Insetting – Klimaschutz in der eigenen Lieferkette effektiv umsetzen
Was ist Insetting?
Im Gegensatz zu sogenannten „Offsets“, unter denen man „diskrete Treibhausgasreduktionen [versteht], die zum Ausgleich (d.h. zur Kompensation) von Treibhausgasemissionen an anderer Stelle verwendet werden [und] die ein hypothetisches Szenario für die Emissionen darstellt, die ohne das Projekt entstanden wären (eigene Übersetzung der Autorinnen aus GHG Protocol, S.59), werden beim sogenannten „Insetting“ Maßnahmen finanziert, die direkt innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette eines Unternehmens stattfinden. Wie in dem Artikel „Die Treibhausgasbilanz – das Herzstück der Klimaberichterstattung“ beschrieben, sind es vor allem die Scope 3-Emissionen, die den größten Teil der Gesamtemissionen verursachen. Ein Schlüssel zur Reduktion von Scope 3-Emissionen liegt daher in der Dekarbonisierung von Prozessen im Up- und Downstream und hier besonders in Verbindung mit den Lieferanten.
Allgemein werden Zertifikate bzw. handelbare Einheiten, die die Reduktion oder den Entzug von einer Tonne CO2e repräsentieren, als „Carbon Credits“ definiert ( SBTi Glossary) Im aktuellen Draft der Land Sector and Removal Guidance (LSRG) des GHG Protocols wird von „Inset Credits“ gesprochen, wenn ein quantifizierbares Projekt oder umfassendere Interventionen innerhalb der Wertschöpfungskette eines Unternehmens zu einer THG-Reduktion führen und als Zertifikat von dem Unternehmen, welches das jeweilige Projekt durchführt, auf das Unternehmen, welches das Zertifikat erwirbt, übertragen wird.
Der entscheidende Unterschied zwischen Offsetting und Insetting ist, dass es sich bei letzterem um Projekte handelt, die Emissionen innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette an Standorten und in Prozessen von Lieferanten vermeiden, reduzieren oder entziehen, statt außerhalb der Wertschöpfungskette Maßnahmen zu finanzieren.
Allgemein ist der entscheidende Unterschied zwischen Offsetting und Insetting, dass es sich bei letzterem um Projekte handelt, die Emissionen innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette an Standorten und in Prozessen von Lieferanten vermeiden, reduzieren oder entziehen, statt außerhalb der Wertschöpfungskette Maßnahmen zu finanzieren. Innerhalb der Definition von Insetting gibt es wiederum Unterscheidungen. Strenge Definitionen sprechen nur bei zertifizierten Credits innerhalb der Wertschöpfungskette von Insetting. Daneben gibt es auch Definitionen, die die Maßnahmen entlang der Wertschöpfungskette weiter auslegen und auch Aktivitäten als Insetting beschreiben, die nicht offiziell zertifiziert sind (World Business Council for Sustainable Development, WBCSD, 2024).
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Obwohl viele Unternehmen bereits heute Insetting-Projekte in der Praxis umsetzen, gibt es bisher weder eine einheitliche Definition noch eine offizielle Regelung, wie diese Praxis in der eigenen THG-Bilanz verrechnet und als Reduktionsmaßnahme kommuniziert werden darf. Sowohl Anbieter von Offsetting-Zertifikaten als auch Insetting-Zertifizierer wünschen sich strengere Regeln hinsichtlich Qualität, Wirkung und Transparenz. So fordert die International Plattform for Insetting (IPI) bereits 2021 in einem „ Insetting Manifesto“ Leitlinien, „die Unternehmen klare Methoden dafür an die Hand geben, wie sie durch Insetting-Maßnahmen erzielte CO2-Vorteile geltend machen können und dazu beitragen, die Transformation von Wertschöpfungsketten zu einer klimaneutralen und naturpositiven Weltwirtschaft zu beschleunigen“. Dieses Dokument wurde unter anderem von Accor, Burberry, H&M und Nestlé unterschrieben. Es wird darin gefordert, dass das Verständnis von Insetting nicht nur handelbare Zertifikate einbeziehen soll, sondern auch nicht zertifizierte CO2-Einsparungen in der Wertschöpfungskette einschließen soll.
