Rz. 10

Nach § 11 Abs. 1 GrStG haftet insbesondere der Nießbraucher des Steuergegenstandes neben dem Steuerschuldner für die auf den Steuergegenstand oder Teil des Steuergenstandes entfallende Grundsteuer.

Der Grundgedanke dieses Haftungstatbestandes setzt daran an, dass der Nießbraucher dem Steuergegenstand die wirtschaftliche Substanz entzieht, in dem er die Nutzungen abschöpft, die zur Tilgung der Grundsteuerschulden eingesetzt werden sollen.[1]

Eine Sache, insbesondere ein Grundstück, kann nach § 1030 BGB in der Weise belastet werden, das derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen (Nießbrauch). Der Berechtigte ist der Nießbraucher.

Haftender Nießbraucher ist mithin derjenige, zu dessen Gunsten der Nießbrauch an dem Steuergegenstand bestellt wurde. Ohne Bedeutung ist, ob es sich dabei um einen Vorbehalts- oder Zuwendungsnießbrauch handelt.[2] Der Nießbrauch stellt grundsätzlich ein umfassendes dingliches Nutzungsrecht dar, das durch Einigung und Eintragung im Grundbuch entsteht (§§ 1030 Abs. 1, 873 Abs. 1 BGB). Nießbrauch ist das nicht übertragbare und nicht vererbbare Recht, die Nutzungen aus der Sache zu ziehen (§§ 1030 ff. BGB). Nutzungen i. S. d. § 100 BGB sind die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. Infolgedessen ist der Nießbraucher insbesondere berechtigt, die Früchte (Erträge) aus der Vermietung und Verpachtung des mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücks zu ziehen (zu erzielen). Mit dem Tod des Nießbrauchberechtigten erlischt der Nießbrauch. Bei einem Nießbrauch zugunsten einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft erlischt der Nießbrauch mit dieser (§ 1061 BGB).

Die Haftung des Nießbrauchers beginnt mit der Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch. Sie erstreckt sich grundsätzlich auf das gesamte Grundstück, für das der Nießbrauch bürgerlich-rechtlich bestellt wurde. Dies gilt auch bei einem eingeschränkten Nießbrauch. Ist der Nießbrauch z. B. auf einen Miteigentumsanteil beschränkt, haftet der persönlich haftende Nießbraucher wie alle Miteigentümer i. S. d. § 10 Abs. 2 GrStG zugleich gesamtschuldnerisch für die volle Grundsteuerschuld.[3] Wenn der Nießbrauch hingegen nur für einen real abgrenzbaren Teil des Grundstücks besteht, ist die Haftung des Nießbrauchers nur auf diesen Teil beschränkt.

Mit dem Nießbrauch sind nicht nur besondere Rechte, sondern auch eine Reihe von Pflichten verbunden. Nach § 1047 BGB ist der Nießbraucher gegenüber dem Eigentümer insbesondere verpflichtet, für die Dauer des Nießbrauchs die auf dem Grundstück ruhenden öffentlichen Lasten, also auch die Grundsteuer, zu tragen. Der Nießbraucher wird damit durch die Haftungsregelung in § 11 Abs. 1 GrStG wirtschaftlich nicht schlechter gestellt. Mit der Entrichtung der Grundsteuer an die Gemeinde erfüllt er gleichzeitig seine Verpflichtung gegenüber dem Eigentümer. Insoweit kann die Regelung in § 11 Abs. 1 GrStG auch als Ausfluss von § 1047 BGB angesehen werden.[4] Der Haftungstatbestand in § 11 Abs. 1 GrStG vervollständigt im Interesse der Steuergläubiger die zivilrechtlich in § 1047 BGB enthaltene Verpflichtung des Grundstückseigentümers, für die Entrichtung der öffentlichen Lasten, einschließlich der Grundsteuern, zu sorgen. Die Gemeinde erhält lediglich einen direkten Durchgriff auf den Nießbraucher als Haftungsschuldner, wenn der Eigentümer als Steuerschuldner seiner Verpflichtung zur Entrichtung der Grundsteuer nicht nachkommt.[5]

 

Rz. 11

Des Weiteren haftet nach § 11 Abs. 1 GrStG auch derjenige, dem ein dem Nießbrauch ähnliches Recht an dem Steuergegenstand zusteht, neben dem Steuerschuldner für die auf den Steuergegenstand oder Teil des Steuergenstandes entfallende Grundsteuer.

In der Gesetzesbegründung wird insoweit das Recht des überlebenden Ehegatten des Erblassers zur Verwaltung und Nutznießung am Hof bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Hoferben i. S. d. § 14 Abs. 1 der Höfeordnung (HöfeO)[6] angesprochen.[7] Die HöfeO gilt ausschließlich in den Ländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.

Ob auch ein Nutzungsrecht des öffentlichen Rechts unter § 11 Abs. 1 GrStG fällt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden.[8]

Mieter und Pächter sowie Eigentümer eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden verfügen über kein dem Nießbrauch ähnliches Recht. Dauerschuldverhältnisse wie Miete oder Pacht sind dinglichen Nutzungsrechten, wie dem Nießbrauch, nicht ähnlich.

In der Fachliteratur wird – eher ablehnend – über die Frage diskutiert, ob ein dingliches Wohnungsrecht die Haftung nach § 11 Abs. 1 GrStG auslösen kann.[9] Das dingliche Wohnungsrecht nach § 1093 BGB wird grundsätzlich als ein Sonderfall einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit mit nießbrauchähnlicher Gestaltung angesehen.[10] Auf dieses Recht finden ein Großteil der für den Nießbrauch geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Eine zum Nießbrauch vergleichbare...

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