Greenwashing: das müssen Unternehmen 2023 wissen

Die Gesetzgebung reagiert europaweit zunehmend auf Greenwashing: Unternehmen müssen gezieltes sowie unbeabsichtigtes Greenwashing frühzeitig identifizieren. Dabei sollten sie aber nicht grundsätzlich auf Kommunikation über Umweltvorteile verzichten.

Kundinnen und Kunden fordern es, Investoren fragen kritisch nach und auch der Druck durch die Mitarbeitenden steigt – wie hält man es als Unternehmen eigentlich mit dem Klimaschutz? Und wie nachhaltig ist man denn wirklich? Häufig kommt die erste Antwort von der Marketingabteilung: „Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA“ und „unsere Produkte sind klimafreundlich, ökologisch und natürlich“ findet man so oder so ähnlich häufig. Bei so viel verbaler Weltrettung wundert es nicht, dass kaum eine Woche ohne Greenwashing-Vorwurf vergeht.

Dabei ist Greenwashing längst nicht nur eine irreführende Marketingtaktik, sondern untergräbt systematisch das Vertrauen der Verbraucher und die Bemühungen von Unternehmen, die sich ernsthaft für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen. Gleichzeitig gibt es sehr wohl Unternehmen, Entscheider und Mitarbeitende, die Nachhaltigkeitskommunikation wirklich richtig machen wollen. Aber was heißt denn richtig? Und sollte man überhaupt noch über Klimaschutzmaßnahmen berichten und Produkte mit Nachhaltigkeitsattributen versehen?

Greenwashing ist häufig gar nicht beabsichtigt und geschieht trotzdem überall

Entgegen der weitläufigen Meinung, Greenwashing sei ein neuer Trend, gibt es den Begriff bereits seit 1986: Der Umweltaktivist Jay Westervelt kritisierte damit Hotelunternehmen, die mit „schütze die Umwelt, nutze ein Handtuch mehrfach”-Stickern von vielen anderen Umweltauswirkungen eines Hotels abzulenken versuchten. Eine einheitliche Definition gibt es bis heute nicht, grundsätzlich bezieht sich Greenwashing auf irreführende oder falsche Umweltaussagen. Übrigens, der Begriff nachhaltig bezieht sich immer auf den Dreiklang aus ökologischer, sozialer und finanzieller Nachhaltigkeit.

Warum Greenwashing tatsächlich ein zunehmendes Problem ist? Hier ein paar Zahlen und Fakten:

  • 42 Prozent der Umweltschutzaussagen in Onlineshops 2020 waren übertrieben, falsch oder irreführend (Europäische Kommission, 2021).
  • Von über 1.000 als „grün“ gekennzeichneten Produkten enthielten 95 Prozent mindestens eine Umweltaussage, die falsch oder irreführend war (TerraChoice, 2010).
  • Nur 17 Prozent der analysierten, global agierenden Konzerne haben quantifizierbare Dekarbonisierungsstrategien und 9 Prozent der unternehmerischen Klimaschutzziele sind konform mit dem Pariser Klimaschutzabkommen (Climate Action 100+, 2022).
  • Der sogenannte Scope 3 (indirekte CO2-Emissionen) ist verantwortlich für 65-95 Prozent der Unternehmens-CO2-Emissionen, zwei Drittel der weltweit größten Unternehmen berücksichtigen diese nicht in ihren Klimaschutzzielen (Scope ESG, 2021).

Greenwashing ist dabei nicht zwingend eine bewusste Täuschung oder Lüge, sondern kann auch unbeabsichtigt durch fehlende Datengrundlagen, Unwissenheit und mangelndes Bewusstsein entstehen. Dies kann der Fall sein, wenn Unternehmen sich der Umweltauswirkungen ihrer Produkte, Lieferkette oder Dienstleistungen nicht vollständig bewusst sind oder wenn ihnen das Know-how oder die Ressourcen fehlen, um Umweltaspekte korrekt zu kommunizieren.

