Sustainable User Experiences: nachhaltige Nutzererfahrung

Wie lassen sich digitale Produkte so gestalten, dass sie den CO₂-Fußabdruck reduzieren, Unternehmen erfolgreicher machen und gleichzeitig den Menschen nicht aus den Augen verlieren? Für Susanne Krämer und Oliver Bohl sind Sustainable User Experiences der Schlüssel.

Jeder Klick, den wir tätigen, wirkt sich negativ auf den CO2-Abdruck aus. Damit entsteht ein Spannungsfeld zwischen einer digitalen und zugleich nachhaltigen Wirtschaft. Gleichzeitig sind sich Expert:innen einig, dass die Zwillingstransformation – also die Dualität aus Nachhaltigkeit und Digitalisierung – Unternehmen erfolgreicher macht, indem sie nachhaltige Geschäftsmodelle stärkt, die durch Technologie erst ermöglicht werden.

Dreiklang aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit

Es gilt nun, das Spannungsfeld der Zwillingstransformation so zu lösen, dass Umwelt, Mensch und Unternehmen gleichermaßen profitieren. Gelingen kann dies durch einen Dreiklang aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit. Die Digitalisierungsbestrebungen im Rahmen der Plattformökonomie sollten dazu Hand in Hand gehen mit drei Perspektiven: Für Menschen gemacht – allerdings nicht (nur) mit dem Einzelnen, sondern (auch) mit der ganzen Menschheit im Fokus – dabei ökologisch nachhaltig und für die Betreibenden sinnvoll, effizient und lohnend im Sinne der ökonomischen Nachhaltigkeit.

Das klingt nach einer Herausforderung, ist aber machbar: In der Tat bietet die Digitalisierung zahlreiche Wege in eine ökologisch ausgewogene und kommerziell erfolgreiche Zukunft. Mithilfe digitaler Technologie können interne Prozesse besser gesteuert, kontrolliert und automatisiert werden. Es müssen dabei nicht gleich die großen Nachhaltigkeitssprünge sein. Bereits beim Gestalten digitaler Produkte können Digitalschaffende den CO₂-Fußabdruck der Anwendungen reduzieren. Und zwar mit Sustainable User Experience, kurz SUX.

SUX: Anwender:innen und Umwelt im Fokus

Gerade Bilder, Videos und Animationen im Web – und erst recht Augmented Reality- und Virtual Reality-Anwendungen im Spatial Computing – nutzen leistungsstarke Ressourcen, die wiederum CO₂-Emissionen verursachen. So weit, so bekannt. Eine Webseite lädt schneller, wenn die Datenmenge gering ist. Das ist klar und nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die Customer Experience. Die Website der Tomorrow-Bank etwa verwendet bunte Illustrationen und klare visuelle Texthierarchien. Das macht die Seite angenehm zu lesen und gleichzeitig umweltschonend: Laut CO₂ Emissions-Kalkulatoren für Websites werden hier 0,15 Gramm CO₂ pro Besuch freigesetzt. Im Vergleich dazu kommen Websites anderer Banken auf mehr als das Fünffache an CO₂.

Zugleich stellt sich die Frage, wie stark eine Seite individualisiert sein muss. Vielleicht reicht – zu Gunsten der Umwelt – etwas weniger auf den/die einzelne/n Nutzer:in zugeschnittene Individualisierung, ohne dass die Customer Experience (CX) darunter leidet. Für viele Kund:innen sind Bequemlichkeit und das ultimative digitale Erlebnis nicht mehr die einzigen Kriterien, wenn es beispielsweise um Onlineshopping geht. Keine Frage: Immersive Erlebnisse, Videos, 3D – digitale Services lassen sich im Sinne der Nutzererfahrung medial aufladen, bis ins letzte Pixel personalisieren und (Prozess-) optimieren. Gleichzeitig erfordert dies rechenintensive Vorgänge. Einerseits brauchen wir eine menschenzentrierte Digitalisierung, also eine Human Experience, mit einer optimierten, individuell relevanten CX. Die Herausforderung ist nun, dass diese nicht im Widerspruch zu einer nachhaltigen UX steht. Es gilt also, ein Maß an Personalisierung und Individualisierung von Erlebnissen und Services zu finden, das unsere Umwelt schont und zugleich den Wünschen der Nutzer:innen entspricht.

Doch welche Designparameter und Faktoren, die ein adäquates Nutzererlebnis gewährleisten, spielen bei SUX eine Rolle?

