Rz. 19

Die Begriffe Pflegeeltern und Pflegekinder dienen dem Ziel der Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen. Da der Pflegekinder- bzw. -elternbegriff im Rahmen des Angehörigenbegriffs in § 15 Abs. 1 Nr. 8 AO für das Steuerrecht allgemein umschrieben ist, muss er für alle steuerlichen Vorschriften herangezogen werden, die den Begriff verwenden und selbst keine Abweichungen vorsehen.[1] Der Begriff der AO und nicht der des BKGG oder des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG – für Zeiträume ab 1986 – muss daher auch beim Kinderbegriff in allen anderen Steuergesetzen herangezogen werden.[2]

 

Rz. 20

Voraussetzung eines Pflegekinder- und -elternverhältnisses ist nach Abs. 1 Nr. 8 ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis, ohne dass die Dauer bestimmt sein muss. Es muss jedoch mindestens für mehr als ein Jahr bestehen.[3]

 

Rz. 21

Abweichend von der früheren Auslegung der Begriffe "Pflegeeltern" und "Pflegekinder" nach § 10 Abs. 6 StAnpG ist in jedem Fall eine häusliche Gemeinschaft erforderlich.[4] Das Kind muss aber nicht außerhalb der Pflege und Obhut seiner leiblichen Eltern stehen.[5] Die Unterhaltsgewährung keine Voraussetzung des Pflegekindbegriffs.[6] Die vorübergehende Aufnahme als sog. Kostkind reicht dazu nicht aus.[7] Das Pflegekind muss vielmehr wie ein leibliches Kind finanziell und persönlich betreut werden.[8] Gründen ein Mann und eine Frau einen gemeinsamen Haushalt, so kann das in den Haushalt mitgebrachte Kind einer der beiden Personen Pflegekind der anderen Person werden. Das Angehörigenverhältnis kann gem. § 15 Abs. 2 Nr. 3 AO fortbestehen (Rz. 26).

 

Rz. 22

Eine Verbindung wie zwischen leiblichen Eltern und Kindern ist erforderlich. Das ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Abs. 1 Nr. 8, zum anderen auch aus der Ergänzung in Abs. 2 Nr. 3. Das setzt ein enges familiäres Band voraus.[9] Nicht jedes verwandtschaftliche oder ähnliche Pflegeverhältnis fällt also hierunter. Regelmäßig ist ein ausreichender Altersunterschied Voraussetzung.[10] Für die Beantwortung der Frage, welcher Altersunterschied ausreicht, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Besondere Umstände können einen geringeren Altersunterschied als üblicherweise bei Eltern und Kindern unbeachtlich erscheinen lassen. So kann etwa eine um 13 Jahre ältere Schwester Pflegemutter ihres schwerbehinderten Bruders sein. Für schwerbehinderte Pflegekinder ist grundsätzlich auf einen Altersunterschied zu verzichten.[11]

 

Rz. 23

Kein Pflegekindverhältnis i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 6 AO besteht im Fall einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Lebensgefährten und dem Kind des anderen Lebensgefährten. In diesen Fällen sorgt der leibliche Vater bzw. die leibliche Mutter für das Kind.[12] Dasselbe gilt für das leibliche Kind eines Lebenspartners in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dagegen ist ein Pflegekindverhältnis zwischen den Lebenspartnern einerseits und einem anderen Pflegekind unter den übrigen Voraussetzungen möglich.

[2] Selder, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, 150. Aufl. 2020, § 32 EStG Rz. 15.
[3] Musil, in HHSp, AO/FGO, § 15 AO Rz. 33.
[5] AEAO § 15 AO Nr. 6 S. 1.
[6] AEAO § 15 AO Nr. 6 S. 3.
[7] BFH v. 28.6.1984, IV R 43/83, BStBl II 1984, 571; BFH v. 23.3.1998, XI R 11/98, BStBl II 1999, 133.
[8] Vgl. zum insoweit übereinstimmenden Pflegekindbegriff des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG: BFH v. 16.12.2003, VIII B 297/02, BFH/NV 2004, 770.
[10] BVerwG v. 6.9.1984, 2 C 37/82, NJW 1985, 932.
[11] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 15 AO Rz. 21.
[12] BFH v. 25.1.1971, GrS6/70, BStBl II 1971, 274.

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