Rz. 26

Nach § 12 S. 2 Nr. 1 AO bildet die Stätte der Geschäftsleitung eine Betriebstätte.

Zum Begriff der Geschäftsleitung im Einzelnen vgl. § 10 AO. Geschäftsleitung ist danach der Ort des Mittelpunkts der geschäftlichen Oberleitung; das ist dort, wo tatsächlich der maßgebende Wille der Körperschaft, Personenvereinigung, Personengesellschaft oder des Einzelunternehmers gebildet wird. Dieser Mittelpunkt kann sich nur an einem einzigen Ort befinden; mehrere "Mittelpunkte" sind nicht denkbar[1]. § 12 Nr. 1 AO drückt dies dadurch aus, dass eine Betriebstätte durch "die", also eine einzige, Stätte der Geschäftsleitung gebildet wird. Daher hat bei geschäftsleitender Tätigkeit an mehreren Orten eine Gewichtung zu erfolgen, um "den" Ort der Geschäftsleitung festzustellen[2].

Nach Art. 5 Abs. 2a OECD-MA wird eine Betriebstätte durch "einen" Ort der Leitung gebildet; das OECD-MA hält also mehrere Orte der Leitung zumindest für möglich.

Jedes Unternehmen muss einen bestimmten Ort der Geschäftsleitung haben[3]. Die geschäftliche Oberleitung bei einer Körperschaft befindet sich regelmäßig am Ort des Büros des Geschäftsführers[4], bei mehreren Geschäftsführern am Ort des Büros des leitenden Geschäftsführers. Das gilt auch für Personengesellschaften; Ort der Geschäftsleitung ist derjenige Ort, wo die zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigten Personen ihre Geschäftsführertätigkeit entfalten[5]. Bei einer GmbH & Co. KG ist die Tätigkeit des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH entscheidend[6].

Maßgebend ist die Bildung des kaufmännischen Willens, weniger bedeutsam ist die Entscheidung über technische Fragen.

Sind nach diesen Grundsätzen mehrere Orte der Geschäftsleitung denkbar, sind die verschiedenen möglichen Orte der Geschäftsleitung zu gewichten, um den tatsächlichen Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung zu bestimmen. Auch wenn nach dem Wortlaut des § 10 AO und der Überlegung, dass es gedanklich immer nur einen Mittelpunkt geben kann, eigentlich zwangsläufig ergibt, dass es nicht mehrer Orte der Geschäftsleitung geben kann, wird dies in Ausnahmefällen zugelassen.[7]

Begründet wird diese Ansicht damit, dass sich auch bei Gewichtung ggf. nicht eindeutig ein Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ermitteln lässt. Dies kann danach z. B. der Fall sein, wenn mehrere Geschäftsführer gleichberechtigt sind (in Bezug auf den maßgeblichen kaufmännischen Willen) und von verschiedenen Orten tätig werden. Dieser Fall, dass sich kein eindeutiger physischer Ort der Entscheidungsfindung feststellen lässt, kann insbesondere dann vorkommen, wenn für die Entscheidungsfindung regelmäßig von modernen Kommunikationsmitteln (wie z.B. Telefonkonferenzen, Videokonferenzen etc) Gebrauch gemacht wird. Hier zeigt sich, dass der Wortlaut des Gesetzes, der eindeutig von "einem" Ort der geschäftlichen Oberleitung ausgeht, nicht an die neuen Kommunikationsformen und Gepflogenheiten im Geschäftsleben angepasst ist.

Ein Schiff, ein Luftfahrzeug oder ein Kfz bzw. eine Einrichtung auf einem Schiff, einem Luftfahrzeug oder einem Kfz sind keine Betriebstätten, da es an dem festen Bezug zu einem Punkt des Erdreichs fehlt[8]. In diesen Fällen sind die Aktivitäten der Betriebstätte der Geschäftsleitung zuzurechnen. Das ist der Ort, von dem aus der Einsatz des Schiffs usw. koordiniert wird. Es können dies die Geschäftsräume des Managers oder Korrespondentreeders sein[9].

Ist der Unternehmer auf ständig wechselnden Wochenmärkten tätig, wird sich der Ort seiner Geschäftsleitung nicht auf den Wochenmärkten befinden, sondern dort, wo er die Entscheidung über Einkauf, Besuch von Wochenmärkten usw. trifft, ggf. in seiner Wohnung[10]. Entsprechendes gilt für einen Reisegewerbetreibenden.

Erzielt ein Berufssportler gewerbliche Einkünfte (z. B. Reklame, Pressekonferenzen, Autogrammstunden), befindet sich der Ort der Geschäftsleitung an dem Ort, an dem die geschäftliche Planung vorgenommen wird. Dies kann auch die Wohnung des Steuerpflichtigen sein[11].

 

Rz. 27

Die geschäftliche Oberleitung ist die laufende Geschäftsführung, d. h. die Entscheidung über die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Unternehmens mit sich bringt, und über solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung des Unternehmens gehören. Angesprochen ist damit das "Tagesgeschäft"; nicht hierzu gehört die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Entscheidung über außergewöhnliche Maßnahmen bzw. Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung[12].

Werden an verschiedenen Orten Entscheidungen der geschäftlichen Oberleitung getroffen (z. B. bei mehreren Geschäftsführern oder bei starker Reisetätigkeit des Geschäftsführers), ist maßgebend, an welchem Ort nach dem Gesamtbild in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht das Schwergewicht liegt[13]. Dabei sind die laufenden rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Tätigkeiten zum Abschluss und zur organisatorischen Abwicklung der Aufträge stärker zu gewichten als...

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