FAQ zu Insetting 1. Was ist Insetting? 2. Worin liegt der Unterschied zwischen Offsetting und Insetting? 3. Gibt es verbindliche Standards für Insetting? 4. Welche Vorteile bietet Insetting für Unternehmen? |
Obwohl einheitliche Standards und klare Rahmenwerke weiterhin fehlen, gibt die aktuell als Draft vorliegende Land Sector and Removal Guidance des GHG Protocols bereits konkrete Hinweise. Ebenso erwägt die Science Based Targets initiative (SBTi), den künftigen Net-Zero-Standard für die Nutzung von Environmental Attribute Certificates (EACs) zu öffnen – worunter auch Insetting Zertifikaten fallen sollen.
Insetting: Aktuelle Situation
In bisherigen Rahmenwerken wurde noch keine Differenzierung zwischen Insetting und Offsetting vorgenommen, stattdessen sprechen das GHG Protocol, die SBTi, das UBA und die ISO-Norm 14064 bisher nur von „Credits“ oder „Offsets“. An diese werden verschiedene Anforderungen gestellt, wie die „Zusätzlichkeit“ von Maßnahmen, die „Dauerhaftigkeit“ oder die „Vermeidung von Doppelzählungen“. Sowohl im Scope 3-Standard als auch im PCF-Standard des GHG Protocols heißt es, dass Offsets separat vom Inventar zu berichten sind und nicht vom Gesamt-THG-Inventar abgezogen werden dürfen. Auch bei SBTi wird die Nutzung von Credits bisher ausgeschlossen. Lediglich Reduktionsmaßnahmen, die vollständig in der eigenen Wertschöpfungskette liegen und deren Einsparungen physisch nachvollziehbar mit dem bezogenen Produkt verbunden sind, können im THG-Inventar eingerechnet und für die Zielsetzung genutzt werden.
Insetting: Welche Änderungen sind zu erwarten?
Die vom GHG Protocol voraussichtlich bis Ende 2025 final veröffentlichte Land Sector and Removal Guidance behandelt explizit den Ansatz des Insettings. Der vorliegende Entwurf gibt einen Einblick: Statt eines komplexen Credit-Systems wird empfohlen, die Maßnahmen zur Emissionsminderung in der Wertschöpfungskette als Verringerung der Scope-3-Emissionen über das allgemeine THG-Inventar zu verrechnen ( Box 13.1, LSRG). Unternehmen können dafür Inset-Credits einsetzen, um Investitionen in Emissionsminderungen in der Lieferkette zu unterstützen und sicherzustellen, dass diese Einsparungen nicht weiterverkauft werden.
Die LRSG unterscheidet zwischen Kompensationszielen (Compensation target) und Beitragszielen (Contribution target). Credits, die für das Beitragsziel eingesetzt werden, dienen hauptsächlich zur Nachverfolgung und Qualitätssicherung. Sie werden nicht zur Kompensation der eigenen Emissionen verwendet, sondern finanzieren Reduktionsmaßnahmen in der Wertschöpfungskette mit. Der eigene Beitrag wird dabei über die Höhe der Credits transparent gemacht.
Aus dem Draft lässt sich schließen, dass diese Einsparungen aus den bei den vorgelagerten Lieferanten und Produzenten mitfinanzierten Reduktionsmaßnahmen künftig über das Scope 3-Inventar abgebildet werden sollen, ohne dass es zu Doppelzählungen kommt. Der Beitrag auf die Emissionsreduktion wird hierbei ebenfalls in der nachgelagerten Wertschöpfungskette sichtbar. Dieses Vorgehen, basierend auf der LRSG, wird ebenfalls vom WBCSD beschrieben (WBCSD, 2024).
Bei dem Einsatz von Inset Credits für die Kompensation unverminderter Emissionen hingegen sollen die Einsparungen von dem Unternehmen, das die Credits einkauft, nach wie vor separat zur THG-Bilanz angegeben werden, statt sie direkt im Inventar zu verrechnen. Außerdem dürfen die in den Credits enthaltenen Einsparungen nicht von weiteren, in der Wertschöpfungskette nachgelagerten, Unternehmen zum Setzen von Kompensationszielen (wie z.B. die THG-Neutralität) genutzt werden. Die Höhe der Credits kann hierbei über die beim Lieferanten verursachten Emissionen des Unternehmens hinausgehen.
