1 Allgemeines

 

Rz. 1

Vorgängerbestimmung des § 260 AO zu Zeiten der Geltung der RAO war § 334a RAO, der erst 1965 in das Gesetz eingefügt wurde.[1] Entsprechende Regelungen zur Angabe des Schuldgrunds finden sich auch in anderen Verwaltungsverfahrensgesetzen, die die Verwaltungsvollstreckung betreffen.

 

Rz. 2

Die Vorschrift verpflichtet die Finanzbehörde zur Darlegung des Schuldgrunds im Vollstreckungsauftrag an den Vollziehungsbeamten[2] oder in der Pfändungsverfügung betreffend eine Geldforderung.[3] Durch die detaillierte Angabe des Schuldgrunds soll dem Vollstreckungsschuldner insbesondere die Möglichkeit gegeben werden, die Rechtmäßigkeit dieser und späterer Vollstreckungsmaßnahmen zu überprüfen. Er kann den Zusammenhang zwischen der Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis[4] und der Vollstreckungsgrundlage erkennen und dadurch die Möglichkeit von Einwendungen gegen die Vollstreckungsmaßnahmen besser einschätzen. Die Angabe des Schuldgrunds soll aber auch Klarheit darüber bringen, welche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis vom Ergebnis der Vollstreckungsmaßnahme betroffen werden und in welchem Umfang dies der Fall ist. Die kassenmäßige Verarbeitung beigetriebener Beträge erfordert eine Verbuchung auf die im Vollstreckungsauftrag oder in der Pfändungsverfügung genannten Schuldbeträge. Diese Klarheit liegt in erster Linie im Interesse der Finanzbehörde, dient aber auch der Kenntnis des Schuldners über eine eindeutige Zuordnung.[5]

 

Rz. 3

Die Angabe des Schuldgrunds gemäß der Bestimmung richtet sich vorrangig an den Vollstreckungsschuldner.[6] Bei der Pfändungsverfügung und in Einzelfällen auch bei Vorlage des Vollstreckungsauftrags gelangen diese Angaben jedoch auch zur Kenntnis Dritter. Die Angabe dient aber der Durchführung eines steuerlichen Verwaltungsverfahrens nach dem 6. Teil der AO, nämlich des Vollstreckungsverfahrens. Das in § 30 AO normierte Steuergeheimnis steht hierbei den Angaben wegen § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO grundsätzlich nicht entgegen. Einzelheiten sind aber durchaus umstritten.[7]

[1] Zur Rechtshistorie vgl. Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 260 AO Rz. 1f.
[5] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 260 AO Rz. 3ff.
[6] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 260 AO Rz. 1.
[7] S. ausführlich Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 260 AO Rz. 7ff.; Koenig/Fritsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 260 Rz. 3.

2 Angabe des Schuldgrunds

 

Rz. 4

Die Angabe des Schuldgrunds bedeutet die genaue Bezeichnung des Schuldgrunds der Art und der Höhe nach.[1] Dies hat detailliert zu geschehen, damit der Sinn und Zweck der Bestimmung erfüllt wird.

[1] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 260 Rz. 2; Koenig/Fritsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 260 Rz. 2.

2.1 Schuldgrund

 

Rz. 5

Schuldgrund ist die steuerliche Forderung, aus der vollstreckt werden soll. Deswegen müssen sowohl die Art der steuerlichen Forderung, also die Steuerschuld mit genauer Bezeichnung der Steuerart, ihrer Entstehung oder des Abschnitts, wie z. B. ESt 2016, KSt-Vorauszahlung IV/2017, sowie der der Vollstreckung zugrunde liegende Betrag genannt sein.[1] Entsprechendes gilt für die Haftungsschuld und die steuerlichen Nebenleistungen (z. B. Säumniszuschläge USt 11/2017). Der Zeitpunkt der Fälligkeit zählt entgegen BFH v. 8.2.1983, VII R 93/76, BStBl II 1983, 435 nicht zur Angabe des Schuldgrunds. Einerseits versteht es sich von selbst, dass alle der Vollstreckung zugrunde liegenden Forderungen fällig sind. Andererseits besteht keine Rechtfertigung für ein Offenbaren des Fälligkeitszeitpunkts an einen Dritten nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO, weil die Angabe nicht der Beitreibung dient.[2] Das Problem des Steuergeheimnisses ist allerdings durch § 309 Abs. 2 S. 2 AO (eingefügt durch das StBereinG 1986) insofern entschärft worden, als die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung den beizutreibenden Betrag nur in einer Summe enthalten soll. Angaben über die Steuerart und den Zeitraum unterbleiben also.[3]

[2] Im Ergebnis ebenso Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 260 AO Rz. 2; Müller-Eiselt,in HHSp, AO/FGO, § 260 AO Rz. 7; Zeller-Müller, in Gosch, AO/FGO, § 260 AO Rz. 2; Carl, DStZ 1985, 430; a. A. BFH v. 8.2.1983, VII R 93/76, BStBl II 1983, 435.
[3] So auch Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 260 AO Rz. 9.

2.2 Vollstreckungsauftrag

 

Rz. 6

Vollstreckungsauftrag ist der schriftliche oder elektronische Auftrag, mit dem der Vollziehungsbeamte ermächtigt wird, die Vollstreckung wegen Geldforderungen in bewegliche Sachen durchzuführen. Er ist also die Legitimation des Vollziehungsbeamten für die konkrete Vollstreckungsmaßnahme. Der Vollziehungsbeamte hat den Auftrag dem Vollstreckungsschuldner und ggf. auch Dritten auf Verlangen vorzuzeigen.[1] Die vollständige Angabe des Schuldgrunds im Vollstreckungsauftrag ist deswegen erforderlich und dient dem Vollstreckungsverfahren i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO, weil der Vollstreckungsauftrag als einheitliche Legitimation gegenüber dem Vollstreckungsschuldner und dem betroffenen Dri...

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