Nachhaltiges User Interface Design

Bei der Gestaltung digitaler Produkte gilt es heute, vorausschauend zu planen und – zum Beispiel durch den Einsatz von Designsystemen – modular zu gestalten, damit sie nach Jahren noch ohne großen Zusatzaufwand erweitert werden können. Eine solche weitsichtige Konzeption macht das Design nachhaltiger.

Und auch kleine Anpassungen zeigen Effekte: So lässt sich über die Wahl der Schriftart Energie sparen. Systemschriften laden in der Regel schneller als individuelle Hausschriften. Ob es im Sinne des Markenerlebnisses eine maßgeschneiderte Schriftart sein muss oder es eine nachhaltigere Systemschrift tut, ist Abwägungssache. Zugleich gelten auch der Dark Mode oder tendenziell dunklere Designs als Möglichkeit, Energie zu sparen. OLED-Bildschirme benötigen weniger Energie, um Inhalte darzustellen, und erwärmen sich nicht so stark, weil weniger Pixel beleuchtet werden müssen. Außerdem ist der Dark Mode augenschonender, also besser für die Nutzer:innen.

Sustainable IT durch intelligente Programmierung

Performante, leistungsstarke, digitale Lösungen sind heutzutage ein Muss für Kund:innen. Mit intelligenter Programmierung, durchdachter Softwarearchitektur und reduziertem Design lassen sich aber solche leistungsstarken Lösungen realisieren, die gleichzeitig umweltfreundlich sind. Etwa indem Entwickler:innen redundante Code-Strukturen vermeiden und effiziente Algorithmen nutzen.

Neue Kennzahlen im Projektmanagement digitaler Projekte

Jedes Unternehmen, das Nachhaltigkeit in seiner Strategie berücksichtigt, sollte zudem einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeitsmanagement in Projekten legen. Dafür braucht es auf Unternehmensseite ein Umdenken in der Marketingabteilung bzw. in der IT. Es gilt, neue Parameter sowie KPIs zu definieren, hinsichtlich der Frage, was eine gute SUX ausmacht. Denn während lange Zeit eine möglichst lange Verweildauer als Metrik entscheidend war, muss heute – im Sinne einer optimalen SUX – gelten: Je schneller ein/e User:in die gesuchten Inhalte findet und somit kürzer auf der Seite ist, umso besser.

Nachhaltigkeit muss also bereits auf Projektebene integriert werden. Selbst bei Projekten, deren (primäre) Ziele nicht direkt mit ökologischer Nachhaltigkeit zusammenhängen, sollte dieser Aspekt neben Umfang, Timing und Budget als zusätzliches Kriterium mit einbezogen werden. Und zwar in allen Projektphasen, also auch bei der Auswahl oder Gestaltung der IT-Infrastruktur, bei Software und Hardware.

Wenn SUX auf KI trifft

KI kann enorm viel Zeit sparen, automatisieren und macht Kreative mitunter effizienter. Schließlich werden Standardtätigkeiten von UX-Designer:innen künftig von performanten KI-Tools übernommen, viele Arbeitsprozesse zudem augmentiert. Die ökonomischen Potenziale – wie eine erhöhte Effizienz – liegen ebenso auf der Hand wie die sozialen, z.B. die höhere Fokussierung der Mitarbeitenden auf ihre Stärken. Aber: KI verbraucht sehr viel Energie – vor allem Strom und Frischwasser.

Unternehmen müssen daher einen Weg finden, die Vorteile von KI so einzusetzen, dass sie nachhaltig wirkt. Dies geschieht etwa mittels Predictive Maintenance in der Industrie. Dabei stehen Technologie und Nachhaltigkeit nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sorgen für einen Einklang von wirtschaftlichem Erfolg, Nutzer:innen- oder Mitarbeiterzufriedenheit und Ökologie.

SUX und eine gute Customer Experience sind also kein Widerspruch: Gerade im Kontext der Zwillingstransformation können Unternehmen und ihre Dienstleister die Vorteile der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit gleichermaßen nutzen. Ein Selbstverpflichtungskodex für gutes, nachhaltiges Design mit entsprechenden Schulungen könnte insbesondere Akteur:innen der Digitalwirtschaft dabei helfen, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Dabei müssen es nicht immer große Sprünge sein – auch kleine, kontinuierliche Schritte führen zum Ziel.

Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung, Software, Energieeffizienz