Rz. 15

Nach den allgemein anerkannten Vorschriften für die Verkehrswertermittlung von Immobilien auf der Grundlage des Baugesetzbuchs sind für die Wertermittlung von bebauten Grundstücken das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren, das Sachwertverfahren oder mehrere dieser Verfahren heranzuziehen. Die Wertermittlungsverfahren sind nach der Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Eignung der zur Verfügung stehenden Daten, begründet zu wählen (§ 6 Abs. 1 ImmoWertV). Ist im gewöhnlichen Geschäftsverkehr die Erzielung von Erträgen für die Preisbildung ausschlaggebend, kommt insbesondere das Ertragswertverfahren, ist im gewöhnlichen Geschäftsverkehr hingegen der Sachwert von nutzbaren baulichen oder sonstigen Anlagen für die Preisbildung ausschlaggebend, kommt vornehmlich das Sachwertverfahren in Betracht (Nrn. 6.1.5 und 6.1.6 ImmoWertA-E[1]). Während das Ertragswertverfahren somit insbesondere für Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke heranzuziehen ist, kommt das Sachwertverfahren vor allem für Objekte des individuellen Wohnungsbaus, wie Ein- und Zweifamilienhäuser, zur Anwendung.

Bei der Grundsteuerbewertung erfolgt die Bewertung der bebauten Grundstücke in Abhängigkeit von der Grundstücksart in einem typisierten Ertrags- oder Sachwertverfahren, die in Anlehnung an Vorschriften für die Verkehrswertermittlung (vereinfachtes Ertragswertverfahren und Sachwertverfahren) ausgestaltet wurden. Im Rahmen der typisierenden steuerlichen Grundsteuerbewertung wird die Wahl der Wertermittlungsverfahren durch die verbindliche grundstücksartbezogene Zuordnung der Bewertungsverfahren ersetzt.

Abb. 1: Zuordnung der Bewertungsverfahren

Analog zur Einheitsbewertung 1964 sah der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen für ein Grundsteuer-Reformgesetz vom 4.3.2019[2] das Ertragswertverfahren noch als vorrangige Bewertungsmethode für bebaute Grundstücke vor. Abgesehen von den sonstigen bebauten Grundstücken sollte das Sachwertverfahren für Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke und Teileigentum nur nachrangig als Auffangverfahren zur Anwendung kommen, wenn für die wirtschaftliche Einheit auf dem örtlichen Grundstücksmarkt keine übliche Miete ermittelt werden kann.

Im Interesse der Praktikabilität und Zukunftsfähigkeit der Bewertungsverfahren (automationsunterstützte Bewertungsverfahren[3]) und einer Minimierung des Erfüllungsaufwands wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens im Kompromisswege jedoch entschieden, dass die gemischt genutzten Grundstücke und die Nichtwohngrundstücke ausschließlich in einem vereinfachten Sachwertverfahren bewertet werden sollen.[4] Für gemischt genutzte Grundstücke und Nichtwohngrundstücke stehen – im Gegensatz zu den Wohngrundstücken – keine durchschnittlichen Nettokaltmieten aus statistischen Grundlagen zur Verfügung. Auf eine Ermittlung der tatsächlich vereinbarten und üblichen Mieten als Anwendungsvoraussetzung für das Ertragswertverfahren konnte somit für alle Grundstücksarten der bebauten Grundstücke endgültig verzichtet werden.

Angesichts einer sich turnusmäßig wiederholenden Massenbewertung für ca. 36 Mio. wirtschaftliche Einheiten des Grundbesitzes (musste) sich der Gesetzgeber im Rahmen der Reform der Grundsteuer immer stärker von Praktikabilitätserwägungen leiten lassen. Gleichwohl bestehen dem Grunde nach keine Zweifel daran, dass die vom Gesetzgeber ausgewählten Bewertungsmethoden prinzipiell geeignet sind, um den Belastungsgrund der Grundsteuer (Leistungsfähigkeit infolge des Innehabens von Grundbesitz) erfassen und das Bewertungsziel (am Verkehrswert orientierter "objektiviert-realer Wert") hinreichend erreichen zu können (§ 243 BewG Rz. 2).[5] Ob die innerhalb der Bewertungsverfahren vorgesehenen Typisierungen und Pauschalierungen allen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, ist in nachfolgenden Schritten gesondert zu prüfen. Zur grundstücksartbezogenen Zuordnung der Bewertungsverfahren ist ergänzend anzumerken, dass auch zur Verkehrswertermittlung von Grundstücken auf der Grundlage der Vorschriften der ImmoWertV die Anwendung mehrerer Verfahren – zumindest zur Stützung anderer Verfahrensergebnisse – grundsätzlich möglich ist.Insbesondere können auch Ein- und Zweifamilienhäuser sachgerecht im Ertragswertverfahren bewertet werden.[6]

Hinsichtlich der Auswahl und Wesenszüge der Bewertungsverfahren für bebaute Grundstücke sowie deren Zuordnung auf die Grundstücksarten gem. § 249 Abs. 1 BewG wird ergänzend auf die Darstellung zur gesetzlichen Neukonzeption zur Bewertung des Grundvermögens verwiesen (§ 243 BewG Rz. 2ff.).

[1] ImmoWertV-Anwendungshinweise – ImmoWertA (Entwurf-Stand 22.12.2021), abgerufen von der Internetseite des BMI am 29.5.2022.
[2] NWB-Datenbank, abgerufen am 29.5.2022.
[3] S. Gesetzesbegründung zum Grundsteuer-Reformgesetz, BT-Drs. 19/11085 v. 25.6.2019, 98, ...

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