Regulatorische Initiativen gegen Greenwashing

Unternehmen, die Greenwashing betreiben, verlieren an Glaubwürdigkeit. Und können auch mit empfindlichen Geldbußen belangt werden. In Europa gibt es diesbezüglich zunehmend regulatorische Initiativen, wie den englischen Green Claims Code, sowie Artikel 4, 10 und 11 des französischen Klimagesetzes und das gemeinsame Regelwerk zu umweltbezogenen Marketingaussagen der norwegischen und niederländischen Verbrauchschutzbehörden

Irreführende Umweltaussagen werden dort wie folgt beschrieben:

  • unspezifische, generische Aussagen,
  • qualitative Aussagen ohne quantitative Datenbasis,
  • Nutzung irreführender Grafiken und/oder Siegel, die nicht durch Dritte geprüft sind,
  • mangelnde Kommunikation über Limitierungen, und / oder
  • besondere Hervorhebung von irrelevanten Teilaspekten.

Auch die EU-Kommission will Greenwashing verhindern und u. a. vage Produktangaben wie „grün“ oder „umweltfreundlich“ untersagen und geplante Produktobsoleszenz einschränken. Daher sollten europäische Unternehmen sich auf folgende Entwürfe der Kommission im Rahmen des Green Deals bzgl. Marketingaussagen vorbereiten:

  • Substantiating green claims Ergänzungen zur Unfair commercial practices directive (UCPD) und Consumer Rights Directive
  • Sustainable Products Initiative und Organizational Carbon Footprint (CSRD) and Product Environmental Footprint (PEF) Standards

Misskommunikation ist ein Risiko mit vielen Dimensionen

In Deutschland wird das Thema aktuell noch primär durch Abmahnungen durch die Verbraucherschutzzentralen getrieben und traf bisher Unternehmen wie Beiersdorf, BP, dm, die FIFA, Rossmann und Shell Deutschland. Umstritten ist vor allem die Verwendung des Begriffs „klimaneutral“. Dieser wird als irreführend eingestuft, wenn das damit betitelte Unternehmen oder Produkt dies nur mithilfe von CO2-Kompensation erreicht.

Der Bundesgeschäftsführer Resch der Deutschen Umwelthilfe stellte letztes Jahr den Schutz der Verbraucher vor behaupteter Klimaneutralität als einen neuen Arbeitsschwerpunkt vor:

„Firmen sollen ihre Produkte beim Klimaschutz optimieren – und nicht den Klimabetrug.“
(Jürgen Resch)

Die begonnenen Entwicklungen in diesem Marktumfeld werden 2023 weitergehen. Das Regelwerk in Norwegen und den Niederlanden entstand im Eiltempo, nachdem NGOs einige kritische Fälle von namhaften Marken veröffentlichten und damit die Institutionen unter Handlungsdruck setzen.

Abgesehen von rechtlichen Schritten, negativer Mundpropaganda, schlechter Presse und Verlust des Markenwerts besteht ein weiteres Geschäftsrisiko darin, dass sich Kunden an Wettbewerber wenden und Talente und Mitarbeitende das Vertrauen in die Arbeitgeber verlieren.

Paralyse ist keine Option – was stattdessen hilft

Die Greenwashing-Angst überschattet die Umwelt- und Klimaschutzkommunikation zunehmend. Einige Unternehmen agieren wie gelähmt und ziehen es vor, trotz echter Bemühungen nachhaltiger zu werden, dies nicht zu kommunizieren. Unternehmen, die nicht über ihre Umwelt-, Sozial- und Governance-Bemühungen kommunizieren, verpassen die Gelegenheit, Markenvorteile zu realisieren und laufen Gefahr, hinter selbstdarstellenden Wettbewerbern zurückzufallen. Und wenn das Thema Nachhaltigkeit aus der Kommunikation verschwindet, verschwindet auch die öffentliche Rechenschaft und irgendwann das Thema ganz von der Agenda.

Es gilt also, es besser zu machen. Dabei helfen diese fünf Strategien:

  1. Eine interne Anti-Greenwashing-Strategie entwickeln
  2. Eine ganzheitliche Datenbasis intern schaffen
  3. Externe Transparenz vorantreiben
  4. Tatsächliche Reduktion der wesentlichen Umweltauswirkungen vorantreiben
  5. Aus Fehlern lernen

Bei alldem gilt es, den Pragmatismus nicht zu verlieren – das Risiko von Greenwashing ist keine Ausrede für Nichtstun und Abwarten und auch nicht der Anspruch auf perfekten Umwelt- und Klimaschutz. Es ist vielmehr eine Chance für einen datenbasierten Blick aufs Wesentliche und Vertrauensaufbau durch ehrliche Kommunikation.