rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung des Rechts auf nachträglichen Erlass eines Gewerbesteuermessbetrags-Bescheids für die Tätigkeit als berufsmäßiger Betreuer aufgrund langjähriger Feststellung „selbständiger Einkünfte” in den Gewinnfeststellungsbescheiden

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat das Betriebsstätten-Finanzamt die Einkünfte einer selbstständigen berufsmäßigen Betreuerin auch noch nach Veröffentlichung des BFH-Urteils IV R 26/03 vom 4.11.2004 jahrelang in den Bescheiden über die gesonderte Feststellung des Gewinns unzutreffend nicht als gewerblich behandelt, sondern jeweils der Einkunftsart „selbstständige Arbeit” zugeordnet und den Feststellungsbescheid für ein zeitlich vor der Urteils-Veröffentlichung liegendes Wirtschaftsjahr, der vorläufig nach § 165 AO hinsichtlich der Einkunftsart ergangen war, mehrere Jahre nach Veröffentlichung des BFH-Urteils unter Beibehaltung der Einkunftsart „selbstständige Arbeit” für endgültig erklärt, so hat das Finanzamt hiermit einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand zugunsten der Betreuerin geschaffen und das Recht auf nachträglichen Erlass eines Gewerbesteuermessbetragsbescheids für ein vor der Veröffentlichung des BFH-Urteils liegendes Wirtschaftsjahr verwirkt.

 

Normenkette

BGB § 242; GewStG § 2 Abs. 1 S. 1, § 35b Abs. 1; EStG § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1; AO § 165

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 15.12.2010; Aktenzeichen VIII R 55/09)

 

Tenor

1. Der Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2002 vom 17.6.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung v. 19.7.2009 wird aufgehoben.

2. Dem Beklagten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte gegen die Klägerin für das Jahr 2002 einen Gewerbesteuermessbetragsbescheid erlassen durfte oder ob ihm dies infolge Verwirkung verwehrt war.

Die Klägerin ist als selbständige Berufsbetreuerin gewerbesteuerpflichtig. Ihren Gewinn ermittelt sie durch Einnahme-Überschussrechnungen. In der von einem Steuerberater erstellten Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung v. 14.1.2002 das Jahr 2000 betreffend wurde der Gewinn der Einkunftsart selbständige Arbeit zugeordnet. Am 30.1.2002 fand laut Aktenvermerk des Finanzamts eine Besprechung mit dem Steuerberater statt, der auf einen beim Bundesfinanzhof anhängigen Rechtsstreit zur Einordnung der Tätigkeit des selbständigen Berufsbetreuers in die richtige Einkunftsart (Einkunft aus Gewerbebetrieb oder freiberufliche Tätigkeit) hinwies und um erklärungsgemäße Feststellung bat. Der Beklagte erließ einen entsprechenden Bescheid und setzte folgenden Vorläufigkeitsvermerk hinzu: Der Bescheid ergeht vorläufig hinsichtlich der Einstufung der Einkünfte in die entsprechende Einkunftsart.

Für die Jahre 2001 und 2002 und die nachfolgenden Kalenderjahre ergingen Feststellungsbescheide, die den Gewinn der Klägerin als Einkunft aus selbständiger Arbeit erfassten, ohne dass ein diesbezüglicher Vorläufigkeitsvermerk hinzugefügt wurde. Am 4.11.2004 entschied der Bundesfinanzhof (IV R 26/03, BStBl II 2005, 288), dass der berufsmäßige Betreuer i.S.d. §§ 1896 ff. BGB Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele. Am 18.10.2007 wurde der Feststellungsbescheid für das Jahr 2000 für endgültig erklärt. Am 11.3.2009 erließ der Beklagte für die Jahre 2003 bis 2006 und schließlich am 17.6.2009 für das Streitjahr Gewerbesteuermessbetragsbescheide, nachdem in einer Kontrollmitteilung der Oberfinanzdirektion v. 4.11.2008 in allgemeiner Form in Bezug auf die Einkünfte berufsmäßiger Betreuer auf ein Gewerbesteuerausfallrisiko aufmerksam gemacht und die vom Oberlandesgericht D. übermittelten Informationen über Auszahlungen der Landesjustizkasse an die Klägerin weitergegeben wurden.

Gegen den Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2002 legte die Klägerin am 18.6.2009 erfolglos Einspruch ein. Nach zurückweisender Einspruchsentscheidung v. 29.7.2009 erhob die Klägerin am 21.8.2009 Klage.

Die Klägerin ist der Meinung, dass der in sachlicher Hinsicht nicht angegriffene Gewerbesteuermessbetragsbescheid rechtswidrig sei, weil der Beklagte mit seiner Einordnung der klägerischen Tätigkeit in die Einkunftsart selbständige Arbeit einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand geschaffen und damit das Recht auf Erlass nachholender Gewerbesteuermessbetragsbescheide verwirkt habe. Das vertrauensbildende Verhalten sieht die Klägerin zum einen darin, dass der Beklagte über einen langen Zeitraum für die Jahre 2000 bis 2006 und auch noch, nachdem der Bundesfinanzhof anders entschieden hatte, in den Feststellungsbescheiden Einkünfte aus selbständiger Arbeit angenommen hat. Zum anderen stellt die Klägerin heraus, dass der Beklagte am 18.10.2007, also ebenfalls nach Veröffentlichung d...

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