Wenn ab dem nächsten Jahr nach LSRG des GHG Protocols die Berücksichtigung von Insetting im THG-Inventar gültig sein sollte, bedeutet dies im Umkehrschluss allerdings noch nicht, dass Unternehmen diese Methodik zur Erreichung ihrer wissenschaftsbasierten Ziele nach SBTi heranziehen dürfen. Hier gilt zunächst noch die Orientierung an dem vorliegenden und gültigen SBTi Net-Zero Standard, der sich auf den geltenden GHG Protocol Corporate und den Scope 3-Standard bezieht.
Ob sich SBTi an der neuen Berechnungsmethodik für Insetting nach dem LSRG orientiert, bleibt abzuwarten. Spätestens mit dem aktuell noch in der Konsultation befindlichen Net Zero Standard V2 soll es hinsichtlich der Integration von Insetting jedoch mehr Klarheit geben.
Im vorliegenden Entwurf des Net Zero Standards V2 wird festgehalten, dass Credits außerhalb der Wertschöpfungskette nach wie vor nicht zur Erreichung von Klimazielen zugelassen werden sollen. Indirekte Minderungsmaßnahmen innerhalb der Wertschöpfungskette (indirect mitigation) sollen hingegen zumindest als vorläufige Maßnahmen anerkannt werden. Zu diesen indirekten Minderungsmaßnahmen zählen auch sogenannte Environmental Attribute Certificates (EACs), die Umwelt- oder Nachhaltigkeitsmerkmale von Aktivitäten oder Rohstoffen zertifizieren.
Innerhalb der EACs stellen Rohstoffzertifikate (Commodity Certificates) eine spezifische Unterkategorie dar, die Nachhaltigkeitsinformationen zu bestimmten Rohstoffen oder Materialien vermitteln. Diese Rohstoffzertifikate können nach verschiedenen Insetting-Methoden, wie „book and claim“ oder „mass balance“ ausgestaltet sein. Ein Beispiel Rohstoffzertifikate sind Stromherkunftszertifikate, die Unternehmen bereits zur Reduktion von Scope-2-Emissionen gemäß GHG- und SBTi-Anforderungen nutzen können. Für weitere Rohstoffe wie Stahl, Zement oder Aluminium wird die Nutzung von solchen Rohstoffzertifikaten derzeit diskutiert (SBTi, 2024).
Trotz aktueller Unklarheiten und fehlender einheitlicher Regeln führen immer mehr Unternehmen Insetting-Programme ein, um den Klimaschutz schneller voranzutreiben.
Für die Ausgestaltung des Net Zero Standards V2 läuft aktuell die Einarbeitung von Rückmeldungen im Rahmen einer öffentlichen Konsultation zur Nutzung von Environmental Attribute Certificates. Ob die Berücksichtigung von indirekten Minderungsmaßnahmen zur Erreichung der wissenschaftsbasierten Ziele über das Scope 3-Inventar oder mittels Scope-3-Gap Closing zugelassen wird, ist noch unklar.
Bei letzterem wird die THG-Bilanz wie gehabt aufgestellt (als Bruttoinventar, d.h. ohne Integration von THG-Einsparungen oder THG-Entzügen aus Credits). Außerdem wird die Lücke zwischen dem Ziel und der THG-Emissionshöhe ermittelt und über Zertifikate zu einem bestimmten Anteil geschlossen und transparent offengelegt.
5 Key Facts zu Insetting
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Ab 2027 müssen Unternehmen neue kurz- und langfristige Klimaziele nach dem Net Zero Standard V2 der SBTi setzen. Der Standard soll 2026 veröffentlicht werden. Bis dahin gelten die bisherigen Regelungen.
Was können Unternehmen tun?
