Was ist der ESRS E1?
Der ESRS E1 Klimawandel (vereinfacht E1) ist einer der 10 Themenstandards aus den ESRS (European Sustainability Reporting Standards). Der ESRS ist ein Dokument, das in der deutschen Version 287 Seiten (Version: 2024) umfasst und von dem europäischen Beratungsgremium für Rechnungslegung und Nachhaltigkeitsberichterstattung, der EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group), erstmalig im Juli 2023 und dann nochmals mit einer aktualisierten Version im August 2024 herausgegeben wurde. Es definiert die Anforderungen an Unternehmen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der sogenannten CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive).
Der E1 bildet genauso wie die Standards E2, E3, E4 und E5 einen Baustein aus dem Bereich „Umwelt“. Dieser wird um die Standards S1, S2, S3 und S4 im Bereich „Soziales“ und dem Standard G1 im Bereich „Governance“ ergänzt. Daneben gibt es die beiden Querschnittsstandard ESRS 1 Allgemeine Anforderungen und ESRS 2 Grundlegende Offenlegungen, die jeweils zu berücksichtigende Berichtsaspekte für alle 10 Themenstandards enthalten.
Der E1 teilt sich wiederum in neun Angabepflichten, die sogenannten Disclosure Requirements, die als E1-1, E1-2, E1-3, E1-4, E1-5, E1-6, E1-7, E1-8 und E1-9 bezeichnet werden, und die durch die Angabepflichten E1-Gov-3, E1-SBM-3 und E1-IRO-1 aus dem ESRS 2 ergänzt werden.
Übersicht der zu berücksichtigenden Inhalte aus ESRS E1:
E1-Gov 3 | Vergütung |
E1-1 | Übergangsplan für den Klimaschutz |
E1-SBM-3 | Wesentliche IROs und Zusammenspiel mit Strategien und Geschäftsmodellen |
E1-IRO-1 | Verfahren zur Ermittlung und Bewertung der klimabezogenen IROs |
E1-2 | Konzepte und Richtlinien (Policies) |
E1-3 | Maßnahmen und Ressourcen (Actions) |
E1-4 | Ziele (Targets) |
E1-5 | Energieverbrauch und Energiemix |
E1-6 | THG-Bruttoemissionen nach Scope 1, 2 und 3 |
E1-7 | Removals und CO2-Zertifikate |
E1-8 | Interne CO2-Bepreisung |
E1-9 | Finanzielle Auswirkungen von Risiken und Chancen |
Insgesamt handelt es sich hierbei um rund 200 Datenpunkte im E1, die von weiteren Datenpunkten aus dem ESRS 2 ergänzt werden.
Der ESRS E1 ist ein zentraler Standard in der Nachhaltigkeitsberichterstattung – so ist er beispielsweise der einzige der 10 Themenstandards, bei dem das jeweilige Unternehmen eine Erklärung vorlegen muss, wenn dieser Themenstandard als nicht wesentlich bewertet wurde. Darüber hinaus ist in diesem Fall eine vorausschauende Analyse beizulegen, die Bedingungen aufzeigt, die das jeweilige Unternehmen dazu veranlassen könnten, den Klimawandel in Zukunft als wesentlich zu bewerten (siehe ESRS 2, Angabepflicht IRO 2 – In ESRS enthaltene von der Nachhaltigkeitserklärung des Unternehmens abgedeckte Angabepflichten Angabe 57).
