1 Allgemeines

1.1 Überblick und Zweck

 

Rz. 1

§ 357 AO bestimmt die Mindestanforderungen für die wirksame Einlegung eines Einspruchs.

Abs. 1 S. 1 und 3 AO nennt die formellen Mindestanforderungen, Abs. 1 S. 2 und 4 führt die notwendigen inhaltlichen Angaben eines Einspruchs auf. Abs. 3 erwähnt weitere Inhalte, die in dem Einspruch angegeben sein sollen, aber nicht müssen. Aus Abs. 2 ergeben sich die zuständigen Finanzbehörden, bei denen der Einspruch fristgemäß eingelegt werden kann.

 

Rz. 2

Die Einlegung des Einspruchs leitet das finanzbehördliche Einspruchsverfahren ein. Entscheidungen der Finanzbehörde zur Sache sollen dabei so wenig wie möglich an fehlenden Formalien scheitern. Andererseits sind im Interesse der Rechtssicherheit und der prozessualen Klarheit Erklärungen des Stpfl. notwendig, die so eindeutig sind, dass Missverständnisse und Auslegungsschwierigkeiten vermieden werden.[1] § 357 AO bestimmt zu diesem Zweck – zusammen mit der die Einspruchsfrist regelnden Vorschrift des § 355 AO – das erforderliche Mindestmaß formeller und inhaltlicher Voraussetzungen, die für die wirksame Einlegung eines Einspruchs eingehalten werden müssen.

Ziel der Bestimmung ist es, im Interesse der nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Gewährleistung eines möglichst effektiven Rechtsschutzes über die notwendigen Mindestvoraussetzungen hinaus die Einlegung des Einspruchs einfach und formfrei zu gestalten. Dieser Gesichtspunkt ist auch bei der Anwendung der Vorschrift zu beachten, die im Zweifel zugunsten des Stpfl. zu erfolgen hat.

1.2 Rechtsentwicklung

 

Rz. 3

§ 357 AO entspricht im Wesentlichen der Regelung des § 238 RAO.

Die Vorschrift wurde durch das Grenzpendlergesetz[1] mit Wirkung ab dem 1.1.1996 redaktionell an die Abschaffung der Beschwerde als außergerichtlichem Rechtsbehelf angepasst. Gleichzeitig wurde § 357 Abs. 2 S. 3 AO neu eingefügt, wonach der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, der bei gesetzlich zugelassener Auftragsverwaltung von einer anderen Behörde für die zuständige Behörde erlassen wurde, fristwahrend auch bei der zuständigen Finanzbehörde eingelegt werden kann, und § 357 Abs. 2 S. 4 AO a. F. gestrichen, wonach der bei dem FA des Folgebescheids eingelegte Rechtsbehelf gegen einen Grundlagenbescheid an die zuständige Finanzbehörde weiterzuleiten war.[2]

Durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften[3] wurde in § 357 Abs. 1 S. 1 und 2 sowie Abs. 2 S. 4 AO klargestellt, dass der Einspruch "schriftlich oder elektronisch" und damit unter der Voraussetzung der Zugangseröffnung nach § 87a Abs. 1 AO auch elektronisch ohne qualifizierte elektronische Signatur eingelegt werden kann.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens[4] wurde der bisherige S. 3 des § 357 Abs. 1 AO aufgehoben, wonach die Einlegung des Einspruchs auch durch Telegramm zulässig war. Begründet wurde dies damit, dass das Telegramm in der Verwaltungspraxis seine praktische Bedeutung verloren haben dürfte und die Regelung ohnehin nur klarstellende Bedeutung gehabt habe.[5]

[1] Gesetz zur einkommensteuerlichen Entlastung von Grenzpendlern und anderen beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen und zur Änderung anderer gesetzlicher Vorschriften v. 24.6.1994, BGBl I 1994, 1395.
[2] Vgl. im Einzelnen Siegers, in HHSp, AO/FGO, § 357 AO Rz. 1f.
[3] V. 25.7.2013, BGBl I 2013, 2749.
[4] V. 18.7.2016, BGBl I 2016, 1679.
[5] BR-Drs. 631/15, 110.

2 Voraussetzungen der Einspruchseinlegung

2.1 Form des Einspruchs (§ 357 Abs. 1 S. 1, 3 AO)

2.1.1 Schriftform, elektronische Form oder Erklärung zur Niederschrift

2.1.1.1 "schriftlich oder elektronisch"

 

Rz. 4

Nach § 357 Abs. 1 S. 1 AO ist der Einspruch "schriftlich oder elektronisch" einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Die Erforderlichkeit der Form des Einspruchs ist dabei unabhängig von der Form des angefochtenen Verwaltungsakts, sie gilt also auch bei mündlich ergangenen Verwaltungsakten.[1]

 

Rz. 5

Schriftlich bedeutet lediglich, dass der Einspruch in einem Schriftstück verkörpert ist und in dieser Form der zuständigen Behörde gegenüber bekannt gemacht wird. Eine eigenhändige Unterschrift des Einspruchsführers ist – anders als bei der Klageerhebung[2] – kein zwingendes Formerfordernis der Einspruchsschrift, sodass die schriftliche Einspruchseinlegung auch ohne eine solche wirksam ist.[3] Das ergibt sich aus § 357 Abs. 1 S. 2 AO, nach dem aus dem Einspruch lediglich hervorgehen muss, wer ihn eingelegt hat. Insofern findet § 126 Abs. 1 BGB, wonach bei einer durch Gesetz vorgeschriebenen schriftlichen Form die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden muss, keine Anwendung.[4] Ist der Einspruch nicht unterzeichnet, so genügt er deshalb gleichwohl dem Erfordernis der Schriftform, wenn sich aus ihm allein oder i. V. m. etwaigen Anlagen hinreichend sicher die Urheberschaft und der Wille, das Schriftstück in den Rechtsverkehr zu bringen, entnehmen lassen.[5]

 

Rz. 6

Die elektronische Einlegung eines Einspruchs setzt nach § 87a Abs. 1 S. 1 AO voraus, dass die Finanzbehörde einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente eröffnet hat. Dies kann z. B. du...

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