Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitszeitverkürzung. Umfang bezahlter Freistellungstage bei Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Beträgt die regelmäßige Arbeitszeit eines Arbeitnehmers der Druckindustrie nicht 35, sondern 40 Wochenstunden, kann der tarifliche Anspruch auf bezahlte Freistellung nicht für Zeiten gekürzt werden, in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war und für die er einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hatte.

 

Normenkette

Ziffer 2 der Durchführungsbestimmungen zu § 3 MTV Druckindustrie (1997)

 

Verfahrensgang

ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 09.10.2002; Aktenzeichen 2 Ca 2557/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 05.11.2003; Aktenzeichen 5 AZR 109/03)

 

Tenor

1.Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom09.10.2002 – 2 Ca 2557/02 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2.Streitwert: unverändert (372,96 EUR).

3.Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Umfang bezahlter Freistellungstage des Klägers.

Die Beklagte unterhält einen Druckereibetrieb mit rund 1000 Arbeitnehmern. Der am 27.04.1945 geborene Kläger ist dort seit September 1972 als Hilfskraft mit einem Stundenlohn in Höhe von zuletzt 13,32 EUR brutto beschäftigt. Seine Arbeitszeit wie auch die der anderen Arbeitnehmer beträgt 40 Wochenstunden. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der (Bundes-) Mantel-Tarifvertrag (MTV) der Druckindustrie vom 06.02.1997, gültig ab 01.01.1997, Anwendung. Nach dessen § 3 Nr. 1 beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (in den alten Bundesländern) 35 Stunden. Gemäß Ziffer 2 der Durchführungsbestimmungen zu § 3 MTV, die nach § 17 MTV Bestandteil des Tarifvertrags sind, ist die durch Verkürzung der Wochenarbeitszeit (auf 35 Stunden) entstehende Freizeit nach dort näher geregelten Möglichkeiten zu verteilen, unter anderem durch „bezahlte Freistellung in Tagen, verteilt auf die Arbeitswochen des … Jahres”. Weiter heißt es:

„Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beträgt die durch Verkürzung der Wochenarbeitszeit entstehende Freizeit bei Berechnung nach Tagen … für ein Jahr 30 Tage …

Fällt einer dieser freien Tage mit Zeiten einer Krankheit … zusammen, so ist er verbraucht.”

Die Beklagte erfasst die Arbeitszeitverkürzungstage (AZV-Tage) ihrer Mitarbeiter jeweils für ein Jahr (AZV-Jahr). Das AZV-Jahr erstreckt sich auf den Zeitraum 1. April eines Jahres bis 31. März des Folgejahres. Mit Schreiben vom 08.03.2002 erklärte die Beklagte, dass ein Verfall zum 31.03.2002 von noch nicht verbrauchten AZV-Tagen in dort näher genannten Fällen nicht eintrete.

Der Kläger war im AZV-Jahr 2001/2002 an insgesamt 28 Tagen arbeitsunfähig krank. Mit Ausnahme von einem Fehltag (unbezahlter Urlaub) erhielt er für die Fehltage Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Als AZV-Tage 2001/2002 legte die Beklagte in seinem Fall insgesamt 26 der 30 AZV-Tage zugrunde. Vier der AZV-Tage zog sie unter vorgerichtlichem Hinweis auf die Krankheitsfehlzeiten des Klägers ab.

Mit der am 10.07.2002 beim Arbeitsgericht Mönchengladbach eingegangenen Klage macht der Kläger die Gutschrift von vier AZV-Tagen (für das AZV-Jahr 2001/2002) geltend, da für deren Abzug kein Rechtsgrund bestehe. Zum einen ergebe sich dies aus der tariflichen Regelung. Zum anderen spreche hierfür auch das Ergebnis der schiedsgerichtlichen Verhandlung und das Ergebnis des Schiedsspruchs des Zentralen Schiedsgerichts der Druckindustrie vom 16.01.1986 zum damals geltenden Mantel-Tarifvertrag, wonach AZV-Tage zwar verbraucht seien, wenn sie mit einer nachfolgenden Erkrankung des Arbeitnehmers zusammenfielen, umgekehrt für das Entstehen des Anspruchs auf AZV-Tage eine bestehende Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers dagegen keine Rolle spiele.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Monatskonto des Klägers vier AZV-Tage (aus dem AZV-Jahr 2001/2002) gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht: Ein Anspruch auf die vom Kläger geltend gemachten vier AZV-Tage bestehe nicht. AZV-Tage als Ausgleich für längere als die tariflich geregelte Wochenarbeitszeit könnten nur entstehen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung auch tatsächlich erbringe. Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit entstehe mangels erbrachter Arbeitszeit über die tariflich vorgesehene Arbeitszeit hinaus auch kein Anspruch auf Arbeitszeitverkürzung. Das vom Kläger erwähnte Schiedsverfahren vom Januar 1986 habe mit der hier streitigen Frage nichts zu tun.

Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat der Klage mit Urteil vom 09.10.2002 – 2 Ca 2557/02 – stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vorliegenden Berufung, die sie zu den im Sitzungsprotokoll vom 28.01.2003 genannten Zeitpunkten eingelegt und begründet hat und mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage begehrt, während der Kläger die Zurückweisung der Berufung beantragt. Auf das Berufungsvorbringen beider Parteien wird Bezug genommen, ebens...

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