Klimaklagen

Fischer verklagen Konzern – Schweizer Gericht lässt Klimaklage gegen Holcim zu


Klimaklage gegen Holcim

Der Klimawandel gilt als globales Problem, das schwer greifbar und politisch aufgeladen ist. Doch vor dem Kantonsgericht Zug in der Schweiz wird es nun sehr konkret. Vier Bewohner einer kleinen indonesischen Insel klagen gegen den Baustoffkonzern Holcim – und das Gericht entschied nun, dass die Klage zulässig ist. Für Unternehmen ist dieser Entscheid mehr als ein juristisches Detail. Klimarisiken werden somit zivilrechtlich relevant.

Damit wird Klimawandel zur Zivilsache

Das Kantonsgericht Zug hat Mitte Dezember entschieden, auf die Klimaklage gegen Holcim einzutreten. Dabei geht es nicht um Schuld oder Haftung, sondern um eine vorgelagerte, aber zentrale Frage: Darf ein Zivilgericht überhaupt über klimabedingte Schäden urteilen, die tausende Kilometer entfernt entstanden sind? Die Antwort der Richter lautet: ja. 
 
Die Kläger leben auf der indonesischen Insel Pari, einer flachen Koralleninsel vor Jakarta, die zunehmend vom steigenden Meeresspiegel betroffen ist. In der Klage schildern sie bereits eingetretene Folgen des Klimawandels: häufige Überschwemmungen, versalztes Trinkwasser, zurückgehende Fischbestände und der Einbruch des Tourismus. Fischfang und kleine Gästehäuser waren zentrale Einkommensquellen, doch beides ist nun stark beeinträchtigt. Diese Entwicklungen hätten nicht nur wirtschaftlichen Schaden verursacht, sondern auch ihre Lebensqualität, ihre Gesundheit und ihr seelisches Wohlbefinden beeinträchtigt, so die Kläger.

Keine Popularklage, sondern konkrete Betroffenheit

Holcim hingegen argumentiert, der Klimawandel betreffe die halbe Weltbevölkerung und könne daher nicht Gegenstand einzelner Zivilklagen sein. Das Gericht folgt dieser Sicht nicht. Entscheidend sei, dass die Kläger nicht abstrakte Risiken geltend machen, sondern konkrete, bereits eingetretene Schäden, für die es keine zumutbaren individuellen Ausweich- oder Anpassungsmöglichkeiten gebe. 
Anders als etwa bei den bekannten „Klima Seniorinnen“-Fällen gehe es hier nicht um eine zukünftige Gefahr oder um politische Zielsetzungen, sondern um eine unmittelbare, existenzielle Betroffenheit. Diese konkrete Verwundbarkeit verleihe den Klägern ein schutzwürdiges rechtliches Interesse, das eine gerichtliche Prüfung rechtfertige. 
 
Unternehmen können sich nicht hinter der Größe des Problems verstecken 
Ein weiterer zentraler Punkt des Urteils betrifft die Frage der Verantwortung einzelner Unternehmen. Holcim brachte vor, der eigene Beitrag zum Klimawandel sei marginal und könne den Meeresspiegelanstieg nicht aufhalten. Auch dieses Argument lässt das Zuger Gericht nicht gelten. Wäre es überzeugend, könnte sich jeder Akteur mit Verweis auf die globale Dimension seiner Verantwortung entziehen.  
Das Gericht hält ausdrücklich fest, dass ein Unternehmen nicht allein für den Klimawandel verantwortlich sein muss, um dennoch eine individuelle Pflicht zur Emissionsreduktion zu haben. Jeder Beitrag sei relevant, und die Tatsache, dass auch andere emittieren, entbinde nicht von der eigenen Verantwortung.

Darum wird speziell gegen Holcim geklagt

Holcim gehört zu den weltweit größten Zementherstellern und ist für erhebliche CO₂-Emissionen verantwortlich. Zement gehört zu den emissionsintensivsten Baustoffen, rund acht Prozent der globalen CO₂-Emissionen gehen auf die Branche zurück. Holcim steht damit exemplarisch für einen Industriezweig, der ohne tiefgreifende Transformation kaum klimakompatibel wird. In der Klage wird darauf hingewiesen, dass das Unternehmen über seine Geschichte hinweg mehr Treibhausgase ausgestoßen habe als etwa die ganze Schweiz. Gleichzeitig positioniert sich Holcim seit Jahren als Vorreiter beim klimafreundlichen Bauen und verfolgt eine Netto-Null-Strategie. 
Gerade dieser Widerspruch sei juristisch relevant: Wer Klimaziele formuliert und öffentlich kommuniziert, erkennt damit implizit an, dass Emissionsreduktion notwendig und möglich sind. Genau an diesem Punkt setzt die rechtliche Argumentation an.

Was das Urteil für das Unternehmen bedeutet

Der Entscheid verpflichtet Holcim noch zu nichts. Aber er verschiebt den Rahmen. Klimastrategien sind damit nicht mehr nur Fragen der Reputation, der Regulierung oder der Berichterstattung, sondern können Gegenstand zivilrechtlicher Verfahren werden. Das betrifft nicht nur die „Carbon Majors“, sondern grundsätzlich alle Unternehmen mit relevanten Emissionen und globalen Lieferketten.  
Für Nachhaltigkeitsverantwortliche heißt das: Klimaziele und Strategien sollten nicht nur ambitioniert, sondern auch belastbar und konsistent sein. Zwar ist noch offen, ob Holcim in der Sache haftbar gemacht wird. Doch schon die Zulassung der Klage verändert die Risikolage der Unternehmen. Klimastrategien müssen rechtlich abgesichert werden und vor Gericht erklärt werden können.


Schlagworte zum Thema:  CSRD , Green Tech , Nachhaltigkeit
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