Und das hat auch einen Grund: Extreme Wetterereignisse bilden laut des aktuellen Global Risk Report (2025) des World Economic Forum die größte Bedrohung für das globale Wirtschaftssystem in den kommenden zehn Jahren. Nur wer seine Treibhausgas-Emissionen zunächst misst, kann diese dann durch geeignete Maßnahmen sinnvoll reduzieren und damit einen Beitrag zur Abmilderung der Klimaerwärmung leisten. Weltweit gibt es übrigens über 100 Berichterstattungsrichtlinien, die auch das Thema Klima beinhalten, zum Beispiel der Disclosure of Climate-related Financial Information aus Australien, Chinas Hong Kong Climate-related Disclosures und Indiens Business Responsibility and Sustainability Reporting (BRSR). Und selbst, wenn man nicht dazu verpflichtet ist, über seine E1-Themen zu berichten, ist es ratsam, Zahlen und Daten hierzu bereit zu haben. Die globalen Verflechtungen unserer Wirtschaftsbeziehungen machen dies erforderlich. So werden in dem sogenannten GHG-Protokoll (Greenhouse Gas Protocol) die THG-Emissionen nach Kategorien eingeteilt, wovon sich acht Kategorien auf die vorgelagerte und sieben Kategorien auf die nachgelagerte Wertschöpfungskette beziehen. Da jedes Unternehmen einen Platz in der Wertschöpfungskette eines anderen Unternehmens einnimmt, kommt man so oder so nicht um dieses Thema herum.
Übrigens, für diejenigen, die freiwillig berichten: Auch im Basismodul des freiwilligen Berichterstattungsstandards VSME (Voluntary Sustainability Reporting Standard for non-listed Small and Medium Enterprises) kommen die Themen Energie und THG-Emissionen vor. Im umfassenden Modul geht es dann erweitert auch um die THG-Reduktionsziele, die Klimarisiken und die Anpassungsmaßnahmen des jeweiligen Unternehmens.
Über welche Inhalte wird im E1 berichtet?
Inhaltlich deckt der ESRS E1 die Themen Klimaschutz, Klimawandelanpassung und Energie ab. Während sich der Klimaschutz auf Maßnahmen bezieht, um den anthropogenen Klimawandel und die damit zusammenhängende Erderwärmung zu begrenzen, bezieht sich die Klimawandelanpassung auf Maßnahmen, um die Folgen des Klimawandels zu bewältigen, zu mildern und ihnen vorzubeugen. Das Thema Energie bezieht sich auf Maßnahmen, um die Energieeffizienz im eigenen Unternehmen zu steigern und den Energiebezug zu dekarbonisieren, was wiederum auf den Klimaschutz einzahlt.
Bezüglich der Angabepflichten kann man den E1 in vier Themenbereiche einteilen, erstens Strategie, zweitens Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen (engl. Impacts, Risks, Opportunities, abgekürzt: IROs), drittens Parameter und Ziele bzgl. Klimaschutz und Klimawandelanpassung und viertens Governance.
Unternehmen sind aufgefordert, ihren klimabezogenen Managementansatz mit ihrer übergeordneten Unternehmensstrategie in Einklang zu bringen. Im Bereich Strategie müssen die Unternehmen wesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen sowie die Verbindung zu Strategie und Geschäftsmodell erläutern und die hierfür durchgeführte Resilienzanalyse (E1 SBM-3) vorlegen. Zusätzlich sollen Unternehmen ihren Übergangsplan für die Abmilderung des Klimawandels offenlegen. In diesem Übergangsplan werden Ziele und Maßnahmen formuliert sowie die finanziellen Mittel offengelegt, die für die Umsetzung des Übergangsplans erforderlich sind. Außerdem soll eine Erläuterung hinzugefügt werden, die erklärt, wie die Klimaschutzpläne zum Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft und zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C beitragen, und so mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind.
Im Bereich „Governance“ soll das Unternehmen über die Einbeziehung klimabezogener Leistungen in Anreizsysteme (E1 Gov-3) berichten.
Im Berichtsteil „Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen (IROs)“ müssen Unternehmen offenlegen, wie sie physische und transitorische Risiken des Klimawandels erkennen und bewerten (E1 IRO-1). Zu den physischen Klimarisiken zählen beispielsweise Extremwetterereignisse, Überschwemmungen, Waldbrände und Stürme. Unter den transitorischen Risiken versteht man unter anderem regulatorische Änderungen oder technologische Entwicklungen. Auch mögliche Chancen, die mit dem Klimawandel einhergehen, sollten bewertet werden. Wesentliche Risiken sowie deren potenzielle Auswirkungen auf Geschäftsprozesse und Standorte sollen des Weiteren unter verschiedenen Klimaszenarien analysiert werden.
