Energiewende? Läuft! Sogar von unten
Die Energiewende in Deutschland ist ein Erfolgsmodell. Sie hat steil begonnen, als es den Begriff „Energiewende“ noch gar nicht gab, und in den letzten Jahrzehnten bedeutende Fortschritte erzielt, insbesondere beim Ausbau von Wind- und Solarenergie. Und sie hat ein enormes Potenzial, sich im Zuge der Digitalisierung durch intelligente Netze und effizientere Steuerung von Energieflüssen noch zu beschleunigen. Die Energiewende ist ökologisch klug und geopolitisch weitsichtig: Wer seinen Strom lokal erzeugt, macht sich unabhängig – von Gasimporten, von internationalen Krisen, von fossilen Märkten.
Denn auch im Hinblick auf die Stromversorgung ist die lokale Lösung für globale Probleme schlichtweg: naheliegend. Und am Ende profitieren auch die Menschen – nicht nur ideell, sondern ganz konkret mit geringeren Kosten, regionaler Wertschöpfung und mehr Einfluss auf das, was sie versorgt.
Wenn Gemeinden, Stadtviertel oder sogar einzelne Haushalte ihren Strom selbst herstellen, dezentralisieren wir die Stromerzeugung. Dafür müssen viele kleine Anlagen wie Photovoltaik auf Dächern, Blockheizkraftwerke in Gebäuden oder Windräder am Ortsrand gebaut werden. Solche dezentralen Strukturen ermöglichen die Entwicklung sogenannter Smart Grids. Das sind intelligente Stromnetze, die Erzeugung, Speicherung und Verbrauch von Strom digital vernetzen und so Angebot und Nachfrage in Echtzeit ausgleichen können.
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Diese Technologien sind bereits verfügbar und werden in vielen Regionen eingesetzt. Ein weiterer Vorteil der dezentralen Stromerzeugung ist die Reduktion von Leitungsverlusten, da der Strom näher am Ort des Verbrauchs produziert wird. Dadurch werden die überregionalen Übertragungsnetze entlastet. Klingt alles gut, oder?
Eine dezentrale Energieversorgung ist schlicht und einfach: klug gedacht. Sie erhöht die Versorgungssicherheit und trägt zur Unabhängigkeit von großräumigen Infrastrukturen bei. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind flexible Stromtarife, wie sie beispielsweise in Kalifornien verbreitet sind. Solche Tarife setzen Preissignale, die Verbraucher:innen und Unternehmen dazu anregen, Strom vor allem dann zu nutzen oder zu speichern, wenn ein Überangebot besteht und die Preise niedrig sind. Dadurch kann die Integration erneuerbarer Energien ins Stromsystem effizienter gestaltet und das Netz besser stabilisiert werden.
Das EEG: Deutschlands stärkster Hebel
Die Basis für das Erfolgsmodell haben wir in Deutschland früh gelegt: das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es wurde im Jahr 2000 eingeführt und hat den Durchbruch der erneuerbaren Energien maßgeblich vorangetrieben. Eine Pointe dabei ist die Kombination aus klugen Anreizen und langfristiger Planungssicherheit – um die garantierte Einspeisevergütungen beneidet man uns weltweit.
Betreiber:innen von Solar-, Wind- oder Biomasseanlagen wurde im EEG nämlich zugesichert, dass sie ihren Strom über einen Zeitraum von meist 20 Jahren zu einem garantierten Preis verkaufen konnten. Diese finanzielle Stabilität senkte das Investitionsrisiko und sorgte dafür, dass sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen verstärkt in erneuerbare Energien investiert haben. Gleichzeitig erleichterte das EEG durch den Ausbau des Angebots den Zugang erneuerbarer Energien zum Strommarkt – eine echte Starthilfe für den Ausbau von Windparks, Solaranlagen und Biogasanlagen im ganzen Land.
Es ging bei der Einführung des EEG vor gut 25 Jahren aber nicht nur um Zahlen, sondern auch um Vertrauen, und das war immens wichtig: Die Aussicht auf verlässliche Vergütungen gab Investoren die notwendige Gewissheit, dass sich ihr Engagement langfristig auszahlen würde – “Planungssicherheit“ ist hier das Zauberwort. Und mit steigenden Investitionen und technologischem Fortschritt sowie sinkenden Preisen je kWh aus Erneuerbaren ist tatsächlich auch die Akzeptanz in der Gesellschaft gewachsen. Die Menschen haben gesehen, dass die Energiewende nicht nur eine politische Vision war, sondern dass sie eine wirtschaftlich tragfähige und umweltfreundliche Realität wurde.
Dieses Zusammenspiel aus klugen politischen Rahmenbedingungen, wirtschaftlichen Anreizen und gesellschaftlicher Unterstützung hat Deutschland zu einem Vorreiter im Bereich der erneuerbaren Energien gemacht und die Grundlage für eine nachhaltige Energiezukunft gelegt.
