Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. keine Verlängerung der Anspruchsdauer nach der Übergangsregelung des § 434l SGB 3. fehlende Entstehung eines Stammrechts bis zum Stichtag. fehlende subjektive Verfügbarkeit

 

Orientierungssatz

1. Eine Verlängerung der Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldanspruchs durch Anwendung des § 127 SGB 3 in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung nach den Übergangsregelungen des § 434l Abs 1 oder Abs 2 SGB 3 scheidet aus, wenn ein Stammrecht auf Arbeitslosengeld nicht bis zum 31.1.2006 entstanden war. Die Entstehung eines solchen Stammrechts bedingt, dass in der Übergangszeit vom 1.1.2004 bis 31.1.2006 zumindest an einem Tag gleichzeitig alle materiellen, positiven Voraussetzungen eines Arbeitslosengeldanspruchs gem § 117 Abs 1 SGB 3 idF vom 24.3.1997 bzw § 118 Abs 1 SGB 3 idF vom 23.12.2003 vorgelegen haben müssen. Daran fehlt es, wenn der Beschäftigungslose sich mit Arbeitslosmeldung im Jahr 2004 erst ab 1.1.2005 der Vermittlung für eine wöchentlich mindestens 15stündige Tätigkeit zur Verfügung gestellt hat und es in der Zeit ab dem 1.1.2005 durch Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 30.12.2004, Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und erfolgreicher Beantragung von Krankengeld nicht nur an der objektiven, sondern auch an der subjektiven Verfügbarkeit mangelte. Fehlt die subjektive Verfügbarkeit, so ändert auch die Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs 1 SGB 3 an diesem Ergebnis nichts.

2. Die Verkürzung der Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes gem § 127 Abs 2 SGB 3 idF vom 24.12.2003 ist unter Berücksichtigung der Übergangsregelung des § 434l SGB 3 verfassungsmäßig (vgl BSG vom 14.9.2010 - B 7 AL 23/09 R = SozR 4-4300 § 127 Nr 1).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.12.2011; Aktenzeichen B 11 AL 77/11 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt ab dem 30.05.2006 Arbeitslosengeld (Alg) für einen längeren Zeitraum als 360 Tagen.

Die 1952 geborene Klägerin war ab dem 21.03.1988 als “Mitarbeiterin in der Montage und Qualitätsendkontrolle„ sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte am 30.06.2004 das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 31.12.2004. Mit Schreiben vom 23.09.2004 stellte er die Klägerin “ab sofort frei, der Arbeit fern zu bleiben„. In einem Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Pforzheim (1 Ca 350/04) schlossen die Klägerin und ihr Arbeitgeber am 23.11.2004 einen gerichtlich protokollierten Vergleich. Dieser sah vor, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2004 gegen Zahlung einer Abfindung von € 25.000,00 endete und die Klägerin “unter Anrechnung etwaiger Resturlaubs- und Freizeitansprüche unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt (bleibt)„.

Die Klägerin hatte sich am 01.07.2004 arbeitsuchend gemeldet. Am 30.09.2004 meldete sie sich sodann auch arbeitslos und beantragte Alg. Den am 04.10.2004 unterschriebenen Antrag reichte sie am 11.10.2004 bei der Beklagten ein. Sie hatte darin angekreuzt, sie übe keine Beschäftigung von mehr als 15 Stunden aus, sie sei bereit, alle Möglichkeiten zur Beendigung der Beschäftigungslosigkeit zu nutzen und sei zurzeit nicht arbeitsunfähig erkrankt. In grüner Schrift ist auf dem Antragsformular in dem Feld “Eingangsstempel„ das Datum 01.01.2005 notiert. Der Arbeitgeber kreuzte in der vorläufigen und der endgültigen Arbeitsbescheinigung vom 04.10.2004 und 28.12.2004 jeweils nicht das Feld an, das Beschäftigungsverhältnis sei bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis beendet, z. B. durch eine Freistellung. Am 03.12.2004 ging bei der Beklagten das Protokoll des Vergleichs vor dem ArbG Pforzheim vom 23.11.2004 ein.

Ab dem 30.12.2004 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt (AU-Bescheinigung von Internist H. von diesem Tag). Die Krankenkasse der Klägerin, die AOK Baden-Württemberg, teilte diesem Arzt mit, dass die Klägerin arbeitslos sei und daher Arbeitsunfähigkeit nur anzunehmen sei, wenn die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, leichte Tätigkeiten für mindestens 15 Stunden wöchentlich zu verrichten. Arzt H. antwortete in seiner Stellungnahme vom 15.01.2005, das Leistungsvermögen der Klägerin liege unter drei Stunden täglich. Die AOK beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg mit einer Begutachtung und gab die gleichen Hinweise wie dem Arzt. Der MDK stellte in seinem Gutachten vom 19.01.2005 fest, die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit könnten nicht bestätigt werden, ein positives Leistungsprofil sei “auch bei inzwischen ab 01.01.2005 arbeitsloser Patientin„ nicht festzustellen. Zu entsprechenden Feststellungen kamen die weiteren Gutachten des MDK vom 11.03.2005 und 22.04.2005. Ab dem 01.01.2005 bezog die Klägerin Krankengeld (Krg) von ihrer Krankenkasse, der AOK Baden-Württemberg.

Mit Bescheid vom 04.01.2005 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Alg ab. Dieser ruhe, weil die Klägerin Krg beziehe. Ein Rechtsbehelf wurde nicht ein...

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