Verfahrensgang

ArbG Wesel (Aktenzeichen 3 BV 9/98)

 

Tenor

1. Die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf möchte die Auffassung vertreten, daß sich aus § 5 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über Europäische Betriebsräte vom 28.10.1996 (EBRG) ein Anspruch des örtlichen Betriebsrates auf Auskunftserteilung und Vorlage von Unterlagen auch dann ergibt, wenn unklar ist, ob das um Auskunft angegangene Unternehmen ein „herrschendes” im Sinne des § 6 EBRG ist.

2. Der Europäische Gerichtshof wird gemäß Art. 177 Abs. 1 Buchstabe a) und Abs. 2 EG-Vertrag zur Auslegung des Art. 117 EG-Vertrag, der Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer vom 9.12.1989 und der Richtlinie 94/45 des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung folgender Fragen angerufen:

  1. Ist Art. 11 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 94/45 EG des Rates vom 22.09.1994 dahingehend auszulegen, daß der dort geregelte Auskunftsanspruch schon dann besteht, wenn (noch) nicht feststeht, ob es in der Unternehmensgruppe gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchstabe b) Richtlinie 94/45/EG ein herrschendes Unternehmen im Sinne des Art. 3 Richtlinie 94/45/EG gibt?
  2. Falls die Frage zu a) bejaht wird:

    Umfaßt der Auskunftsanspruch des Art. 11 Abs. 1 und 2 Richtlinie 94/45/EG auch das Recht des Betriebsrates, Angaben vom befragten Unternehmen zu verlangen, die die Vermutungswirkung des Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 94/45/EG auslösen?

  3. Schließt Art. 11 Abs. 1 und 2 Richtlinie 94/45/EG auch das Recht des Betriebsrates ein, vom Unternehmen die Aushändigung von Unterlagen zur Präzisierung und Erläuterung der Auskunft zu verlangen?
 

Gründe

I.

Die Parteien streiten im wesentlichen über die Frage, ob der Antragsgegner (im folgenden „Arbeitgeber” genannt) verpflichtet ist, dem Antragsteller (im folgenden „Betriebsrat” genannt) Auskünfte zur Vorbereitung der Installation eines europäischen Betriebsrates zu erteilen.

Der Betriebsrat, der bei dem in S (Bundesrepublik Deutschland, Land Nordrhein-Westfalen) ansässigen Arbeitgeber gebildet wurde, ist einer von mehreren Betriebsräten im Konzern des Arbeitgebers. Nach Darstellung des Betriebsrates gehören zur bnternehmensgruppe in Deutschland und in den Staaten der Europäischen Union folgende Unternehmen:

b

B

Deutschland West GmbH & Co. KG

S.

ca. 1900

1

Antragsteller

b.

B.

Deutschland Ost GmbH & Co. KG

A.

ca. 610

1

Betriebsrat

b.

Dienstleistungs GmbH & Co. KG

S.

ca. 730

1

Betriebsrat

s.

Speditions GmbH & Co. KG

S.

ca. 40

b.

Italien

ca. 1800

b.

Spanien

ca. 600

b.

Österreich

ca. 400

b.

Frankreich

ca. 200

b.

Niederlande

ca. 40

b.

Griechenland

ca. 30

b.

England

Im April 1993 schlossen die in Deutschland ansässigen Unternehmen der b.-Gruppe einen sogenannten Gleichordnungskonzernvertrag, wonach die Konzernleitung einem Lenkungsausschuß übertragen wurde. Wegen der Einzelheiten des Vertrages nebst Anlagen wird auf Blatt 7 bis 22 der Akten verwiesen.

Im April 1997 verabschiedeten die europaweit tätigen Unternehmen der b. Gruppe einen „Internationalen Gleichordnungskonzernvertrag zwischen den Unternehmen der b. Gruppe in Europa” (vgl. Blatt 140 der Akten). Dieser sieht unter anderem folgende Leitungsrichtlinien vor:

2.

b. Lenkungsausschuß Europa

2.1

Der b. Lenkungsausschuß Europa hat die Aufgabe, die Grundlinien der Geschäftstätigkeit der b. Unternehmen mit dem Ziel eines möglichst einheitlichen und effektiven Marktantritts der Marke b. in Europa unter Berücksichtigung der jeweiligen länderspezifischen Besonderheiten festzulegen.

2.2

Der b. Lenkungsausschuß Europa setzt sich aus den von den b. Unternehmen jeweils nach Maßgabe der landesspezifischen Regelungen zu bestimmenden Mitgliedern der nationalen Leitungsorgane zusammen. Auf jede Vertragspartei (d. h. auf jedes Land, in welchem b. Unternehmen operativ tätig sind) entfällt eine Stimme; wird eine Vertragspartei von mehreren Personen vertreten, können diese das Stimmrecht nur einheitlich ausüben.

2.3

Beschlußfassungen erfolgen einstimmig; läßt sich die Einstimmigkeit nicht erreichen, muß der Beschluß auf eine spätere Zusammenkunft vertagt werden. Gefaßte Beschlüsse sind für alle davon jeweils erfaßten Vertragsparteien verbindlich und von den national zuständigen Leitungsorganen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches eigenverantwortlich umzusetzen.

3.

Gesellschafterbeirat

3.1

Der von den Mehrheitsgesellschaftern der b. Unternehmen eingesetzte Gesellschafterbeirat nimmt beratend an den Sitzungen des b. Lenkungsausschusses Europa teil.

3.2

Entsprechend der gegenüber den einzelnen b. Unternehmen bestehenden Beratungs- und Überwachungspflichten äußern sich die Mitglieder des Gesellschafterbeirates anläßlich der Sitzungen des b. Lenkungsausschusses Europa in Bezug auf die Vorteilhaftigkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der zur Beschlußfassung vorgeschlagenen Maßnahmen.

3.3

Bei Beschlußfassungen über Geschäfte und Maßnahmen, welche über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehen, üben die Mitglieder des Gesellschafterbeirates in analoger Anwendung zu § 164 HGB das Zustimmung...

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