Damit der Strom auch ankommt
Heute steht die Energiewirtschaft in Deutschland vor einem grundsätzlichen Problem: Zwar wird immer mehr Strom dezentral erzeugt – vor allem durch Windkraft im Norden und Photovoltaik auf Dächern im ganzen Land –, das Stromsystem selbst ist aber weiterhin stark zentral organisiert. Der notwendige Ausbau und die Modernisierung der
Stromnetze sind nämlich nicht im gleichen Tempo vorangekommen. Insbesondere der Ausbau der sogenannten Übertragungsnetze, die den Strom aus windreichen Regionen im Norden in die Verbrauchszentren im Süden transportieren sollen, kommt nur langsam voran.
Hier besteht dringender Handlungsbedarf: Von den rund 12.000 Kilometern neuer Stromleitungen, die im Rahmen des Netzentwicklungsplans bis 2030 vorgesehen sind, wurden bis Anfang 2025 erst magere 2.500 Kilometer realisiert – und das, obwohl das Ganze seit über zehn Jahren geplant ist. So gefährdet der schleppende Netzausbau die Integration dezentral erzeugten Stroms.
Dabei wäre es so sinnvoll, den Strom genau dort hinleiten zu können, wo er tatsächlich gebraucht wird. Stattdessen kann der Strom aus erneuerbaren Quellen oft nicht vollständig abtransportiert werden, weil die dafür notwendigen Netzkapazitäten fehlen. In solchen Fällen müssen Windkraftanlagen zeitweise abgeschaltet werden. Das kostet jährlich Milliarden und sorgt für viel Spott unter den Skeptikern. Dabei ist das Phänomen ein klassisches Beispiel dafür, dass die Infrastruktur mit der technologischen Entwicklung und dem Ausbau der erneuerbaren Energien nicht Schritt gehalten hat. Und es zeigt, dass eine weiterhin zentralisierte Netzstruktur mit langen Transportwegen nur schlecht zu den Anforderungen einer zunehmend dezentralen und flexiblen Energieversorgung passt. Dabei ist das Stromnetz die Grundlage dafür, dass die Energiewende überhaupt gelingen kann.
Ein wichtiger Hebel für den Umbau des deutschen Stromnetzes sind die Nord-Süd-Trassen wie SuedLink und SuedOstLink. Diese sogenannten Stromautobahnen können den im Norden Deutschlands erzeugten Windstrom effizient in die Verbrauchs- und Industriezentren im Süden transportieren und so bestehende Engpässe im Netz beseitigen. Allerdings verzögern langwierige Genehmigungsverfahren, Bürgerproteste entlang der Trassenführung und ein Mangel an Fachkräften den Netzausbau seit Jahren ganz erheblich. Außerdem muss das Netz nicht nur besser ausgebaut, sondern auch intelligenter werden, um die Herausforderungen einer dezentralen Energieversorgung zu bewältigen.
Dazu gehört der verstärkte Einsatz von Mess-, Regelungs- und Kommunikationstechnik, um Netzspannungen zu stabilisieren und den Stromfluss flexibel zu steuern. Ohne Smart Grids und moderne Speichersysteme wird das kaum gehen. Anstatt erneuerbare Energie ungenutzt abregeln zu müssen, können Batteriespeicher oder die Erzeugung von grünem Wasserstoff als flexible Puffer dienen und die Integration erneuerbarer Energien ins Stromsystem weiter verbessern.
Gut gemacht
Übergreifende Kooperationen sind gerade auch im Bereich der Energieversorgung ein sehr wirksames Mittel, um voranzu- kommen. So lag meinem Vorgänger im BAUM-Vorsitz, Maximilian Gege, beispielsweise die Solarthermie sehr am Herzen.
Dafür entwickelte er die Kampagne „Solar – na klar!“, die später von der EU als bester nationaler Beitrag im Bereich erneuerbare Energien ausgezeichnet wurde. 1999 gestartet und auf drei Jahre angelegt, wurde sie zur größten deutschlandweiten und herstellerneutralen Informationskampagne für Solarwärme.
„Solar – na klar!“ versammelte erstmalig alle wichtigen Akteure aus dem Bereich Solarthermie: Hersteller, Planerinnen, Handwerker. Rund 8.000 Handwerksbetriebe nahmen teil und weit mehr als 100.000 Menschen erhielten Informationsmaterialien.
Die Kampagne verhalf der Technologie zum Marktdurchbruch und ein Großteil des rund 40-prozentigen Marktwachstums indieser Zeit war sicherlich auf das von Maximilian Gege entwickelte Kampagnen- und Kommunikationskonzept und dessen Umsetzung zurückzuführen.
Mehr Effizienz
Was wir jetzt noch brauchen, ist eine konsequente Steigerung der Energieeffizienz – so, wie es die Schweizer:innen machen. Die schaffen es seit Jahren, bei wachsender Bevölkerung den Energieverbrauch pro Kopf zu senken und den Gesamtenergieverbrauch konstant zu halten.
Möglich wird das durch den konsequenten Einsatz effizienter Technologien: moderne Wärme- und Umwälzpumpen etwa und energieeffiziente Gebäudehüllen. Ein super Vorbild! Ein oft zitiertes Motto in diesem Zusammenhang stammt von Volker Hauff, ehemals Mitglied der Brundtland-Kommission (die das Konzept der nachhaltigen Entwicklung geprägt hat), später Bundesminister und Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung: „Die sauberste Energie ist die, die gar nicht erst verbraucht wird.“ Recht hat er.
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