Greenwashing aus rechtlicher Perspektive

Unternehmen bewerben ihre Produkte häufig mit Umweltversprechen, um nachhaltigkeitsbewusste Verbraucher:innen zu überzeugen. Jüngste gerichtliche Entscheidungen in Deutschland zu Greenwashing-Vorwürfen und eine geplante EU-Greenwashing-Richtlinie weisen den Weg hin zu verschärften Anforderungen.

Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz gewinnen zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher legen Wert darauf, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die umweltfreundlich und nachhaltig agieren. In diesem Zusammenhang tauchen immer häufiger Adjektive auf Produktverpackungen oder in Werbetexten auf, die vor allem die ökologische Nachhaltigkeit des Produktes oder des Produktionsprozesses hervorheben. Von „bio“ bis „klimaneutral“: das ESG-Vokabular ist breit gefächert. Während hinter manchen Labeln – wie im Falle von „bio“ und „ökologisch“ – EU-rechtlich geschützte Begriffe stehen, entbehren viele Nachhaltigkeitsbegriffe einer rechtlichen Grundlage. Dies könnte sich jedoch in Zukunft ändern. Denn wenn Unternehmen ihre Produkte oder Dienstleistungen als umweltfreundlicher darstellen, als sie tatsächlich sind, betreiben sie unter Umständen Greenwashing. Dies kann insbesondere durch irreführende Werbung geschehen. Dabei besteht die Gefahr, dass das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten untergraben sowie echte nachhaltige Unternehmen benachteiligt werden.

„Klimaneutral“ bedarf einer Erklärung – jüngste gerichtliche Greenwashing-Urteile

Kürzlich gab es eine wegweisende Gerichtsentscheidung bezüglich eines Greenwashing-Vorwurfs des Umweltschutzverbands Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen die Drogeriemarktkette dm (LG Karlsruhe, Urt. v. 26.07.2023 – 13 O 46/22 KfH). Das Landgericht Karlsruhe entschied zugunsten der DUH, die dm verklagt hatte, weil die Drogeriemarktkette bestimmte Produkte ihrer Eigenmarke als „klimaneutral“ und „umweltneutral“ beworben hatte. Maßgeblich war dabei, dass dm keine ausreichenden Informationen darüber lieferte, wie die vorgegebene Klima- und Umweltneutralität tatsächlich erreicht wurde. Das Gericht urteilte, dass der Begriff „klimaneutral“ erklärungsbedürftig sei und es an Transparenz mangele, wenn – wie hier bei dm – dem Verbraucher keinerlei Erläuterung dazu zugänglich gemacht werde. Die Verwendung solcher Labels wurde daher vom Gericht als irreführend bewertet und untersagt. dm darf die entsprechenden Produkte somit nicht mehr ohne Weiteres als „klimaneutral“ und „umweltneutral“ bezeichnen.

Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelte erst vor kurzem zwei „Greenwashing“-Verfahren in zweiter Instanz (OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.7.2023 – 20 U 72/22 und OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.7.2023 – 20 U 152/22). Im ersten Verfahren ging es um eine Marmelade, die als „klimaneutrales Produkt“ beworben wurde. Das Landgericht Mönchengladbach hatte zuvor entschieden, dass diese Bewerbung eine Irreführung darstelle, da der Verbraucher davon ausgehen würde, dass das Produkt selbst klimaneutral hergestellt wurde. Tatsächlich war dies aber erst aufgrund nachträglicher Kompensationsmaßnahmen der Fall. Das OLG Düsseldorf stimmte der Vorinstanz nicht vollständig zu, erkannte jedoch ebenfalls eine Irreführung des Verbrauchers an. Das OLG führte in seiner Entscheidung aus, der Begriff „klimaneutral“ sei erklärungsbedürftig und es fehle an weiterführenden Informationen darüber, wie die Klimaneutralität konkret umgesetzt werde.

Im zweiten Verfahren des OLG Düsseldorf ging es um Fruchtgummi, das ebenfalls als „klimaneutrales Produkt“ angepriesen wurde, allerdings mit einem Hinweis auf eine Internetseite mit weiterführenden Informationen. Das Gericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und betonte, dass auch bei einer Werbung in der „Lebensmittel-Zeitung“ die Nachvollziehbarkeit für den Verbraucher relevant sei. Das OLG stellte fest, dass der Verbraucher ein erhebliches Interesse daran habe, zu wissen, ob die Klimaneutralität durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht wurde oder nur durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten. Der Verweis auf die Internetseite, auf der tiefergehende Informationen zur Umsetzung der Klimaneutralität bereitgestellt werden, wurde in diesem Fall als ausreichend erachtet, um die Verbraucher ausreichend zu informieren.

