Rz. 22

Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 34 Abs. 1 GrStG vor, ist für die Grundsteuer gem. § 34 Abs. 1 S. 1 und 2 GrStG ein Teilerlass in folgenden 2 Billigkeitsstufen zu gewähren:

Erlass wegen wesentlicher Ertragsminderung bei bebauten Grundstücken

Diese Prozentsätze geben feste Grenzen vor. Ist der normale Rohertrag im Erlasszeitraum nur bis zu 50 % gemindert, kommt ein Erlass nach § 34 Abs. 1 GrStG mithin nicht in Betracht.

Die Regelung zum erforderlichen Ausmaß der Ertragsminderung geht auf eine Änderung des § 33 GrStG i. d. F. des Grundsteuergesetzes v. 7.8.1973[1], zuletzt geändert durch Artikel 38 des Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) v. 19.12.2008[2], zurück (s. Rz. 3). Durch das JStG 2009 wurde § 33 Abs. 1 GrStG mit Wirkung v. 1.1.2008 neu gefasst. Infolge geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung[3], wonach ein Grundsteuererlass gem. § 33 Abs. 1 GrStG nicht nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt, sondern auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen kann, wurden erhebliche Grundsteuerausfälle befürchtet. Um eine gerechtere Lastenverteilung zwischen Steuerschuldner und der Gemeinde zu erreichen, wurde die Erlassmöglichkeit im Grundsatz zwar beibehalten, durch die Erhöhung des erforderlichen Ausmaßes der Ertragsminderung von vormals mehr als 20 % auf mehr als 50 % jedoch eingeschränkt.[4] Darüber hinaus wurde die Neufassung des § 33 Abs. 1 GrStG zur Verwaltungsvereinfachung genutzt. Nach § 33 Abs. 1 S. 1 GrStG a. F. (Rechtslage bis einschließlich Kalenderjahr 2007) war die Grundsteuer in Höhe des Prozentsatzes zu erlassen, der 4/5 des Prozentsatzes der Minderung des normalen Rohertrags entsprach. Infolgedessen mussten in Fällen, in denen der Erlassanspruch dem Grunde nach gegeben war, zur Berechnung von dessen Höhe sowohl der normale Rohertrag als auch der tatsächlich erzielte Ertrag genau ermittelt werden. Dies konnte im Einzelfall sehr schwierig und fehleranfällig sein. Nach der gesetzlichen Änderung ab 2008, wonach der Erlass in 2 Billigkeitsstufen (bei einer Ertragsminderung von mehr als 50 % oder 100 %) gewährt wird, konnte bereits nach überschlägiger Berechnung ermittelt werden, ob das erforderliche Ausmaß der Ertragsminderung für einen Erlass der Grundsteuer von mehr als 50 % eingetreten ist. Diese Änderung stellte sowohl für Behörden und Gerichte als auch für die Steuerpflichtigen selbst und ihre steuerlichen Berater eine erhebliche Vereinfachung dar.[5]

 

Rz. 23

Abschließend folgendes Beispiel zur Gewährung des Erlasses nach § 34 Abs. 1 GrStG:

 
Praxis-Beispiel

Für ein Mietwohngrundstück mit einer Wohnfläche von insgesamt 600 m² Wohnfläche wurden infolge eines Wohnungsbrandes im Kalenderjahr 2026 nur Bruttoeinnahmen i. H. v. 14 400 EUR erzielt. Laut Mietspiegel beträgt die zutreffende ortsübliche Vergleichsmiete am 1.1.2026 5 EUR/m² Wohnfläche. Der Steuerschuldner beantragt am 1.2.2027 ein Grundsteuererlass wegen wesentlicher Ertragsminderung für das Kalenderjahr (den Erlasszeitraum) 2026 bei der zuständigen Gemeinde.

Der normale Rohertrag für das bebaute Grundstück ist im Erlasszeitraum 2026 aus nicht vom Steuerschuldner zu vertretenden Gründen gemindert. Eine Wertfortschreibung des Einheitswerts kommt unter bestimmten Voraussetzungen frühestens zu Beginn des Kalenderjahres 2027 in Betracht.

Ausgehend von der nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums 2026 geschätzten üblichen Jahresmiete beträgt der normale Rohertrag für das bebaute Grundstück 36.000 EUR (600 m² Wohnfläche x 5 EUR/m² Wohnfläche ortsübliche Miete x 12 Monate). Abzüglich der tatsächlich im Erlasszeitraum 2026 erzielten Mieteinnahmen (Nettokaltmiete) i. H. v. 14.400 EUR beträgt die Minderung des normalen Rohertrags 21.000 EUR (36.000 EUR ./. 14.400 EUR) bzw. 60 % (21.000 EUR von 36.000 EUR). Da der normale Rohertrag für das bebaute Grundstück somit nach den Verhältnissen im Erlasszeitraum 2026 um mehr als 50 % gemindert ist, ist die Grundsteuer für das Kalenderjahr 2026 i. H. v. 25 % von der zuständigen Gemeinde zu erlassen. Der Erlassantrag wurde vom Steuerschuldner fristgemäß bei der zuständigen Gemeinde gestellt, er hat einen Rechtsanspruch auf den Erlass der Grundsteuer in der genannten Höhe.

 

Rz. 24

einstweilen frei

[1] BGBl I 1973, 965.
[2] BGBL I 2008, 2794.
[4] BT-Drs. 16/10494 v. 7.10.2008, 32, 33.
[5] FG Bremen v. 9.6.2010, 3 K 57/09 (1), EFG 2010, 1813.

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