Unternehmerischer Klimaschutz - wie anfangen?

Paris-Agreement, Net-Zero-Ziele und EU-Green Deal, das Ziel ist klar: Unternehmerischer Klimaschutz, effektiv und im Einklang mit gesetzlichen Regulationen. Doch im Dschungel von Öko-Siegeln, EU-Vorschriften, nationalen Gesetzen und globalen Initiativen sowie deren Abkürzungen fällt es schwer, den Überblick zu behalten.

Wenn dann auch noch die Klima-Hotspots gar nicht der direkten Kontrolle des eigenen Unternehmens unterliegen, macht das die Sache nicht einfacher. Wo also ansetzen, welche Regeln beachten und welche Leitfäden zur Hilfe nehmen?

Scope 1-3

Nach dem GHG-Protokoll (Greenhouse Gas Protocol) werden durch Unternehmensaktivitäten verursachte Treibhausgasemissionen in drei Bereiche, sogenannte Scopes, unterteilt. Unter Scope 1 fallen alle CO2e-Emissionen, die direkt aus eigenen Aktivitäten resultieren, beispielsweise in Büros oder Produktionsstätten. Scope-1-Emissionen sind damit vor allem auf den Verbrauch fossiler Brennstoffe zurückzuführen. Mit dem Scope 2 wurde eine separate Kategorie für Emissionen aus eingekaufter Energie geschaffen und der Scope 3 umfasst alle indirekten Emissionen.

Scope 1 und 2-Emissionen sind vergleichsweise einfach zu verstehen und zu quantifizieren, da die Datenbeschaffung relativ unkompliziert ist. Den vor Ort verbrauchten Strom findet man beispielsweise einfach auf der Stromrechnung der einzubeziehenden Gebäude. Wie hoch die Emissionen in Scope 2 letztendlich ausfallen, ist stark abhängig von der Art der bezogenen Energie. Ökostrom, bzw. erneuerbare Energien haben einen deutlich niedrigeren Emissionsfaktor (also CO2e pro Kilowattstunde) als Energie aus nicht-regenerativen Quellen.

Der größte und komplexeste Teil des Unternehmens-CO2-Fußabdrucks wird im Scope 3 zusammengefasst. Dieser umfasst alle indirekten vor- und nachgelagerten Emissionen, die nicht in Scope 2 enthalten sind und in der Wertschöpfungskette entstehen. Zur besseren Übersicht umfasst Scope 3 verschiedene Unterkategorien: Die ersten acht Kategorien beziehen sich dabei auf vorgelagerte Emissionen, zum Beispiel durch eingekaufte Güter und Dienstleistungen, Geschäftsreisen und gemietete Sachanlagen. Die letzten sieben Kategorien beziehen sich auf die nachgelagerten Treibhausgasemissionen und umfassen unter anderem den nachgelagerten Transport und Distribution, die Weiterverarbeitung verkaufter Produkte, deren Nutzung und Lebensende sowie vermietete Sachanlagen.

Branchenabhängige CO₂-Hotspots in der Praxis

Im Corporate Climate Responsibility Monitor werden die Klimaberichte multinationaler Unternehmen untersucht. Durch die Berichte der letzten Jahre zeichnet sich ein durchgängiges Bild: Der absolute Großteil der Unternehmensemissionen in allen Branchen liegt im Scope 3, mit dem Spitzenreiter „Eingekaufte Waren und Dienstleistungen“ bei den Unterkategorien. In den Bereichen Automobil und Elektronik spielt auch die Nutzungsphase der verkauften Güter eine bedeutende Rolle. Die folgende Übersicht schlüsselt die Haupttreiber des Unternehmens-CO2e-Fußabdrucks mit einem Unternehmen je Sektor beispielhaft auf und kann zur Einordnung der branchenspezifischen Hotspots genutzt werden:

  • Unternehmensberatung, Beispiel Accenture: 80 Prozent in Scope 3, davon u.a. eingekaufte Waren und Dienstleistungen 48 Prozent und Geschäftsreisen 31 Prozent
  • E-Commerce, Beispiel Amazon: 77 Prozent in Scope 3 und insgesamt 20 Prozent in der Unterkategorie eingekaufte Waren, wobei nur Eigenmarke-Produkte berücksichtigt wurden
  • Elektronik, Beispiel Apple: 95 Prozent in Scope 3, hiervon ⅔ eingekaufte Waren und ⅓ die Nutzung der verkauften Produkte
  • Logistik, Beispiel DHL: 82 Prozent in Scope 3, nicht überraschend durch vorgelagerten Transport und Distribution durch Subunternehmen
  • Informationstechnologie, Beispiel Google: 59 Prozent in Scope 3 und 41 Prozent in Scope 2 durch den Energieverbrauch der Rechenzentren
  • Möbel, Beispiel Ikea: 99 Prozent in Scope 3, großteils durch Gewinnung und Verarbeitung der Rohstoffe
  • Textilien, Beispiel H&M: 93 Prozent in Scope 3, hauptsächlich durch eingekaufte Textilwaren und deren Nutzung
  • Automobil, Beispiel Mercedes-Benz: 99 Prozent in Scope 3, wobei die Nutzungsphase die größte Relevanz hat, gefolgt durch den Wareneinsatz

Der Blick in die Klimabilanz anderer Unternehmen aus der gleichen Branche hilft, eigene Schwerpunktthemen zu identifizieren und sogar konkrete Kennzahlen zu vergleichen.

