Rz. 5

Der Beteiligte hat keinen Anspruch auf die Beeidigung einer Auskunftsperson. Aber auch die Auskunftsperson hat kein Recht darauf, eidlich vernommen zu werden.[1] Hält die Finanzbehörde die Auskunft des Dritten ebenso wenig für glaubwürdig wie die des Beteiligten und kann sie auf weitere Beweismittel nicht zurückgreifen, kommt eine Entscheidung nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast nur in Betracht, wenn aus Sicht der Finanzbehörde ausgeschlossen werden kann, dass durch die strafrechtlichen Sanktionen der durch einen Eid bekräftigten Auskunft ein gesteigerter Beweiswert zuzuerkennen ist. Die Finanzbehörde "kann" das Gericht um eine eidliche Vernehmung ersuchen. Sie hat also – sofern die im Folgenden dargestellten Voraussetzungen gegeben sind – eine Ermessensentscheidung zu treffen.

Grundvoraussetzung ist, dass für den eidesfähigen Dritten (vgl. Rz. 8) eine Auskunftspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO besteht und die sonstigen materiellen Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Darüber hinaus müssen die von der Auskunftsperson wahrgenommenen Tatsachen für die Feststellung eines steuerlichen Sachverhalts erheblich und erforderlich sein.[2] Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist zu beachten.

[1] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 94 AO Rz. 4; Koenig/Wünsch, AO, 4. Aufl. 2021, § 94 Rz. 13; Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 94 AO Rz. 20.

2.1 Eidesverpflichtete

2.1.1 Nichtbeteiligte

 

Rz. 6

Eine eidliche Vernehmung kommt nur bei Personen in Betracht, die weder Beteiligte i. S. v. § 78 AO sind, noch nach §§ 34, 35, 79 Nr. 3 und 4, 80, 81 AO für einen Beteiligten Auskunft erteilen müssen (z. B. Organ einer juristischen Person). Die "andere Person" muss als Dritter in einem fremden Besteuerungsverfahren zur Auskunft verpflichtet sein. § 94 AO begründet keine eigenständige Auskunftspflicht, sondern setzt deren Bestehen nach § 93 AO voraus. Besteht für den Nichtbeteiligten keine Pflicht zur Auskunftserteilung, kann dieser erst recht nicht zu einer Beeidigung herangezogen werden. Die von der Finanzbehörde zu treffende Entscheidung, von der Auskunftsperson eine eidliche Vernehmung zu verlangen, ist aber nicht davon abhängig, dass die Auskunftsperson zuvor eine (uneidliche) Aussage gemacht hat. Die Finanzbehörde kann vielmehr von vornherein eine eidliche Vernehmung verlangen.[1]

 

Rz. 7

Beteiligte und ihnen gleichgestellte Personen können hingegen nur zu einer Versicherung an Eides Statt nach § 95 AO aufgefordert werden.[2] Wird ein Beteiligter dennoch eidlich vernommen, muss dessen Auskunft als unbeeidigt gewertet werden.[3] Ist die Finanzbehörde nicht Herrin des Verfahrens, sondern selbst Partei[4], so kann sie nicht nach § 94 AO vorgehen.[5]

[1] BFH v. 3.10.1979, IV B 63/79, BStBl II 1980, 2; Roser, in Gosch, AO/FGO, § 94 AO Rz. 5; Koenig/Wünsch, AO, 4. Aufl. 2021, § 94 Rz. 10.
[2] Vgl. zur Abgrenzung der Personenkreise auch Volquardsen, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 93 AO Rz. 10ff.
[3] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 94 AO Rz. 4.
[5] BFH v. 28.3.1979, I B 79/78, BStBl II 1979, 538; Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 94 AO Rz. 4.

2.1.2 Auskunfts-/Eidesfähigkeit

 

Rz. 8

Die Ableistung des Eides setzt wie die Auskunft keine Handlungsfähigkeit des Verpflichteten voraus.[1] Die zu vernehmende Person muss jedoch auskunfts- und eidesfähig sein. An der erforderlichen Auskunftsfähigkeit fehlt es z. B. bei juristischen Personen, nicht rechtsfähigen Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betrieben gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts.[2] Etwaige Auskünfte erteilen vielmehr die für diese Institutionen handelnden natürlichen Personen.

 

Rz. 9

Zur erforderlichen Eidesfähigkeit trifft § 94 AO – anders als dies in § 95 Abs. 1 S. 3 AO für die eidesstattliche Versicherung der Fall ist – keine Aussage. Sie richtet sich deshalb nach § 393 ZPO und § 82 FGO. Danach sind Personen, die zzt. der Vernehmung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Eidesunmündigkeit), oder Personen, die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche von dem Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben (Eidesunreife), unbeeidigt zu vernehmen. Über die Eidesfähigkeit der Auskunftsperson entscheidet der zuständige (Finanz- oder Amts-) Richter.[3]

2.1.3 Bevollmächtigte/Beistände

 

Rz. 10

Die Eidesleistung des Nichtbeteiligten ist eine unvertretbare Handlung.[1] Sie muss persönlich vorgenommen werden.[2] Die Vertretung durch einen Bevollmächtigten oder Beistand ist folglich ausgeschlossen. Soweit das Steuergeheimnis[3] nicht entgegensteht – immerhin wird die Auskunftsperson in fremden steuerlichen Angelegenheiten tätig –, haben Bevollmächtigte und Beistände aber in analoger Anwendung des § 95 Abs. 3 S. 3 AO ein Teilnahmerecht.[4]

[1] § 478 ZPO i. V. m. § 82 FGO.
[2] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 94 AO Rz. 2; Roser, in Gosch, AO/FGO, § 94 AO Rz. 8.
[4] Schuster

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