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Scope 3 Emissionen

Die meisten Unternehmen konzentrieren sich bei der Analyse ihrer Treibhausgasemissionen auf die direkten Emissionen. Dabei sind Emissionen entlang der Wertschöpfungskette (Scope 3) für 75 bis 99 Prozent der Gesamtemissionen verantwortlich. Diese Emissionen werden oft vernachlässigt, da sie komplex und schwer zu erfassen sind. Dabei liegt hier das größte Reduktionspotential.

Nach dem Greenhouse Gas Protocol (ein internationaler Standard zur Berechnung von Treibhausgasemissionen) werden von Unternehmen verursachte GHG-Emissionen in drei Scopes unterteilt. Scope 1 umfasst direkte Emissionen aus unternehmenseigenen Quellen, Scope-2-Emissionen werden indirekt durch Energie verursacht, und Scope 3 umfasst alle indirekten vor- und nachgelagerten Emissionen. Also zum Beispiel Mitarbeiterreisen, Gütertransport und vor allem eingekaufte Produkte oder Materialien. Der letzte Bericht des Carbon Disclosure Project zeigt, dass Scope-3-Emissionen durchschnittlich für 75 Prozent der Gesamtemissionen verantwortlich sind. In den Sektoren Mode, Handel und Automobil machen sie sogar über 95 Prozent aus.

Realitätscheck: große Lücken bei unternehmerischen Nachhaltigkeitsversprechen

Im Corporate Climate Responsibility Monitor 2023 wird ein Überblick über die Scope-3-Emissionen von 24 großen Unternehmen gegeben und ihre Nachhaltigkeitsversprechen untersucht. Die Gesamtemissionen dieser Unternehmen, darunter Amazon, Apple, BMW, Google, machen insgesamt etwa 5 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen aus. Durchschnittlich 87 Prozent davon sind Scope-3-Emissionen, also Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette entstehen. Trotzdem werden diese bei Klimaschutzzielen häufig nicht berücksichtigt. Im Gegenteil; die gleiche Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Klima-Neutralitätsbehauptungen von Unternehmen im Jahr 2020 durchschnittlich nur etwa 1,5 Prozent des tatsächlichen Unternehmens-CO2-Fußabdrucks abgedeckt haben.

Der Schattenbereich der Ökobilanz: Herausforderungen und Chancen von Scope 3

Warum aber werden die Emissionen entlang der Wertschöpfungsketten, die für den Großteil des Unternehmens-Fußabdrucks verantwortlich sind, bisher meistens nicht erfasst? Im Folgenden geht es um die fünf größten Hürden und dort liegenden Chancen:

Herausforderung 1: Verantwortlichkeit

Die CO2e-Emissionen, die für das eine Unternehmen zu Scope 3 zählen, sind die Scope-1-Emissionen eines anderen Unternehmens entlang der Lieferkette. Dabei ist es wichtig, dort anzusetzen, wo auch der Großteil der meistens indirekten Emissionen anfällt und die Geschäftspartner:innen gleich mit in die Verantwortung zu nehmen.

Chance: Wissen darüber, wie gut Lieferanten beim Thema CO2e aufgestellt sind, führt zu schärferen Risikoprofilen und letztendlich optimierten Lieferketten.

Herausforderung 2: Berechnung

Berechnungen von Scope-3-Emissionen basieren oft auf Finanzdaten anstelle von Aktivitätsdaten, was zu einer ausgabenbasierten CO2e-Berechnung führt. Diese unterliegen häufig groben Fehleinschätzungen und ermöglichen keinerlei Steuerung.

Chance: Unternehmen, die Berechnungen genauer und präziser durchführen, können gezieltere Reduktionsmaßnahmen ergreifen und dort ansetzen, wo der Hebel zu effektivem Klimaschutz am größten ist.

Herausforderung 3: Komplexität

Scope-3-Emissionen sind breit gefächert und variieren stark je nach Unternehmensart. Dadurch sind sie der komplexeste Teil der Klimabilanz und am aufwändigsten zu erfassen, dabei mangelt es nicht nur an Daten, sondern auch an deren Qualität.

Chance: Tools mit intelligenter Software und selbstlernenden Algorithmen helfen bei der automatisierten Datenerfassung und -verarbeitung und reduzieren den Aufwand. Und sie befähigen auch bisherige Anfänger:innen auf dem Gebiet, Erkenntnisse und Maßnahmen abzuleiten.

Herausforderung 4: Standards

Es ist schwierig einen Überblick zu relevanten Gesetzesgrundlagen, Richtlinien und Initiativen zu haben. Außerdem erfordert die Umsetzung der vorhandenen Standards Fachwissen, das macht es für KMUs besonders schwer.

Chance: Die Orientierung und Umsetzung von (inter-) nationalen Standards schafft Klarheit und Vergleichbarkeit, insbesondere Brancheninitiativen bieten zusätzlich wertvolles Spezialwissen. Viele Richtlinien befinden sich noch in Entwurfsphasen und ermöglichen es Unternehmen, ihre Bedürfnisse und Anforderungen noch frühzeitig in die Entwicklung einzubringen.

Herausforderung 5: Kommunikation

Die oben beschriebene Komplexität der Scope-3-Emissionen erschwert die verständliche Kommunikation an Stakeholder.

Chance: Indem Unternehmen transparent über ihre Scope-3-Emissionen berichten und Maßnahmen zur Reduktion kommunizieren, können sie ihr Markenimage verbessern, das Vertrauen von Kund:innen, Stakeholdern und Mitarbeitenden gewinnen und sich heute noch als innovativer Vorreiter positionieren.

Vorsprung durch Wissen: wie schaffen Unternehmen 100 Prozent

Das Verständnis für die vollständigen CO2e-Emissionen ist für Unternehmen heute wichtiger denn je, um in einer nachhaltigen Zukunft erfolgreich zu sein. Entsprechend der sich daraus ergebenden Risiken und Chancen, muss das Thema auf die Agenda der Geschäftsführung und von dort aus in die gesamte Organisation getragen werden. Der Weg zu einem vollständigen Verständnis der Emissionen erfordert dann ein schrittweises Vorgehen. Die grobe Identifikation der kritischen Bereiche und größten Hebel lässt sich mithilfe moderner Software schnell erreichen und schafft die Grundlage für eine vertiefte, sich iterativ verbessernde Analyse und messbare Steuerung. Eine hundertprozentige Genauigkeit wird es dabei bis auf Weiteres nicht geben. Stattdessen gilt es, das Paretoprinzip anzuwenden und den eigenen Aufwand auf die relevanten CO2-Treiber zu konzentrieren.

Unternehmen, die heute schon beginnen ihre 75 bis 99 Prozent CO2e-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette zu verstehen, minimieren nicht nur Risiken, sondern erhöhen aktiv die eigene Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit.

Schlagworte zum Thema:  Emission, Klimaschutz, Nachhaltigkeitscontrolling