Rz. 11

Nach § 244 Abs. 1 BewG bildet jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein Grundstück. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit ist ein bewertungsrechtlicher Typusbegriff, um den Bewertungsgegenstand abzugrenzen bzw. die Bewertungseinheit zu bestimmen. Maßgebend ist nach der allgemeinen Bewertungsvorschrift in § 2 Abs. 1 S. 3 BewG, was nach der Verkehrsanschauung als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist hierunter die Anschauung zu verstehen, die urteilsfähige und unvoreingenommene Bürger von einer Sache haben oder gewinnen können, wenn sie mit ihr befasst werden.[1] Zu beachten ist, dass sich die Verkehrsanschauung mit der wirtschaftlichen Entwicklung weiterentwickelt.

Unter der Prämisse der Verkehrsanschauung bestimmt sich der Begriff "wirtschaftliche Einheit" vornehmlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.[2] Dabei sind gem. § 2 Abs. 1 S. 4 BewG die örtliche Gewohnheit und tatsächliche Übung (Rz. 12), die Zweckbestimmung (Rz. 13) und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit (Rz. 14) der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen. Neben objektiven Merkmalen, wie die örtliche Gewohnheit und tatsächliche Übung sowie wirtschaftliche Zusammengehörigkeit, sind mithin auch subjektive Merkmale, wie die Zweckbestimmung, maßgebend. Stehen die subjektiven Merkmale allerdings im Widerspruch zu den objektiven Merkmalen, sind die objektiven Merkmale maßgeblich.[3]

Insbesondere bei Wohngrundstücken wird darüber hinaus die Möglichkeit zur Veräußerung der wirtschaftlichen Einheit unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten des Bewertungsgegenstandes vorausgesetzt (Rz. 15).

Mehrere Wirtschaftsgüter können nach § 2 Abs. 2 BewG grundsätzlich aber nur zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden, wenn sie demselben Eigentümer gehören (Grundsatz der Einheitlichkeit des Eigentums).

Mit der Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens wird entschieden, welche Vermögensgegenstände des Grundvermögens (§ 243 BewG Rz. 23ff.) bewertungsrechtlich zu einer wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens zusammenzufassen sind. Bei einem bebauten Grundstück gehören gem. § 244 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Nr. 1 BewG mithin der Grund und Boden, die Gebäude, die Nebengebäude, wie z. B. Garagen[4], die sonstigen Bestandteile und das Zubehör zur wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens. Zu einer wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens können auch mehrere Flurstücke, Gebäude oder selbstständige Gebäudeteile zusammengefasst werden.[5]

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Bewertungsvorschrift in § 2 Abs. 1 S. 1 und 2 BewG ist jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens für sich (Grundsatz der Bewertungseinheit) und im Ganzen (Grundsatz der Gesamtbewertung) zu bewerten.

 

Rz. 12

Die Merkmale einer wirtschaftlichen Einheit "örtliche Gewohnheit und tatsächliche Übung" gehören inhaltlich zusammen. Denn die örtliche Gewohnheit entspricht dem üblichen Verhalten in bestimmten Regionen, die durch langjährige Übung entsteht.[6]

Das Merkmal "örtliche Gewohnheit" erlangt insbesondere bei der Abgrenzung größerer Grundstücke Bedeutung. Zum Grund und Boden eines bebauten Grundstücks gehören die bebaute Fläche und die mit dem Gebäude im Zusammenhang stehende unbebaute Fläche, insbesondere der Hof sowie Haus- und Vorgarten. Bei einer sich hieran anschließenden größeren unbebauten Fläche ist für die Beurteilung, was als wirtschaftliche Einheit gilt, die Verkehrsanschauung maßgebend.[7] Insbesondere in Wohngebieten mit offener Bauweise[8] kann es der örtlichen Gewohnheit entsprechen, auch bebaute Grundstücke mit größeren Hausgärten zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen.[9] Eine Abspaltung einer Teilfläche als unbebautes Grundstück kann allerdings in Betracht kommen, wenn sich eine entsprechende örtliche Gewohnheit entwickelt hat oder wenn durch eine katastermäßige Parzellierung erkennbar geworden ist, dass eine weitere Bebauung oder eine Veräußerung dieser Teilflächen in Aussicht genommen ist.[10] Hat sich eine örtliche Gewohnheit dahingehend gebildet, selbstständig zugängliche Teilflächen zu bebauen, kann z. B. eine an ein Einfamilienhausgrundstück angrenzende unbebaute Fläche auch bei sog. offener Bauweise eine selbstständige wirtschaftliche Einheit bilden.[11]

Diese Fälle sind von denjenigen zu unterscheiden, in denen nur eine wirtschaftliche Einheit mit einer selbstständig nutzbaren Teilfläche i. S. d. § 257 Abs. 2 S. 1 BewG vorliegt.[12] Die Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit nach den Grundsätzen des § 2 BewG hat stets Vorrang vor der Annahme von selbstständig nutzbaren Teilflächen.[13] Wird von einem größeren Grundstück eine Teilfläche verpachtet und errichtet der Pächter auf dieser Fläche ein Gebäude, ist die Teilfläche als selbstständige wirtschaftliche Einheit zu bewerten.[14] Für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens ist grundsätzlich ohne Belang, ob eine Grundstücksfläche katastertechnisch verselbstständigt ...

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