Spezifische Regelwerke und Initiativen helfen bei der Umsetzung

Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Direktive) der EU setzt Anforderungen an die Bilanzierung und verpflichtet schrittweise immer mehr Unternehmen zur Messung und Offenlegung ihrer CO2e-Emissionen basierend auf den ESRS (European Sustainability Reporting Standards). Ein standardisiertes Regelwerk ist ein Fortschritt, aber wer Hilfe bei der konkreten Umsetzung sucht, wird hier nicht fündig. Insbesondere bei den kritischen Scope-3-Emissionen gibt es hier einigen Spielraum.

Für detaillierte Analysen im Scope 3 eignen sich ergänzend zum Unternehmens-CO2-Fußabdruck die Ermittlung von Wertschöpfungsketten- oder Produkt-CO2-Fußabdrücken (PCF).

Neben einer zunehmenden Vielfalt an digitalen Tools, welche bei der Erfassung, Analyse und dem standardkonformen Reporting helfen und idealerweise branchenspezifische Konfigurationen anbieten, gibt es einige sowohl sektorübergreifende als auch -spezifische Initiativen und Richtlinien, die hilfreich sind:

1. Das GHG-Protokoll (GHGP)

Auch wenn die Lektüre dieses Standard-Regelwerks herausfordernd sein kann, steckt es voller Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Checklisten für unternehmerischen Klimaschutz. Es gilt als Standardwerk für die Bilanzierung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen und stellt die Basis vieler weiterer Guidelines dar.

2. Science Based Targets Initiative (SBTi)

Die SBTi hilft Unternehmen, wissenschaftlich fundierte Ziele für die Emissionsreduzierung festzulegen, die im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen stehen. Unternehmen erhalten technische Unterstützung und es wird eine Reihe von Anleitungen und Instrumenten bereitgestellt, um Auswirkungen zu messen und darüber Bericht zu erstatten. Vor allem der Net-Zero Standard wird von Expert:innen als ambitioniert und zielführend eingeschätzt und gilt somit als Best practice für Unternehmen.

3. Pathfinder Framework (PACT)

Diese Guidelines sollen komplexere Regelwerke wie das GHG-Protokoll verständlicher und zugänglicher machen. Es enthält eine Reihe von Nachhaltigkeitszielen und -indikatoren, die auf den SDGs und anderen Zielen basieren, sowie Instrumente, die Unternehmen nutzen können, um ihre Fortschritte festzulegen und zu verfolgen.

4. Sektorspezifische Initiativen

Sektorspezifische Initiativen wie die Product Environmental Footprint (PEF) Guidelines der EU, Together for Sustainability (TfS) in der Chemiebranche oder der EN 15804 Standard für die Baubranche geben weitere wertvolle Tipps, wie CO2e-Emissionen gemessen, reported und anschließend wirkungsvolle Reduktionsmaßnahmen eingeleitet werden können.

Heute anfangen, um auf Morgen vorbereitet zu sein

Zusammenfassend ist damit die Richtung, die Unternehmen jetzt einschlagen sollten, eindeutig: grob die Klima-Hotspots des eigenen Geschäftsmodells verstehen und dann gezielt dort in die Tiefe gehen, mithilfe digitaler Tools und vorliegenden Regelwerken. Dazu gehört in der Regel kurzfristig erste Erfolge im Scope 1 und 2 durch den Umstieg auf erneuerbare Energien zu erzielen und sich parallel auf die komplexeren Emissionen entlang der Wertschöpfungskette also im Scope 3 zu konzentrieren. Je nach Branche ergeben sich hierbei unterschiedliche Schwerpunkte, der Bereich eingekaufte Waren und Dienstleistungen setzt sich aber über alle Industrien hinweg als zentraler Klimawandel-Treiber durch. Das erkennen auch die regulatorischen Instanzen und ziehen Vorschriften und Gesetze zunehmend an. Eine frühzeitige, tiefgehende Auseinandersetzung ist nicht nur wichtig für das Klima, sondern bereitet Unternehmen auf die zunehmenden Anforderungen im Bereich Klimaschutz vor und minimiert bisher unbekannte Risiken.

Schlagworte zum Thema:  Emission, Klimaschutz, Nachhaltigkeitscontrolling