Unternehmen müssen über dies hinaus konkret darlegen, wie sie auf die IROs reagieren, also welche Richtlinien (E1- 2) und Maßnahmen (E1-3) sie planen oder bereits realisiert haben, um ihre Klimaziele zu erreichen. Bei den Maßnahmen ist auch die Finanzierung relevant: Angaben zu eingesetzten Mitteln sowie zur Einordnung in Investitions- (CapEx) oder Betriebsausgaben (OpEx) im Sinne der Taxonomie sind erforderlich.
Im Bereich Parameter und Ziele werden verschiedene quantitative – also messbare zahlenbasierte Angaben – bezüglich des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung abgefragt. Diese umfassen die ausführliche Erläuterung der operativen Ziele im Zusammenhang mit dem Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel (E1-4), Angaben zum absoluten Energieverbrauch und zum Energiemix (E1-5), Treibhausgasemissionen (E1-6), den Abbau von Treibhausgasemissionen und den Einsatz von Emissionszertifikaten (E1-7), die finanzielle Offenlegung von CO2-Preisen (E1-8) sowie die potenziellen finanziellen Auswirkungen von physischen Übergangsrisiken und -chancen (E1-9).
Damit man über all diese Berichtsinhalte überhaupt berichten kann, empfehlen sich folgende Prozessschritte: Nach einer Energie- und Treibhausgasbilanzierung sollte eine Klimarisikoanalyse erfolgen. Auf der Grundlage dieser beiden Ergebnisse sollte eine Klimastrategie mit einem Übergangsplan erstellt werden. Außerdem sollten die Klimawandelfolgen antizipiert werden. Dies bedeutet, dass man sowohl die physischen als auch die transitorischen Risiken nicht nur erfasst, sondern diese auch bewertet, und durch frühzeitige Anpassungsmaßnahmen dafür sorgt, diesen vorzubeugen beziehungsweise die eintretenden Szenarien abzumildern. So lässt sich ein resilientes Geschäftsmodell mit Hilfe eines integrierten Klimarisikomanagements aufbauen.
Alles klar? Falls nicht, gibt der Kurs Fit4ESRS E1: Der Klimastandard – Wissen, Methodik, Umsetzung von der B.A.U.M. Consult GmbH und dem BAUM e.V. eine detaillierte Übersicht über die einzelnen Berichtsinhalte. Der Kurs ist fortlaufend. Ein Einstieg ist jederzeit möglich. |
Warum über die Inhalte im ESRS E1 berichten?
Nachhaltigkeitsmanagement ist Risikomanagement. Ob freiwillig oder verpflichtend – neben der reinen Compliance-Erfüllung gibt es diverse Gründe, warum man über seine Nachhaltigkeitsauswirkungen und -tätigkeiten berichten sollte.
Eine Offenlegung der eigenen Emissionen ergibt, wo in der Wertschöpfungskette hohe Emissionen anfallen. Diese Ergebnisse befähigen dazu, die Emissionen zukünftig durch Produktneuentwicklungen und Weiterentwicklungen, Prozessoptimierung und sogar durch sich neu ergebene Geschäftsmodelle zu reduzieren. Innovationen können zu einem Wettbewerbsvorteil führen, der sich zum Beispiel durch eine Markterweiterung oder durch Kostensenkungen mit Hilfe des Einsatzes neuer Materialien oder Prozessoptimierungen zeigt.
Es steht außer Frage, dass heutzutage nur den Unternehmen ein verbesserter Zugang zu bestimmten Finanzmitteln ermöglicht wird, die Maßnahmen im Bereich ESG umsetzen. Eine Treibhausgasbilanz ist dabei ein erster wichtiger Schritt. Aber nicht nur bei der Vergabe von Krediten und Darlehen werden die Unternehmen bevorzugt, die die entsprechenden KPIs zur Hand haben, auch die Chancen bei Ausschreibungen und Aufträgen von öffentlichen Auftraggebern sind höher für diejenigen, die die geforderten Berechnungen vorlegen können.
