Rz. 28

§ 105 Abs. 4 FGO gilt für Urteile, die verkündet werden, als auch sinngemäß für zuzustellende Urteile, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat[1]. Grundsätzlich ist das vollständig abgefasste Urteil vor Ablauf von zwei Wochen der Geschäftsstelle zu übermitteln[2]. Kann diese Frist nicht eingehalten werden, genügt es zunächst, die von den Richtern unterschriebene Urteilsformel innerhalb dieser zwei Wochen der Geschäftsstelle zu übermitteln[3]. Alsbald i. S. v. § 105 Abs. 4 S. 3 FGO bedeutet, dass das vollständige Urteil binnen 5 Monaten übermittelt werden muss[4]. Diese Frist wird zu Recht im Hinblick auf den Wortlaut als zu lang angesehen, wobei angenommen werden kann, dass Entscheidungen i. d. R. wohl innerhalb von ein bis zwei Monaten abgefasst werden können und ein längeres Zuwarten auch prozessunökonomisch ist[5]. Im Übrigen dürfte i. d. R. der Berichterstatter schon vor der mündlichen Verhandlung einen – schriftlichen – Entscheidungsvorschlag unterbreitet haben, auf dessen Grundlage das Urteil im Hinblick auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung abgefasst werden kann. Die Frist beginnt für den Fall, dass ein Urteil an Verkündungs statt zugestellt wird, mit dem Ablauf des Tages, an dem der Urteilstenor übermittelt wurde, spätestens jedoch mit dem Ablauf des Tages, an dem das Urteil der Geschäftsstelle hätte übergeben werden müssen[6].

Wird die Frist des § 104 Abs. 4 S. 3 FGO überschritten, handelt es sich um einen Verfahrensfehler, da das Urteil i. S. v. § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen ist. Eine eigenständige Abhilfe durch das FG ist nicht möglich. Dies gilt auch, wenn das Urteil in der Sache möglicherweise richtig wäre[7].

 

Rz. 29

§ 105 Abs. 4 FGO gilt nicht für Urteile, wenn die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben[8], da § 104 Abs. 3 FGO für Urteile ohne mündliche Verhandlung keine besonderen Fristen vorsieht[9].

[1] Lange, in HHSp, AO/FGO, § 105 FGO Rz. 63f.
[4] GmS OGB v. 27.4.1993, GmS-OGB 1/92, NJW 1993, 2603.
[5] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 105 FGO Rz. 27; ähnlich Brandt, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 105 FGO Rz. 85.
[9] BFH v. 13.7.2001, VI R 139/99, BFH/NV 2001, 1596; a. A. Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 104 FGO Rz. 10.

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