Trotz aktueller Unklarheiten und fehlender einheitlicher Regeln führen immer mehr Unternehmen Insetting-Programme ein, um den Klimaschutz schneller voranzutreiben. So macht es auch die Pano Verschluss GmbH, die Metallverschlusskappen für Glasgebinde herstellt. Ein zentraler und klimaintensiver Rohstoff für die Produkte von PANO® stellt das Ausgangsmaterial Weißblech dar.
Um im Klimaschutz einen zusätzlichen Impact zu generieren, kauft PANO® von seinem Weißblechlieferanten ArcelorMittal Insetting-Zertifikate (XCarb® steel certificates), welche Emissionsreduktionen in der gemeinsamen Wertschöpfung ermöglichen. ArcelorMittal kann durch den Verkauf dieser Zertifikate zusätzliche emissionsärmere Produktionsanlagen und -prozesse kofinanzieren, mit dem langfristigen Ziel, physisch emissionsfreien Stahl zu produzieren.
In der Kommunikation ist darauf zu achten, dass man als Unternehmen keine inhaltsleeren oder fehlerhaften, umweltbezogenen Aussagen trifft.
Dieser Prozess ermöglicht es PANO®, einen positiven Einfluss auf Herstellungsemissionen der bezogenen Rohstoffe (Scope 3) zu nehmen, welche bisher außerhalb des eigenen Wirkungsbereichs lagen. Dieser Weg verschafft handelnden Unternehmen in Zukunft ein weiteres Differenzierungsmerkmal gegenüber den Wettbewerbern – und trägt der Aufgabe, branchenübergreifend die THG-Emissionen zu senken, Rechnung.
Konkret wurden die Ausgaben durch Investitionen in die Zertifikate bei PANO® also erhöht. So wird das Unternehmen einer der Akteure in der Steuerung der Treibhausgasreduktion in der Stahlindustrie und kann im Rahmen der Beitragsziele (Contribution) transparent und nachvollziehbar über den Zertifikatskauf kommunizieren.
Kein Greenwashing in der Kommunikation
In der Kommunikation ist darauf zu achten, dass man als Unternehmen keine inhaltsleeren oder fehlerhaften, umweltbezogenen Aussagen trifft. Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Integrität sind hier wichtige Prinzipien. Auch auf die Mehrfachbeanspruchung von THG-Reduktionen ("Double Claiming") von verschiedenen Partnern entlang der Wertschöpfungskette bei Kompensationszielen sollte verzichtet werden. Zertifizierungsprogramme und Initiativen wie die Voluntary Carbon Markets Integrity Initative (VCMI) können bei der richtigen Anwendung Unterstützung bieten.
Bei all der Regulatorik und Komplexität in Bezug auf die korrekte Bilanzierung sollten Unternehmen das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen verlieren: effektiv THG-Emissionen zu senken.
Stattdessen sollten gemäß dem aktuell geltenden Standard des GHG Protocol die THG-Einsparungen oder THG-Entzüge aus den zertifizierten Insetting-Maßnahmen zunächst nicht in das Inventar der eigenen Treibhausgasbilanz aufgenommen werden, sondern im Rahmen von Beitragszielen (Contribution Targets) nur transparent kommuniziert werden. Auf diese Weise bleibt die Berechnung der THG-Bilanz als Bruttoinventar nachvollziehbar und konform mit den gängigen Standards, während der positive Impact der Insetting-Aktivitäten sichtbar gemacht und glaubwürdig vermittelt werden kann.
Ziel bleibt klar: Emissionen effektiv senken
Bei all der Regulatorik und Komplexität in Bezug auf die korrekte Bilanzierung sollten Unternehmen das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen verlieren: effektiv THG-Emissionen zu senken. Zur Erreichung dieses Ziels ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und ihren Partnern in der Wertschöpfungskette unverzichtbar. Starke Kooperationen ermöglichen nicht nur zusätzliche Dekarbonisierungshebel, sondern können darüber hinaus auch einen Einfluss auf die Entwicklung von Märkten, der sogenannten „Green Economy“, ausüben. Wer seine ökologischen Ambitionen ernst nimmt und sein internes Potenzial bereits weitestgehend ausgeschöpft hat, sollte nicht nur auf offizielle Regelwerke und Anerkennung durch Initiativen wie SBTi warten, sondern auch selbstständig nach Reduktionspotenzialen suchen.
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