Abgesehen von den direkt messbaren finanziellen Erfolgen stärkt eine Berichtserstattung über die eigenen Klimaauswirkungen die eigene Reputation. Man zeigt, dass man sich der kommenden Klimagefahren bewusst ist und proaktiv handelt, um die Verbraucher und Verbraucherinnen vor den eintretenden Folgen zu schützen. In der Lieferkette kommt es bereits teilweise zu Auslistungen aus dem Beschaffungsprozess, wenn ein Lieferant zwar noch die Ware, aber eben nicht die entsprechenden Klimazahlen mitliefern kann. Die Berichterstattung über die eigenen Klimaschutzbemühungen stellt nicht nur die eigene Wettbewerbsfähigkeit sicher, sondern sorgt auch für eine Zukunftsfähigkeit, da man auf steigende Stakeholderanforderungen in diesem Bereich besser reagieren kann.
Und auch die eigenen Mitarbeitenden fragen das Thema – spätestens ab der Generation Z (ab dem Jahrgang 1995) – vermehrt nach. Für viele junge Leute ist ein aktives Handeln im Sinne des Klimaschutzes sogar eines der Auswahlkriterien für eine Bewerbung bei ihrem potentiellen Arbeitgeber. Darüber hinaus gibt es viele Hinweise darauf, dass die Produktivität der Mitarbeitenden steigt, wenn diese aktiv bei der Umsetzung von Maßnahmen im Unternehmen beteiligt werden, so also auch bei Klimaschutzmaßnahmen.
Nicht zuletzt müssen wir natürlich auch darüber sprechen, dass eigene Unternehmensaktivitäten für den Klimaschutz darauf einzahlen, den Klimawandel abzuschwächen oder zu verlangsamen. So wird physisch eintretenden Risiken vorgebeugt, die im Falle eines Eintritts zu massiven Schädigungen der globalen Wirtschaft und der Lebensbedingungen führen würden.
Eine steigende Durchschnittstemperatur auf der Erde hat beispielsweise diverse physikalische Auswirkungen: Eine Zunahme von Häufigkeit und Schwere von Extremereignissen wie Hitzewellen, Stürme, Dürren, Waldbrände und Überschwemmungen ist dabei genauso denkbar wie der Anstieg des Meeresspiegels. Nach dem aktuell neuesten publizierten Sechsten Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen vom sogenannten Weltklimarat, dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), ist der Meeresspiegel seit 1880 um fast 25 Zentimeter angestiegen. Extreme Hitzewellen, die vor 1850 etwa einmal pro Jahrzehnt auftraten, kommen demnach heute dreimal so häufig vor und sind im Durchschnitt 1,2 °C heißer als zuvor.
Die wirtschaftlichen Folgen dieser Risken zeigen sich dann wie folgt: Infrastrukturen und Vermögenswerte werden beschädigt und Lieferketten unterbrochen. Unternehmen werden sowohl einen Produktivitätsverlust erleben als auch eine finanzielle Instabilität. Nicht zuletzt werden so viele Naturgüter und Ökosystemdienstleistungen geschädigt, dass die biologische Vielfalt abnehmen wird und so die Sicherstellung von Nahrungsmitteln und anderen natürlichen Ressourcen nicht mehr gegeben wäre, was zu einer humanen Katastrophe führen könnte.
Um diese Gefahren der Auswirkungen des Klimawandels einzudämmen, haben im Jahr 2015 195 Länder das Pariser Abkommen unterzeichnet und sich dazu verpflichtet, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Zudem setzen sie ihre Bemühungen fort, den Temperaturanstieg auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Klimaschutz ist heutzutage keine Option mehr. Es ist der einzige gangbare Weg. Und er fängt mit der Messung der eigenen E1-Klimaschutzkennzahlen an.