Rz. 12

Vor Beginn der Klagefrist (Rz. 17) kann die Klage nicht wirksam erhoben werden. Sie ist nicht zulässig. Wegen der Rechtsfolgen ist zu differenzieren:

  • Wird die Klage im anhängigen Einspruchsverfahren nach §§ 347ff. AO vor Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung i. S. d. §§ 366, 367 AO (Rz. 17) erhoben, so ist sie ggf. als Rechtsschutzgesuch gegen die Untätigkeit der Behörde im Einspruchsverfahren nach § 46 FGO zu sehen. Hier kann die Unzulässigkeit der Untätigkeitsklage, wenn die Voraussetzungen des § 46 FGO noch nicht vorliegen, durch Erlass der Einspruchsentscheidung geheilt werden (§ 46 FGO Rz. 31).
  • Wird die Klage vor der Bekanntgabe des Verwaltungsakts (Rz. 17), gegen den sich die Klage richten soll, erhoben, so ist die verfrühte Klage unheilbar unzulässig und kann nicht in die Zulässigkeit hineinwachsen[1]. Mit der Klage anfechtbar ist nur der erlassene, d. h. gem. § 122 AO bekannt gegebene, Verwaltungsakt, da er gem. § 124 Abs. 1 AO erst mit der Bekanntgabe Rechtswirkungen erzeugt. Vor dem Wirksamwerden ist der Verwaltungsakt nicht anfechtbar[2]. Hierbei ist es unerheblich, ob ein Einspruchsverfahren als Vorverfahren erforderlich wäre (§ 44 FGO Rz. 4) oder ob dieses nach § 348 AO ausgeschlossen ist (Rz. 17). Rechtsschutz gegen die Untätigkeit der Behörde beim Erlass eines Verwaltungsakts ist nur im Rahmen von § 347 Abs. 1 S. 2 AO durch den Untätigkeitseinspruch und des § 46 FGO durch die Untätigkeitsklage gegeben (Vor § 1 FGO Rz. 16b). Die Eindeutigkeit, Lückenlosigkeit und Ausschließlichkeit dieses Regelungsverbunds (Vor § 1 FGO Rz. 16a–16d) bewirken, dass die Bekanntgabe des Verwaltungsakts als Zugangsvoraussetzung der Klage zu werten ist[3]. Dies gilt selbst dann, wenn Rechtsfolgen des Verwaltungsakts (z. B. Erstattung der Überzahlung) bereits vorher eingetreten sind. Der Fehler wird durch die nachträgliche Bekanntgabe nicht geheilt. Die Klagefrist dient der Sicherung des Rechtsfriedens (Rz. 1), der aber durch einen Streit im Lauf des Entscheidungsprozesses in gleicher Weise gestört wird wie durch einen endlosen Streit. Für eine vorzeitige Klagemöglichkeit besteht überhaupt kein Rechtsschutzbedürfnis.
 

Rz. 13

Die Klageerhebung ist aber nicht vorzeitig, wenn die Finanzbehörde den Rechtsschein einer wirksamen Bekanntgabe hervorgerufen hat[4].

Die Klage ist auch dann nicht vorzeitig erhoben, wenn die tatsächliche Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (Rz. 17) und der Zugang der Klageschrift (Rz. 8) vor dem Ablauf der Bekanntgabefrist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 oder 2a AO (Rz. 19) liegen[5].

[2] BFH v. 8.4.1983, VI R 209/79, BStBl II 1983, 551; ebenso Hessisches FG v. 25.6.1984, 11 K 231/84, EFG 1985, 29; unter Ablehnung der zitierten FG-Rspr. insbes. FG Bremen v. 24.10.1979, I 142/79, EFG 1980, 59; a. A. BVerwG v. 13.12.1956, I C 36, 56, BVerwGE 4, 203; einschränkend auch FG Köln v. 19.12.1983, VIII 283/82 E, EFG 1984, 428, das die Zulässigkeit jedenfalls dann annehmen will, wenn dem Stpfl. der Inhalt des – noch nicht bekannt gegebenen – Verwaltungsakts im Vorwege bekannt geworden ist.
[3] Steinhauff, in HHSp, AO/FGO, § 47 FGO Rz. 119; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 47 FGO Rz. 4; v. Groll, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 47 FGO Rz. 9 m. w. N.; v. Beckerath, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 47 FGO Rz. 102.
[5] Steinhauff, in HHSp, AO/FGO, § 47 FGO Rz. 121 m. w. N.; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 47 FGO Rz. 4.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge