz. 67f) anzuwenden. Sowohl Sozial- und Verbraucherverbände als auch der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir hatten bereits im April 2022 vorgeschlagen, dass die USt von 7 % auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte komplett wegfallen sollte (Anwendung des Nullsteuersatzes auf diese Erzeugnisse). Die zu erwartende Preissenkung für Obst und Gemüse entlaste nicht nur die Verbraucher, sondern fördere dazu auch noch eine gesunde Ernährung durch die gewonnene Lenkungswirkung. In einer Kleinen Anfrage wollte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion von der Bundesregierung wissen, ob sie die Auffassung des Bundeslandwirtschaftsministers teile und welche Steuermindereinnahmen eine entsprechende Steuersatzsenkung verursache. In ihrer Antwort[4] schätzte die Bundesregierung die Steuermindereinnahmen aus einer derartigen Steuersatzsenkung für das Jahr 2022 auf rund 2 Mrd. EUR. Ansonsten verwies die Bundesregierung darauf, dass derzeit (Juli 2022) noch keine Entscheidung der Bundesregierung existiere, ob und in welchem Umfang eine Änderung der ermäßigten USt-Sätze initiiert werden soll.

[1] Vgl. Fischer, NWB 5/2022, 281.
[2] Vgl. Fischer, NWB 5/2022, 281.
[3] Richtlinie (EU) des Rates v. 5.4.2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/12/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze, ABl EU 2022 Nr. L 107, 1.
[4] Antwort der Bundesregierung v. 15.7.2022 auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, BT-Drs. 20/2833; siehe hierzu Widmann, UR 2022, 681.

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