Rz. 12

[Autor/Stand] Gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO kann die StA bzw. die Finanzbehörde mit Zustimmung des Gerichts von der weiteren Strafverfolgung absehen, wenn die individuelle Schuld – im Vergleich zu entsprechenden Taten – als gering anzusehen wäre und keine überindividuellen Belange die Verfolgung im öffentlichen Interesse gebieten. Auf die Zustimmung des Gerichts kommt es seit der Änderung des § 153 StPO zum 1.3.1993 durch das RpflEntlG (s. Rz. 4) dann nicht an, wenn sich das Verfahren auf ein Vergehen bezieht, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind (§ 153 Abs. 1 Satz 2 StPO). Anders als zuvor erfasst die Norm seitdem nicht nur Vermögensdelikte, sondern alle Arten von Straftaten, mithin unstreitig auch Steuerdelikte (s. dazu bereits Rz. 4). Hierin zeigt sich der weitgehend identische Regelungsbereich des § 398 AO und des § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO.

Gleichzeitig wurde die bisherige Voraussetzung, dass nur ein "geringer Schaden" eingetreten sein darf, ersetzt durch den nunmehr in § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO enthaltenen Begriff der "geringen verursachten Folgen". Als Wertgrenze wird bei allgemeinen Vermögensdelikten nach überwiegender Ansicht ein Betrag von etwa 50 EUR angenommen[2]. Bei Steuerstrafsachen werden höhere Wertgrenzen bis zu 2.500 EUR angenommen (s. dazu Rz. 29).

Die Strafzumessungsregeln für besonders schwere Fälle (§ 370 Abs. 3 AO) begründen keinen eigenen Tatbestand mit einer von vornherein im "Mindestmaß erhöhten Strafe", so dass § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO grds. anwendbar ist (s. dazu Rz. 23).

 

Rz. 13

[Autor/Stand] Aufgrund der Inhaltsgleichheit und des Nebeneinanders von § 398 AO und § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO stellt sich die Frage, ob beide Regelungen uneingeschränkt Anwendung finden können[4]. Die Gesetzesmaterialien[5] geben hierüber keinen Aufschluss; vermutlich hat der Gesetzgeber der weitgehenden Übereinstimmung keine Bedeutung beigemessen oder sie schlichtweg übersehen. Jedenfalls hat der Gesetzgeber bei der Einführung des § 398 AO gerade eine Einstellung entsprechend dem bis 28.2.1993 auf Vermögensdelikte beschränkten § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO a.F. auch bei Steuerstraftaten ermöglichen wollen. Da diese Beschränkung bei § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO beseitigt ist, dürfte der Sinn und Zweck des § 398 AO weitgehend entfallen sein.

Die Vorschrift könnte allenfalls noch unter dem Gesichtspunkt einer lex specialis Bedeutung behalten, und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen könnte man die Norm bzgl. der in ihr aufgeführten Delikte als für das Steuerstrafverfahren abschließend ansehen, doch würde dies zu wenig befriedigenden Resultaten führen (s. dazu Rz. 24). Zum anderen wäre denkbar, dass der Begriff der "geringwertigen Steuervorteile" in § 398 AO anders, d.h. weiter ausgelegt werden müsste als in der allgemeineren Norm des § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO. Allerdings ist – anders als die frühere Gesetzesfassung mit der relativ starren Grenze des "geringen Schadens" – die nunmehr in § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO enthaltene Formulierung ("die durch die Tat verursachten Folgen gering sind") weit genug, um den Besonderheiten des jeweiligen Deliktes Rechnung zu tragen.

Für eine Spezialität des § 398 AO mit einem eigenständigen Anwendungsbereich besteht damit insgesamt kein Bedarf[6]. Doch entfalten die nachfolgenden Erläuterungen zu den Einstellungsvoraussetzungen (Geringwertigkeit des Steuerschadens, Geringfügigkeit der Schuld, Fehlen des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung) auch bei Anwendung des § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO im Steuerstrafrecht nach wie vor uneingeschränkte Geltung.

 

Rz. 14

[Autor/Stand] Praktisch von großer Bedeutung ist die Einstellungsmöglichkeit nach § 153a Abs. 1 Satz 1 StPO[8]. Danach kann die StA oder die Finanzbehörde mit Zustimmung des Gerichts und des Beschuldigten bei einem Vergehen vorläufig von der weiteren Strafverfolgung und der Anklageerhebung absehen, wenn das öffentliche Interesse an der Verfolgung durch Erfüllung bestimmter Auflagen und Weisungen beseitigt werden kann und die Schwere der in Betracht kommenden Schuld nicht entgegensteht. Unter den Voraussetzungen des § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO ist die Zustimmung des Gerichts wiederum entbehrlich (§ 153a Abs. 1 Satz 7 StPO).

Der Anwendungsbereich der Vorschrift wurde ebenfalls durch das RpflEntlG[9] (s. Rz. 4) erweitert, indem die Voraussetzung der "geringen Schuld" entfallen ist, so dass sie insbesondere auch im Steuerstrafrecht Bedeutung erlangen soll[10]. Nunmehr darf die Schwere der Schuld dem Absehen von Strafverfolgung lediglich nicht mehr entgegenstehen.

Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht ebenfalls mit Zustimmung der StA bzw. Finanzbehörde und nunmehr auch des Angeschuldigten die Einstellung des Verfahrens beschließen (§ 153a Abs. 2 StPO).

Der Ablauf der Verfahrenseinstellung ist zweistufig: Zunächst erfolgt eine vorläufige Einstellung des Verfahrens und die Anordnung einer zu erfüllenden Auflage einschließlich Frist...

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