Diese juristischen Entscheidungen zeigen, dass die Verwendung des Begriffs „klimaneutral“ erklärungsbedürftig ist und, dass Unternehmen klare und transparente Informationen bereitstellen müssen, wie die Klimaneutralität tatsächlich erreicht wurde. Der Hinweis auf eine weiterführende Informationsseite kann dabei hilfreich sein, um den Vorwurf und eine mögliche Klage wegen Irreführung der Verbraucher zu vermeiden. Die Urteile zeigen auch, dass Gerichte zunehmend sensibilisiert sind für das Thema Greenwashing und mangelnde Transparenz bei Umweltversprechen. Es wird deutlich, dass Unternehmen klare und verständliche Informationen über ihre Umweltversprechen bereitstellen müssen, um Verbraucher ausreichend aufzuklären.

Das OLG Düsseldorf hat in beiden Verfahren die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Dieser könnte damit wichtige Leitlinien für den Umgang mit Greenwashing-Vorwürfen und die Anforderungen an Transparenz und Information bei Umweltversprechen setzen.

Die EU plant, systematisch gegen Greenwashing vorzugehen

Die Europäische Kommission plant eine Aktualisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Europäischen Union im Zusammenhang mit dem European Green Deal, der bereits 2019 beschlossen wurde (Dem liegt eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen zugrunde (COM(2022) 143)). Ziel ist es, Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, den ökologischen Wandel mitzugestalten, indem sie informierte Entscheidungen über umweltfreundliche Produkte treffen können. Dazu soll der neue Richtlinienentwurf „zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen dienen.

Die geplante Richtlinie wird vor allem Auswirkungen auf den Bereich der Werbung haben. „Greenwashing“ soll in Zukunft verboten werden, indem die Anforderungen an zulässige Werbung verschärft und eine nachhaltige Produktpolitik geschaffen wird. Die vorgeschlagenen Änderungen sehen vor, die Liste der bereits verbotenen unlauteren Geschäftspraktiken um weitere Punkte zu erweitern, wie etwa

  • Fehlende Angaben über gezielte Beschränkungen der Lebensdauer eines Produkts, wie zum Beispiel Software, die die Funktionalität nach einem bestimmten Zeitraum mindert;
  • Allgemeine, vage Aussagen über Umwelteigenschaften, die nicht nachweisbar sind, wie zum Beispiel die Verwendung von Begriffen wie „umweltfreundlich“, „öko“ oder „grün“;
  • Umweltaussagen, die das gesamte Produkt betreffen, aber nur Teile des Produkts wirklich umfassen;
  • Die Kennzeichnung mit einem freiwilligen Nachhaltigkeitssiegel, das nicht von unabhängigen Stellen geprüft wurde; und
  • Fehlende Angaben über eingeschränkte Funktionsweisen, wenn andere Verbrauchsmaterialien, Ersatzteile oder Zubehör verwendet werden sollen.

Werbeaussagen müssten dann konkret belegbar sein und dürfen sich nicht auf das gesamte Angebot beziehen, wenn nur ein Teil des Produkts tatsächlich umweltfreundlich ist. Auch geplante Obsoleszenz, d.h. die bewusste verkürzte Lebensdauer eines Produkts, oder Inkompatibilitäten müssen transparent angegeben werden.

Für deutsche Unternehmen bedeutet dies, dass die Angaben zu umweltbezogenen Aspekten als wesentliche Informationen im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) anzusehen sind und den Anforderungen der Richtlinie entsprechen müssen. Verstöße gegen das neue Regelwerk können Schadensersatzansprüche für Verbraucher zur Folge haben.

Stimmen das Europäische Parlament und der EU-Rat dem Vorschlag zu, würden die EU-Verbraucherschutzvorschriften deutlich verschärft werden. Die Richtlinie muss dann von den Mitgliedsstaaten spätestens nach zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden und würde in manchen Bereichen sogar rückwirkend gelten. In Deutschland würde dies perspektivisch weitere Änderungen im Bereich des UWG und des Kaufrechts mit sich bringen.

Es droht eine Klagewelle, wenn Unternehmen ihre Umweltversprechen nicht belegen

Für die Zukunft ist zu erwarten, dass Greenwashing-Praktiken verstärkt unter die Lupe genommen werden und Unternehmen strengere Anforderungen erfüllen müssen, um ihre Umweltversprechen zu rechtfertigen. Die strengeren gesetzlichen Regelungen und unabhängige Zertifizierungsstellen können dazu beitragen, das Vertrauen in nachhaltige Werbung zu stärken und Greenwashing einzudämmen. Verbraucherinnen und Verbraucher werden weiterhin darauf achten, dass Unternehmen glaubwürdige und nachvollziehbare Nachhaltigkeitsmaßnahmen umsetzen. Dies wird nicht nur neue gesetzliche Regelungen mit sich bringen, sondern könnte auch zu einer gesteigerten Klageaktivität führen, sodass auch in naher Zukunft vermehrt mit gerichtlichen Entscheidungen zu Greenwashing zu rechnen sein wird.

Schlagworte zum Thema:  Unlautere Werbung, Marketing, Nachhaltigkeit