Rz. 5

Die große Zahl der durch die Finanzbehörden zu bearbeitenden Steuerfälle, die zunehmende Kompliziertheit und die Unbeständigkeit der Steuergesetze wie auch die vielfache Komplexität der zu beurteilenden Sachverhalte sind nur einige der zahlreichen Fehlerquellen im Besteuerungsverfahren, die zu einer Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten führen können. Durch die Einlegung eines Einspruchs zwingt der Stpfl. die Finanzbehörde, den angefochtenen Verwaltungsakt (noch einmal) auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

 

Rz. 6

Das finanzbehördliche Einspruchsverfahren ist ein dem finanzgerichtlichen Klageverfahren regelmäßig vorgeschaltetes Vorverfahren, dessen erfolgloser Abschluss nach § 44 Abs. 1 FGO grds. Voraussetzung der finanzgerichtlichen Sachentscheidung bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist. Gleichwohl handelt es sich nicht um einen Teil des Gerichtsverfahrens, sondern um einen Teil des finanzbehördlichen Verwaltungsverfahrens.[1] Dies zeigt sich schon daran, dass nach § 365 Abs. 1 AO im Einspruchsverfahren die Vorschriften, die für den Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts gelten, entsprechend anwendbar sind. Die entscheidende Finanzbehörde ist darüber hinaus nicht – wie ein Gericht – unabhängig und nur an Recht und Gesetz gebunden; vielmehr hat sie sich auch an Verwaltungsvorschriften, wie Richtlinien, Erlasse und Verfügungen, zu halten. Die Finanzbehörde hat die Sache im Einspruchsverfahren nach § 367 Abs. 2 S. 1 AO in vollem Umfang erneut zu prüfen. Sie darf sich also nicht nur – wie ein Gericht – auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts beschränken, sondern hat eine erneute Sachentscheidung zu treffen. Die Einspruchseinlegung versetzt die Finanzbehörde in die gleiche Rechtssituation, als würde sie nun aufgrund des Sach- und Rechtsstands im Zeitpunkt der Entscheidung erstmalig über die Sache entscheiden. Sie kann und muss – unabhängig von den allgemeinen Korrekturbestimmungen – den angefochtenen Verwaltungsakt aufheben oder inhaltlich korrigieren, wenn er nicht rechtmäßig ist. Ist der Finanzbehörde bei dem Erlass eines Verwaltungsakts ein Ermessen eingeräumt, hat sie – anders als das Gericht – über die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns in vollem Umfang erneut zu entscheiden und darf sich nicht lediglich auf die Überprüfung der zuvor getroffenen Ermessensentscheidung beschränken.[2] Schließlich kann im Einspruchsverfahren – anders als im finanzgerichtlichen Verfahren – auch eine "Verböserung" erfolgen, d. h. der angefochtene Verwaltungsakt darf auch zum Nachteil des Stpfl. geändert werden. Dies ist nach § 367 Abs. 2 S. 2 AO allerdings nur nach Anhörung des Stpfl. zulässig, der die Verböserung durch die Rücknahme des Einspruchs verhindern kann.

[2] S. hierzu § 367 AO Rz. 14.

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